Inhalt
Einleitung
Die drei Prinzipien und die vier Elemente
Die Jahres- und Tageszeiten
Vulkanus und die Naturgeister
Die Winde
Der Regen
Die Wintersterne
Der Blitz
Von den „extraneis“ und „exhalationibus“
Schluss
Literaturverzeichnis
Paracelsus’ „Liber de meteororum“
Das Wetter ist unser unmittelbarster Kontakt zum Kosmos. Es ist allgegenwärtig – wir leben in und mit ihm und es stellt noch immer eine Naturgewalt dar, die sich unserer direkten Einflussnahme entzieht. Zwar zeigt es sich, dass die Menschheit durch den industriellen CO2-Ausstoß das globale Klima, und damit das lokale Wettergeschehen, beinflusst – dies geschieht jedoch weitgehend unkontrolliert.
In unseren Breitengraden beeindrucken lokale Wetterereignisse, abhängig von der Jahreszeit, durch eine ungeheure Bandbreite von Erscheinungsformen. Und insbesondere im Alpengebiet, wo Paracelsus den größten Teil seines Lebens verbrachte, können durch überraschende Wetterumschwünge Sonne, Gewitter, Regen, Windstöße oder Hagel in Verbindung mit ungeheuren Wolkenspielen kurz aufeinander folgen.
Zu Zeiten Paracelsus’ verfügte die Wissenschaft noch nicht über Satellitenbilder und Strömungsfilme und auch der Luftdruck als Schlüssel zum Verständnis des Wetters war noch nicht entdeckt. Mich interessiert, wie der Arzt, Naturphilosoph und Laientheologe Paracelsus im frühen 16.Jhdt. sich die Entstehung von Wetter vorstellt. Folgt man den Naturbetrachtungen eines frühneuzeitlichen Gelehrten, so ergibt sich für den heutigen Leser unwillkürlich ein Abgleich mit modernem Wissen. Gleichzeitig eröffnet sich eine neue Dimension von möglichen Sichtweisen des menschlichen Geistes auf die Welt.
Paracelsus verstand sich als Alchemist, wenn auch in erster Linie mit dem Ziel Medikamente herzustellen. Und aus seiner Alchemistenperspektive heraus beschreibt er um 1530 in der 76-seitigen Schrift „Liber meteororum“, wie er die Produktion von Wettererscheinungen sieht. Obwohl Paracelsus sich mitunter vehement von „Aristoteles“ als Synonym für „die klassische Lehre“ distanziert, orientiert er sich im Aufbau seiner Meteorologie an der, dem universitären Kanon zugehörigen aristotelischen Schrift „De meteore“. Das paracelsische „Liber met.“ ist somit als Gegenentwurf zu einer klassischen Lehre zu verstehen. Gleichzeitig übernimmt Paracelsus klassische Kategorisierungen. Er betrachtet das Wetter nicht solitär, sondern eingebettet in allem, was sich am Himmel abspielt. Damit folgt er den antiken Betrachtungen, die den Sternenhimmel in die Thematik „Himmel“ miteinbeziehen. Im „Liber metororum.“ drückt sich das so aus, dass von den zehn Kapiteln nur vier Winde, Regen, Schnee und Blitz behandeln. Die anderen thematisieren Jahres-, und Tageszeiten, Sterne, Wesen des Himmelelements oder außergewöhnliche himmlische Naturphänomene wie Regenbogen, Meteoriten oder Froschregen.
Dem Renaissance-Zeitgeist folgend formuliert Paracelsus im Rahmen eines Systems eigene Gedanken. Und diese schreibt er, damals für dieses Genre unüblich, auf Deutsch und nicht in Latein. Genauer gesagt schrieb er in Frühneuhochdeutsch mit allemanischem Einschlag, wobei er für die alchemistischen Ausführungen lateinisches Fachvokabular verwendete. Er richtete sich somit an einen gebildeten Leser, der nicht fließend Latein verstehen musste.
