Über die glückselige Freigiebigkeit

„Über die Freigiebigkeit“ aus der „Vita beata“

Das Buch „Vom glückseligen Leben“ („Vita beata“) ist ein nie fertig gestelltes Lebenswerk des Paracelsus’. 2008 erschien endlich die Rekonstruktion dieses Buches als erstes Band der Reihe seiner theologischen Werke.
„Vom glückseligen Leben“ besteht aus 20 Einzelschriften, in denen Paracelsus u.a. ein ideales, „glückseliges“ Verhalten als christlicher Mensch in der menschlichen Gemeinschaft propagiert. Ausgehend von dem Gedanken, dass auch schon im Diesseits ein „seliges“ Leben möglich ist, übt er Kritik an den damals bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen Geld und Luxus auf der einen und erbärmliche Lebenssituationen auf der anderen Seite die soziale Realität darstellten.
Sein Ideal des gerechten Umgangs der Menschen untereinander ist fest im christlichen Glauben verankert. Mit dem Erscheinen und Sterben von Christus sieht er eine Zäsur. Seitdem ist es den Menschen möglich ein „seliges“ Leben zu führen, das erfolgreich nach dem Tod in ein „ewiges“ mündet. Ein christliches Leben im Diesseits definiert sich nicht durch Macht und Geld, sondern an anderen Werten.
Das Buch „Vom glückseligen Leben“ ist durchzogen von Bibelzitaten, die  u.a. zu einem Bild des sich ideal verhaltenden Menschen verknüpft werden. Der Mensch ist in Paracelsus’ christlichem Weltbild ein Geistwesen, das die christliche Lehre verstehen und entsprechend handeln kann. Gleichzeitig ist der Mensch auch seelisch verwoben mit den Wirkkräften von „Vater“, „Sohn“ und „Heiligem Geist“, die im Prozess der menschlichen Bestimmung zwar verschiedene Funktionen haben, aber letztendlich „Gott“ darstellen.

Als Beispiel für eine Einzelschrift aus dem Corpus der „Vita beata“ möchte ich hier das 16-seitige „Liber de felici liberalitate“ vorstellen. Wie bei den anderen Schriften ist auch hier nur der Titel Lateinisch. Übersetzt heißt sie: „“Von der glücklichen Freigebigkeit“.
Sie ist die erste von sieben Schriften, die Paracelsus der Ethik gewidmet hat. Ethische Prinzipien betreffen das praktische Leben. Und so ist auch die Freigiebigkeit ein Phänomen, das unser unmittelbares soziales Miteinander betrifft.
Mich interessiert, wie Paracelsus die christliche Tugend der „Freigiebigkeit“ in seine zeitgenössische Gesellschaft projiziert, was er überhaupt darunter versteht und welche Folgerungen er für das Leben des Einzelnen daraus zieht.
Ich ziehe die Ergebnisse meiner Untersuchung vor. Die textnahe Zusammenfassung der Schrift folgt dann erst im Anschluss.

Ergebnis

Das Phänomen der Freigiebigkeit teilt Paracelsus in eine erwünschte, selige Freigiebigkeit und eine unselige Freigiebigkeit, in der der Teufel wohnt.
Zu der unseligen Freigiebigkeit gehört auf persönlicher Ebene das Zahlen der Wirtshausrechnung – einschließlich der Musikanten und Huren. Zechen und Übermut („geile“) gelten also eindeutig nicht als Weg zum ewigen Leben.
Die Schrift wendet sich an eine männliche Leserschaft; auch vor der dominanten Ehefrau, die die Hand über das Vermögen hält, wird gewarnt.
Das Vermögen, und nun kommen wir zu dem Wesenskern der seligen Freigiebigkeit, sollte es eigentlich gar nicht geben. Es sollte kurzerhand an die Armen und Bedürftigen verteilt werden, ohne Bedenken, dass auch ein böser Armer unter den Empfängern sein könnte. Ziel ist eine Angleichung der Lebensverhältnisse von Reich und Arm.
Auch das Vererben von Gütern und Vermögen lehnt Paracelsus ab. Denn nur das im Leben Gegebene zählt vor dem jüngsten Gericht.