Wie zu dieser Zeit auch nicht anders möglich, ist Paracelsus’ Kosmologie unbedingt eingebettet in ein christliches Weltbild. Im Alpenraum bis in die Neuzeit verbreitete Vorstellungen der „wilden Horde“, Geisterwesen, die bei Sturm durch die Lüfte fegen – als Reminiszenz an einen vorchristlichen Sturmgott – sucht man bei Paracelsus vergeblich. Kleinere Naturgeister hingegen – Relikte eines vorchristlichen Elfenglaubens – haben sich halten dürfen und beleben die paracelsischen Elemente.
Das „Wettermachen“, immerhin ein gewichtiger Anklagepunkt bei zeitgenössischen Hexenprozessen, interessiert Paracelsus nicht. Im „Liber met.“ räumt er Magiern ein, durch Kontaktaufnahme mit Geistern das Wetter beeinflussen zu können; er rät aber dringend von solchen Unternehmungen ab. Seine Perspektive auf das Wetter ist distanziert; er möchte den alchemistisch-funktionalen Vorgängen auf die Spur kommen. Gleichzeitig gesteht er bestimmten Phänomenen wie dem Blitz zu, göttliche Zeichen sein zu können.
Paracelsus’ Zeitgenossen interessierten sich sehr für Wetter und sicher erhoffte sich Paracelsus mit seinem „Liber meteororum“ einen gewissen Erfolg. Leider beschränkte sich, aus verständlichen Gründen, das Interesse des gemeinen Volkes hinsichtlich des Wetters auf Vorhersagen. Sehr populär waren die, ab 1500 überwiegend auf Deutsch publizierten, sogenannten „Einjahrespraktikten“. Hierbei handelte es sich um astrologische Prognosen für das kommende Jahr, die meist nach einem festen Schema strukturiert waren. Das erste Kapitel stellte die regierenden Planeten vor, dann folgte die Deutung hinsichtlich Wetter, Ernte, Krankheiten, Kriege und anderer Katastrophen. Den Schluss bildete eine Tabelle für die Daten der Neumonde. Angefertigt wurden diese Prognosen von einfachen Gelehrten, wie Lehrern oder Ärzten. Auf Grund der großen Anzahl solcher „Praktiken“ wird vermutet, dass es geradezu die Pflicht eines Stadtarztes war, seine ihm anvertrauten Mitmenschen über zu erwartende Misslichkeiten zu informieren. Da es sich bei den Verfassern größtenteils um astronomische Laien handelte, gab es das Phänomen, dass für ein und dasselbe Jahr unterschiedliche Planetenkonstellationen den Vorhersagen zu Grunde gelegt wurden. Dementsprechend unterschiedlich konnten die Vorhersagen ausfallen, was der Beliebtheit dieser Praktiken offensichtlich keinen Abbruch tat.
Auch längerfristig anwendbar und sehr erfolgreich war das „Wetterbüchlein“ von Leonardus Reynmann, das 1505 erstmalig erschien und sich so enormer Beliebtheit erfreute, dass es bis 1540, kurz vor Paracelsus Tod, 17 mal aufgelegt wurde Gerne gekauft wurde auch die „Bauernpraktik“ eines anonymen Verfassers von 1508, in der Regeln zur Deutung von Sternzeichen und Planetenkonstellationen auch hinsichtlich des Wetters dargelegt wurden. Die Bauernpraktik wurde im Laufe des 16 Jhdts. 41 mal aufgelegt und avancierte so neben der Bibel zu dem erfolgreichsten Buch.
Wie bereits durchscheint, basierten die damaligen Wetterprognosen auf der Deutung astronomischer Konstellationen, weshalb diese Phase als Blütezeit der „Astrometeorologie“ bezeichnet wird.
Paracelsus konnte diesem Prognosekonzept allerdings nichts abgewinnen. In der ihm eigenen selbstbewussten Art verwarf er diese herkömmliche astrometeorologische Theorie und ersetzte sie durch eine eigene Vorstellung. Dabei schießt er, von unserer Warte aus gesehen, über das Ziel hinaus und landet direkt auf einem Holzweg. Nicht die Planetenkonstellationen in Tierkreiszeichen machen nach Paracelsus das Wetter, sondern die Sterne selbst.