Der Hinweis auf das jüngste Gericht durchzieht die Schrift gebetsmühlenartig. Nur die reinen Herzens sind, die „Seligen“ kommen in das Paradies. Diejenigen, die dem Teufel nicht widerstehen konnten, werden nicht auferstehen, sondern Qualen erleiden.
Und der Teufel ist überall da, wo die Herzen verschlossen sind und keine Freigiebigkeit praktiziert wird. Paracelsus klagt die Reichen an, die Fürsten, Äbte, Adeligen und Kleriker, die in Prunk leben und Christus’ Lehre der Nächstenliebe nicht ernst nehmen.

Paracelsus gibt Anleitungen, wie eine selige Freigiebigkeit auszusehen, sich anzufühlen hat. Unser heutiges moralisches Verständnis von positiver Freigiebigkeit hat, wahrscheinlich dank der christlichen Tradition, Überschneidungen mit der paracelsischen: Es ist nicht schön, nur zu geben, um sich soziale Anerkennung zu schaffen. Vielmehr sollte das Geben reinen Herzens und aus freien Stücken geschehen. Auch sollen wir nicht geben, weil wir etwas zurückbekommen wollen. Stattdessen sollen wir geben, wo es nötig ist.

Der zentrale Empfänger der Freigiebigkeit ist bei Paracelsus der „Notdürftige“. Die Bediensteten sollen angemessen bezahlt werden, mehr aber auch nicht, was ja eigentlich zum Widerspruch mit der Forderung nach Angleichung aller Lebensverhältnisse steht. Es sind tatsächlich die Ärmsten der Armen, für die Paracelsus Partei ergreift, die Hungrigen, Kranken und Alten. Aber man sollte immer  nur das Notwendigste geben, damit niemand versucht ist übermütig zu werden!

Auf das „ewige Leben“ hoffen in den Industrieländern inzwischen wohl die wenigsten, obgleich es bei vielen das diffuse Gefühl geben wird, dass gute Taten sich auszahlen.
Was das praktische, soziale Leben angeht, ist Freigiebigkeit sicherlich dem persönlichen Wohlbefinden zuträglich. Allein schon dadurch, dass ein geiziger Mensch größere Schwierigkeiten hat, Freunde zu finden. So gesehen macht Freigiebigkeit auch schon unser diesseitiges Leben „seliger“.
Aber gerade eine Freigiebigkeit im Sinne des wechselseitigen sozialen „Gebens und Nehmens“ zwischen Menschen lehnt Parcelsus ab. Die selige Freigiebigkeit erlaubt nur das Geben gegenüber unbekannten Notleidenden.

In diesem Sinne verurteilt er auch Machenschaften, die wir heute als „Filz“ oder „Korruption“ in Politik und Wirtschaft nennen würden. Auch die Forderung nach sozialem Ausgleich ist angesichts der sich heute weitenden Kluft zwischen Arm und Reich noch immer aktuell.
Die Freigiebigkeit, so wie sie Paracelsus versteht, hat unbedingt ihre Wurzel in dem christlich- spirituellen Gebot der Nächstenliebe. Ein zentraler Begriff dieser Schrift ist aus diesem Grund auch das „freie Herz“.

textnahe Zusammenfassung des „Liber de felici liberalitate“

Paracelsus beginnt seine Abhandlung mit der Aufforderung, dass alle Menschen ihre von Gott erhaltenen Gaben „vom freien gemüt hinweg, tapfer und guetwillig ausgeben“ sollten. Nun ist es leider so, dass die Menschen mit Fehlern behaftet sind. Paracelsus verdeutlicht diesen Umstand hier mit der astrologischen Typenlehre. „ Der ist saturnisch – neidisch, untreu, eigennutzig; der ist Jupiter- zart und faul;…“.  Überhaupt hat die Natur nicht immer die Güte zu helfen und zu geben, also muss der Mensch dies tun. Und trotz seiner Charakterfehler sollte der Mensch, die Freigiebigkeit „sich mit gwalt hineintreiben“, also bewusst verinnerlichen. Paracelsus vergleicht diesen Prozess mit der Bekehrung der Ungläubigen.
Die Aufforderung zur Freigiebigkeit richtet sich dem Wesen nach an die Reichen, von denen es laut Paracelsus, nicht viele Freigiebige gibt. Die Rechnung dafür erhalten die Geizigen dann am jüngsten Tag: „Sie werden der verdamnus zugohn, und das wird ihn fürgehalten am tag der recnung.“
Für die Erben zu sparen erscheint Paracelsus falsch: „…dann wer weißt der erben herz, wie sie geraten?“ Er fordert dazu auf bereits als Lebender zu geben, denn das zählt vor dem Jüngsten Gericht. Diejenigen, die nicht abgeben, finden keine Gnade vor Gott. Zumal viele von denen ihr Gut mit „bescheißerei, wucherei und ander leckerei gewünnen haben“. Die des Teufels sind, nehmen das Evangelium nicht an und sind auch nicht freigiebig. Sie sind verblendet „auf ihr üppigs, sündlichs leben“ , sind wie taub und blind und haben „die gnad des verstands nit“.  Den Begriff „Verstand“ verwendet Paracelsus hier, um das Verständnis für die Notwendigkeit des Gebens zu benennen.

Auch das Geben, das nicht von Herzen kommt, ist kein seliges. Denn viele geben nur für „den schein, dass sie groß gesehen werden von den leuten“. Paracelsus verweist an der Stelle auf die arme Frau aus dem Markusevangelium, deren kleine Gabe vor Jesus mehr wert ist, als die  große Gabe der Reichen.
Um Freigiebigkeit zu praktizieren empfiehlt Paracelsus das Herz frei zu machen, sodass niemand beim Geben behindert. Als Knecht ist das schwer, weil Knechte ihren Herren dienen müssen. Diejenigen hingegen, denen Gott Güter und Reichtum gegeben hat, haben es leichter mit freiem Herzen zu geben.
Auch ist ein Arzt, der sich in Dienste der Fürsten oder Städte begibt, unfrei, weil er nicht mit freiem Herzen die Bedürftigen an seinen Gaben teilhaben lässt. Von Gott gegebene Gaben sollten nicht verkauft werden, sondern – hier folgt nun eine sehr merkwürdige Formulierung: Man soll „sein wesen setzen wie ein leerer (unbeschwerter Mensch mit leerem Geist), pilger, der weder mörder noch dieb förcht und sein freien mut behalt“.

Ausführlich warnt Paracelsus vor der Ehefrau, „die dein meister sei und dich ziehe, wie sie willt.“ Insbesondere in Verbindung mit Kindern, die eine Gefahr für die Freigiebigkeit darstellen: „und du mit ihnen ein gefangen mann seiest.“ Und mit der Frau kommt prompt der Teufel ins Spiel, der die gerechten Menschen angeht „durch krankheit, durch weib, durch kinder“. Es folgt die patriarchale Mahnung: „Du bist ein mann, sie (die Frau) nit. Du bist der vatter, deine kinder nit.“ Der freie Mann handelt, als hätte er keine Familie, und lässt sich von niemandem abbringen seine Gaben zu verteilen.
Ausdrücklich nicht zum Bereich der christlichen Freigiebigkeit gehört das Zahlen der Wirtshausrechnung. im sauf und zahlen für alle gesellen.(…)Vile zahlen huererei für sie, ist nit liberaltät des seligen lebens nun gefüert.“
Außerdem sollte man nicht geben, um etwas zurückzubekommen. Es ist erwünscht jemanden einzuladen, der nichts hat, und sollte sich dieser mit einer Einladung erkenntlich zeigen, wenn man selber gerade nichts hat, wäre das natürlich gut.