Wir begegnen im „Liber meteororum“ der uns unbekannten Vorstellung der „Wettersterne“. Im paracelsischen Kosmos gibt es „Regen-„ , „Wind-„, „Blitzsterne“ u.s.w.. Jedes Wetterereignis ist das Produkt eines Sternentypus, dem das Wetter entspringt. Diese Sterne sind die Zentren, an denen die alchemistischen Reaktionen, Paracelsus nennt sie „operationes“, einsetzen und das Wetter brauen. Lässt man sich auf diese Idee ein, so begibt man sich mit Paracelsus auf eine aufregende Reise durch ein bezauberndes Himmelselement.
Die zeitgenössischen Verleger sahen das nicht so. Wie die meisten Schriften seines überaus umfangreichen Gesamtwerkes wurde auch das „Liber met.“ zu Paracelsus Lebzeiten nicht gedruckt. Insofern markiert das „Liber met.“ für Paracelsus eine Station des Scheiterns in dem Unterfangen in der akademischen Welt Anerkennung zu erfahren. Wie aus Quellen herauszulesen ist, konnten wohl auch etliche der zeitgenössischen Gelehrten nicht viel mit den paracelsischen Ideen anfangen.
Erst nach seinem Tod, in der zweiten Hälfte des 16.Jhdts., erfuhren seine Werke eine Würdigung. Sie wurden publiziert und gelesen, und inspirierten über Jahrhunderte Naturphilosophen, Chemiker, Ärzte oder Theosophen dazu eigene Gedankenwege zu beschreiten.
Um 1530, als Paracelsus das „Liber met.“ schrieb war er Mitte dreißig. Nach einem unrühmlichen Intermezzo als Dozent an der Medizinfakultät der Universität Basel im Jahr 1527, das den Höhepunkt und gleichzeitig auch das Ende seiner akademischen Laufbahn darstellte, stieg er zögerlich in das lukrative Genre der Prognostiken ein. 1529 und 1530 wurden dann tatsächlich zwei Praktika von ihm gedruckt, in denen er vieldeutige Aussagen zu politischen Ereignissen tätigte, Wettervorhersagen allerdings ablehnt. Auch eine Schriftenreihe zwischen 1531-1534 gelangte zur Publikation. In dieser befasst sich Paracelsus mit der prophetischen Auslegung von Kometen, Erdbeben, Regenbogen u.a., wies allerdings neben der Astrologie auch die Wetterprognosen als „heidnisch“ weit von sich. Sie nutzten nur dem „seckel“ (der Geldbörse) der „wetterprediger“ und außerdem habe „gott menschen nicht nach planeten zu leben geteilt.“ Paracelsus interpretierte außergewöhnliche Naturphänomene vielmehr nach der Heiligen Schrift. Er verstand sich als Prophet und sein Ziel war es, die Zeitgenossen dazu zu bewegen sich auf den, im christlichen Sinne, rechten Pfad zu begeben.
1535 schließlich beugte sich Paracelsus dem Zeitgeist. In den Vorreden der vier, zwischen 1535 und 1539 erschienenen Einjahresprognostiken stellt er resigniert fest, dass die Menschen „das göttliche liecht“ vergessen haben. Seine Vorhersagen entsprachen nun dem üblichen Schema. Ausgehend von Gestirnskonstellationen trifft er Vorhersagen zu Wetter, Kriegen, Krankheiten, Ernten, den Geschicken der Planetenkinder und einzelner Gruppen. Seine Wendung hin zur astrologischen Vorgehensweise begründete er damit, dass die Menschen den verderblichen Einflüssen der Gestirne nicht entgegensteuerten und sie dadurch möglich machten.
Ich stelle nun den Inhalt des „Liber meteororum“ vor und folge dabei chronologisch dem Aufbau des Werkes. Zu Beginn und am Ende jedes Abschnittes erläutere ich die paracelsischen Gedankengänge und analysiere die für den heutigen Leser interessanten Passagen. Dazwischen – kursiv gedruckt – gebe ich nah am Text gehaltene Zusammenfassungen. Auch wenn mich persönlich der originale Text sehr fasziniert, ist mir bewusst, dass er für ungeübte Leser eine Zumutung darstellt. Es ist beim Lesen also durchaus möglich die kursiv geschriebenen Passagen zu überspringen, sich auf die Analysen zu beschränken und trotzdem ein lebendiges Bild der paracelsischen Gedankenwelt zu bekommen.