Bei der praktizierten Freigiebigkeit soll man sich nicht davon abschrecken lassen, dass man auch bösen Menschen etwas geben könnte. Denn auch Gott lässt Sonne und Mond für alle scheinen – „über guet und bös“. Es folgt eine sehr poetische Beschreibung der Freigiebigkeit der Natur. Wir sollen sein, wie die Sonne, dann sind wir „fröhlich und frei“. Wie die Erde im Frühling, die Bäume und Gärten blühen lässt. Wie das Meer zu den Fischen.
Allerdings sollen wir auch nichts Überflüssiges geben, sondern nur da „wo not tuet“. Sonst verführen wir die Empfänger dazu faul zu werden, was wiederum auf den Gebenden als Sünde zurückfällt. „Nit zuviel, allein die notdurft, damit das vile niemands in geile (Übermut) bringt, die dir und deiner seele der tod sei.“

Grundsätzlich jedoch sollen wir freigiebig sein, bis nichts mehr da ist. „Gibe, dass nichts zukünftig bleib nach deim tod.“ Denn nach dem Tod vermehrt sich das im Leben Gegebene. Menschen, die reich an Geld oder ärztlichem Können sind, sind „selig“, weil sie die Möglichkeit haben Menschen in Not zu helfen. Leider sind nur wenige Reiche bereit, das auch umzusetzen. Reichtum kann im Übrigen nicht nur von Gott, sondern auch vom Teufel gegeben worden sein. Den Reichtum des Teufels erkennt man daran, dass er nur den Reichen dient, statt den Notdürftigen zu helfen.
Der selige Reiche kleidet sich nicht besser als die Armen und isst vor allem auch nicht besser. Sobald jemand mehr hat als ein Armer, sollte gerecht geteilt werden. Dieser Vorgang wird anschaulich beschrieben: Das ist keine Freigiebigkeit, wenn „er semmeln esse und sein nächster haberbrein.(…) Sondern „dass semmel- und habermehl zusammenkommen und zusammengebeutelt, zusammengeknetet, und in ein brot gebachen (…) Also auch (…) mit den hühndern (Hühnern) und die kuchen mit dem habermus zusammenkommen in ein hafen (Topf) also, dass die supp vom huhn, das wasser, so am habermus, und das fleisch zu beiden seiten in gleichen zähnen hang und gekäuet werde.“ Trotz des geringeren Nährwertes waren damals Weißmehlsemmeln wertvoller als Haferbrei. Vom heutigen Wissensstand gesehen ein schlechter Tausch für die Armen, ein Huhn gleicht es jedoch wieder aus.
Auch die Arbeits- und Wohnsituationen sollten auf ein gleiches Niveau kommen. „und trägt mit seinem nächsten gleich bürde und arbeit.““nit dass dein haus für feuer versorgt sei und der armen all tag in feurs not und sorg; nit dass dein dach zieglen sei und deines nächsten streui; nit dass dein häuser gläserscheiben und eisenreich  (Butzenscheiben) seind und des armen schliem und papier; nit dass man dir ein tag dreimal einheiz und den armen in zweien tagen einmal…“ Angesichts der bitteren Armut ereifert sich Paracelus über die Pracht und „üppige unnutze hoffart“ der Rathäuser und Bürgerhäuser.
Die soziale Ungleichheit führt Paracelsus auf den Teufel zurück, der die Leute dazu bringt, die Armen nicht zu achten, sondern – und hier haben wir dann noch Beispiele für inakzeptable Freigiebigkeit: „dem spieler schuld schenken, dem pfeifer silber an pfeifen hängen, den hueren zwei kleider“.