Drei Prinzipien und vier Elemente
1530, zur Entstehungszeit des „Liber meteororum“, vertrat Paracelsus die Auffassung, dass Planetenkonstellationen keinen Hinweis auf das Wetter geben können. Auch in anderen Punkten setzt sich Paracelsus von den Theorien seiner Zeitgenossen ab.
Um 1527, während seiner Tätigkeit als Universitätsdozent in Basel, präsentierte Paracelsus eine spezielle Theorie, auf die seine Medizin- und Naturphilosophie basiert und die auch bei der Entstehung des Wetters eine zentrale Rolle einnimmt. Es handelt sich dabei um die drei-Prinzipien-Theorie, die besagt, dass alle Dinge aus den drei Prinzipien Schwefel (sulfur), Quecksilber (mercur) und Salz (sale) bestehen. In der Medizin wandte Paracelsus diese Theorie an, um sich von der seit der Antike vorherrschenden Vier-Säfte-Lehre zu lösen. Paracelsus versteht dabei Körperfunktionen und Krankheiten des Menschen als ein kompliziertes Zusammenspiel der drei Prinzipien und entwickelte eine dazu passende Medikamententheorie.
Auch der paracelsischen Naturphilosophie leisten die drei Prinzipien große Dienste. Schwefel, Quecksilber und Salz sind dabei weniger als stoffliche Substanzen zu verstehen, sondern stehen für Eigenschaften, die Paracelsus mit ihnen assoziiert.
Die Annahme, alles bestehe aus diesen so genannten „drei ersten“ lässt einen großen Spielraum an Reaktionsmöglichkeiten zu, mit denen Paracelsus die Schöpfung in ihrer Vielfalt beschreiben konnte: Mineralien, Metalle und Steine unterscheiden sich beispielsweise durch Qualität und Quantität der Prinzipien. Sie verursachen so die unzähligen Varianten an Masse, Farben, Härte ect.. Ähnliches gilt für die Pflanzenwelt, wobei hier dem Schwefel besondere Bedeutung zukommt, indem er für äußere Gestalt, Farben und Geschmack zuständig ist. Jeder Stein und jede Pflanze hat dabei individuelle „drei erste“, die sich so jeder Definition, ein Wort, das Paracelsus nicht kennt, entziehen.
Selbstverständlich bestehen auch die Wettersterne aus jeweils individuellen „sulfur“, „mercur“ und „sale“, die im „Liber meteororum“ auch „species“ genannt werden. Durch ihre Reaktionen untereinander – bei Paracelsus heißt das „ire operationes“- produzieren sie die verschiedenen Wettererscheinungen, also Niederschläge, aber auch Winde, Blitz und Donner. Die „drei ersten“ sind der allzeit einsetzbare Joker, der es Paracelsus erlaubt, jedes Naturphänomen zu beschreiben.
Während die drei Prinzipien eine paracelsische Originalidee darstellen, ist die Elementenlehre von Philosophen der griechischen Antike erdacht worden. Vereinfacht ausgedrückt, besagt sie zum einen, dass alle Körper in die vier Elemente zerlegbar sind, dass also alles aus den vier Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde besteht.
Zum andern beschreibt die Elementenlehre die Schichtung der sinnlich wahrnehmbaren Welt mit je einem vorherrschenden Element pro Schicht. Während die Erde ihren Ort im Zentrum der Welt hat und nach unten strebt, wird das Feuer an die Peripherie gezogen, von uns aus gesehen also nach oben in den Himmel. Die Elemente Wasser und Luft vermitteln dabei und befinden sich demnach über der Erde und unter dem Feuer. Das Wettergeschehen am Himmel findet demnach, wie Aristoteles in seiner Schrift „Meteorologie“ darlegt, in dem Feuerelement statt.
Da für Paracelsus nun jedes Ding aus den „drei ersten“ besteht und nicht aus vier Elementen, verwirft er in Bausch und Bogen den einen Teil der antiken Elementenlehre. Und obgleich er dabei gerne speziell Aristoteles beschimpft, findet er an dem anderen Teil Gefallen. Die Idee von den vier Elementen als kosmische Zonen übernimmt Paracelsus und schmückt sie aus. Er nennt sie die vier „Mütter“, die jeweils spezielle „Früchte“ tragen. Die Früchte der Erde sind die Pflanzen; das Wasser bringt Steine und Metalle hervor. Die Frage nach den Früchten der Luft umschifft im „Liber meteororum“ Paracelsus elegant; die Früchte des Himmels (Feuer) stellen die Sterne dar.