Nun folgt eine Mahnung an die Menschen sich brüderlich zu verhalten. Statt sich wie tiergleiche, nur auf ihren Vorteil agierende Wesen (s.Adam) zu verhalten, sollten die Menschen im Sinne Christi Nächstenliebe walten lassen.

Paracelsus erinnert an der Stelle an die nicht menschlichen „Abgötter“ des alten Testaments, die seit dem neuen Testament durch menschliche ersetzt worden sind. Möglicherweise spricht Paracelsus hier von den Heiligen der katholischen Kirche. Der Vergleich ist allerdings etwas irritierend, da die „Abgötter“ des alten Testaments ja negativ besetzt sind, die Heiligen von Paracelsus jedoch als schützenswert angesehen werden. Denn Paracelsus spricht nun von Leuten, deren Verstand vom Teufel getrieben Altäre und Heilige verbrennen. Wenn ich das richtig verstanden habe, bezieht Paracelsus hier Position gegen die so genannten „Bilderstürmer“, die in den Wirren der Reformationszeit Kirchen überfielen und Altäre verbrannten.

Wer keine Nächstenliebe walten lässt, „wandlet wider gott“. Der den Bedürftigen hilft, ist selig. Auch wenn dieser selige Mensch in Wäldern wohnen sollte. In „guten Mauern“ findet man viele, die nicht „selig“ sind, sondern Abgöttern huldigen. Als Bild muss jetzt Diana herhalten, eine antike Göttin, die in der Bibel erwähnt wird,. Das prunkvolle Ornat der Kleriker vergleicht er mit dem prunkvollen Auftreten der Diana und nennt dies „gleißnerisch“. „auswendig schön, inwendig stinkend, elend, erlogen,…“ Ohne Zweifel eine Kritik an der damals praktizierten katholischen Kirche.
Nun appelliert Paracelsus an Ritter und Fürsten den Armen von freiem Herzen zu geben und den Bediensteten nur ihren Lohn zu zahlen. Die Freigiebigkeit, wie Paracelsus sie versteht, hat also tatsächlich nur die unbedingt Notdürftigen im Fokus. In dieser Logik weist er darauf hin, dass man nur denjenigen gegenüber freigiebig sein kann, denen man nichts schuldet.
Man soll Kranken sein Essen geben, weil sie es nötiger haben und die Kranken, Lahmen auf dem eigenen Pferd reiten lassen. Die Jungen sollen die Alten versorgen und „eh für ihn bettlen gohn und ihn ernähren, eh er den alten lasst bettlen gohn, (…) für ihn wasser trinken und ihn lassen wein trinken. Das alles tunt die im seligen leben.“ Die Seligen schlafen auf Bänken und lassen den Kranken in das Bett und erlangen so das ewige Leben. Die anderen unseligen Menschen verdrießt es die Armen auch nur zu sehen und sie sind dauernd am überlegen, wie sie sie loswerden können: „Bei dem sperren, zutun, abfertigung vor der tür erkennt man, in welchen städten, höf, klöster etc. der teufel ist und wo seine kinder seind.(…) Weh euch reichen!“

Wer freigiebig ist, hat eine Freundschaft mit Gott!  Die Gaben, die man im Leben gibt, kommen im Himmel als Freude zurück. Diejenigen jedoch, die im Mammon Freude finden sind des Teufels.
Als nächstes kritisiert Paracelsus wie Äbte, Bischöfe und Fürsten durch teure Geschenke und gemeinsame Vergnügungen sich ihrer gegenseitigen Unterstützung versichern. „Darum reiten sie zusammen uf fasnacht, uf schießen, uf hochzeit und zu ander banketten.“ Nun muss der König von Frankreich als Synonym für Mammon und Bosheit herhalten. Leute, die sich nur für Mammon interessieren sind des Teufels und darum geht auch Teufelswerk von ihnen aus: „verräterei, lügnerei, verkaufen eigen blut und fleisch und dergleichen.“