Im folgenden gebe ich eine Zusammenfassung der ersten zweieinhalb Kapitel des „Liber meteororum“, in denen Paracelsus die Details bezüglich der „drei species“ und der vier Elemente erläutert. Originalzitate sind durch Anführungszeichen markiert.
Gott hat die Erde beschaffen in vier „corpora“, die die Mütter aller Dinge sind. Die Corpora sind Himmel, Erde, Wasser und Luft. Diese Corpora tragen Früchte, damit sich der Mensch ernährt.
Von den Früchten des Himmels, den Gott zuerst erschaffen hat, handelt dieses Buch.
Die Erde muss hart sein, weil sie den Menschen tragen soll. Das Wasser nass, damit Fische darin schwimmen können. Im Element Luft leben alle Menschen und Bäume, sie ist ungreiflich und unsichtbar. Der Himmel ist nicht fest, nass oder „perspicuum“, sondern hat „ein besonders corpus“, der sich am besten mit Rauch vergleichen lässt.
Und so wie die Früchte der (Elementen-) Mütter ihre Ursache und Eigenschaft ihrer Mütter haben, so haben auch die Sterne die „corporalitet“ des Feuers – des Himmels.
So wie Pflanzen in der Erde wurzeln und Fische im Wasser schwimmen, so sind die Sterne im Himmel und bewegen sich „welches ich der astronomei befilch“ (was zur Astronomie gehört), „also ein wunderbarlich werk gottes.“
Anders als die Bäume vergehen die Sterne nur einmal und kommen nicht wieder, und das passiert am Ende der Welt. Die Sterne bleiben vorerst, aber ihre Früchte (das Wetter) kommen und gehen.
So wie der Tod unsichtbar alles Lebendige vergehen lässt, so verzehrt das Feuer sichtbar die Dinge. Und anders als Erde, Wasser, Luft gibt das Feuer dem Menschen nichts „elementisches“ (durch Essen, Trinken und Atmen). Ohne Feuer könnte der Mensch leben, aber mit dem Himmel hat der Mensch „gemeinschaft“, deshalb heißt das vierte Element „Himmel“. Also ist der Himmel das „erste elementum“, das Gott vor den anderen erschaffen hat, das sogenannte „elementum coeli“, „wan ehe der wein wird, sol vorhin das faß sein“, so sind die anderen Elemente im „eußern element coeli verschlossen“.
Die Corpora der Elemente sind aus dem „nichts“ gemacht, allein aus dem „fiat“ (Wort) Gottes. Da die Gottheit dreifach ist (Trinität: Vater, Sohn, Heiliger Geist), war das Wort auch dreifach und alle Dinge, die daraus entstanden sind auch dreifach. Und die prima materia (erste Materie), die in sich dreifach ist, hat Gott geschieden in vier Elemente.
Jeder Corpus besteht aus den „drei stück“, nicht nur die Elemente, sondern auch alles, was von ihnen kommt. An der Stelle nennt Paracelsus die drei Stück: ignis (Schwefel), sal (Salz) und balsamus (Quecksilber).
Also Kräuter, Bäume, Metalle, Steine – und was die Früchte des Himmels betrifft- auch Schnee und Regen sind „in den dreien corporibus … begriffen“.
Der Mensch ist zwar körperlich, aber ohne seinen unsichtbaren Geist wäre er kein Mensch. So sind auch die Elemente „corporalisch, aber im wesen und natur seind sie geiste.“ Ohne Geist sind die Dinge tot, denn Leben ist Geist. So wie nicht die Zunge redet, sondern der Geist in ihr. Desgleichen hat jedes Element einen Geist oder Seele.
Der Himmel ist nun das subtilste Element, dem Gott den Namen „firmamentum“ gegeben hat. Die andern Elemente sind im Firmament wie ein Ei in seiner Schale. Und so trägt der leichte Himmel die anderen schweren Elemente „gleich als ein wasser, das ein schiff mit steinen tregt.“ Wegen seiner in ihm „chaotischen art“ kann nichts „dadurch fallen“. Und wie ein Kreis weder Ober- noch Unterteil hat, so sind auch wir im Firmament unten und oben gleichzeitig.