Jetzt vollzieht Paracelsus einen Gedankensprung zum fleischlichen Körper, dem es nach Völlerei lüstet, obwohl andere Menschen hungern. Dabei wäre „brot, speis genug ist in einem jeglichen.“ Es ist sowie nicht der fleischliche Körper, der am jüngsten Tag aufersteht: „ein fleisch, das dich verfüert , wird nit mit dir uferstohn am jüngsten tag, sonder wird faulen und verderben.“ Die weiteren Ausführungen dazu hören sich an, wie ein Plädoyer gegen Fettleibigkeit durch übermäßiges Essen.

Nicht auf Zukünftiges sollen wir sparen, denn dadurch wird man unfrei und ist sich selbst näher als seinem Nächsten. Wenn der Nächste nur von heute auf morgen leben kann, sollen wir das auch tun. Es folgt eine Absage an die Zinswirtschaft und die Lebensmittelspekulanten, die aus Missernten Geld schlagen, während andere hungern.
Paracelsus kommt nun zu dem Begriff der „seligen Freiheit“, die man nur bei den Ärmsten auf dem Land finden kann.
Der Tonfall wird  gnädiger und Paracelsus weist darauf hin, dass „selige Freiheit“ auch bedeutet, Barmherzigkeit zu fühlen mit Menschen, die dem Mammon, dem Teufel, Gott oder einer Krankheit verfallen sind. „Wir seind jedoch alle brüder und noch nit geschieden voneinander, sonder eines noch all.“ Am Ende sind vom Teufel Besessene auch Leute, denen man beistehen sollte. Gutes tun wir am Ende für Gott. Und Krankheiten gibt es ja schließlich auch vor allem, damit die Wunder der Arzneien offenbart werden!
Wer ein reines, freigiebiges Herz hat, dem wird Gott so viel zurückgeben, dass er es nicht ausgeben kann. Ein seliges Herz, das im Glauben Christi handelt, kann z.B. „aus spatzen ochsen“ machen, so wie Jesus ja mit wenigen Broten und Fischen viele tausend Menschen gespeist hat. „Dann was wir begehrn und bitten von gott unserm himmlischen vatter, desselbigen werden wir gewährt.“

Nun wendet sich Paracelsus den „Buchstabenaposteln“ zu, die nur die Schrift predigen, aber den „Geist“ nicht haben. Hätten sie den „Geist“, so würden sie „die krummen gerad machen, die blinden gesehend, die teufel ustreiben.“ Mit den Buchstaben als Gott können „Buchstabenapostel“ keine Freiheit in der seligen Freigiebigkeit erlangen. Diese Leute leben „mit dem mund im geist und mit dem herzen im fleisch.“ Sie posaunen es lauthals heraus, wenn sie Almosen geben, woran man gleich erkennen kann, dass sie nicht vom Geist erleuchtet sind.
Wenn man etwas übrig hat, was die Notdürftigen nicht brauchen, so soll man es behalten, damit sie nicht in die schon erwähnte „geile“ kommen, also übermütig werden. Jetzt folgt ein Vergleich, der ausnahmsweise die Armen in einem nicht sehr seligen Licht erscheinen lässt: Ein Bettler kann sein, wie ein Hund, dem man nie genug Fressen geben kann, bis er kotzt.

Also auch unter Armen gibt es gute und schlechte Menschen. Die, die des Teufels sind, sammeln und „hont kein boden in ihren säcken und kästen“.
Nichtsdestotrotz soll man erstmal allen abgeben, da wir die wenigen Auserwählten nicht erkennen können. Erst am jüngsten Tag wird sich zeigen, wer mit Jesus am Tisch speisen darf. „Und die, so vom mammon haben freund gesuecht und gemacht, werden in die ewige verdamnus beschieden.“