In der Abfolge Erde, Wasser, Luft, Himmel wird die jeweilige „corporalitet“ immer gröber, sodass für die extremen Elemente gilt: „als grob die erden, als subtil der himel, als finster die erden, als heiterer der himel.“ Und doch ist der Himmel ein Körper, aus dem seine körperlichen Früchte, wie Regen, Schnee u.s.w. geboren werden. Und durch die Früchte können die Elemente erkannt (verstanden) werden, so wie ein Meister durch seine Werke erkannt wird „und die werk nicht aus dem meister“.
Wie die Bäume ihre Füße in der Erde haben, so sind die Sterne aus dem Himmel gewachsen, da sie sich aber bewegen müssen, haben sie keinen Fuß „in irem element“. Sie sind Kugeln, die von der Hand Gottes geworfen wurden.
Wie Bäume sich von der Erde ernähren, so ernähren sich die Sterne vom Himmel. Und so vielerlei Gewächse es auf der Erde gibt, „so vilerlei art der sternen sind.“ Die verschiedenen Pflanzen tragen verschiedene Früchte und die verschiedenen Sterne produzieren verschiedene Wettererscheinungen.
Die Operationen der Sterne sind „in den dreien ersten“ „aus denselbigen komen sie.“
Wie wir sehen, bezieht sich Paracelsus in seiner naturphilosophischen Sicht unbedingt auf Gott. Auch seine Erkenntnistheorie „dan aus den früchten werden sie erkent“ erinnert an ein Bibelzitat, wenngleich in der Bibel auf das Handeln des Menschen bezogen und nicht auf Natur.
Typisch paracelsisch sind auch Bilder und Vergleiche, die herangezogen werden, um die Naturphilosophie anschaulich zu machen.Irritierend ist der Umstand, dass Paracelsus gerne einen Begriff für verschiedene Dinge verwendet; so können „corpora“ die Elemente, in einem anderen Zusammenhang aber auch schlicht „materielle Körper“ bezeichnen. Umgekehrt gibt es für dieselben Dinge mehrere Bezeichnungen; z.B. heißen die „drei ersten“ auch „species“, „teil“, „corpora“, „stück“, „ding“ e.c.t.. Diese variable Begriffszuordnung hat den Vorteil, dass Paracelsus je nach Bedarf unterschiedliche Aspekte einer Sache hervorheben kann.
Berührt die paracelsische Gedankenkette die Bewegung der Sterne, kommt der Zusatz „welches ich der astronomei befilch“. Damit verweist er auf einen Bereich, der nicht Gegenstand seiner Philosophie darstellt, sondern zum Themengebiet der Astronomie gehört. Die Astronomie im Sinne einer exakten Wissenschaft, die Planetenläufe penibel dokumentiert und sich der Mathematik bedient, interessiert Paracelsus nicht. Dafür nehmen wir teil an seiner ergreifend schönen Wahrnehmung der Welt als einer von Geist und Seele durchdrungenen Schöpfung.
Immerhin akzeptiert Paracelsus das unter den zeitgenössischen Gebildeten geläufige ptolemäische Weltbild. Ebenfalls aus der Antike überliefert, wird hier die Erdkugel in die Mitte des Universums positioniert, um die sich die Planeten einschließlich Sonne und Mond drehen.
Die Jahres- und Tageszeiten
Während Paracelsus das „Liber meteororum“ schrieb, beobachtete und berechnete der Astronom Nikolaus Kopernikus in Krakau Planetenlaufbahnen und kam zum Ergebnis, das sich die Sonne im Zentrum unseres Planetensystems befinden muss. Sein bahnbrechendes Werk „ De revolutionibus orbium coelestium“ wurde im Jahr 1543, zwei Jahre nach dem Tod des Paracelsus publiziert und es sollten in der Folge noch viele Jahrzehnte vergehen ehe sich das kopernikanische Weltbild im Abendland durchsetzen konnte.
Die Vorstellung der sich um die Sonne drehenden Erde haben wir inzwischen so sehr verinnerlicht, dass die Erklärung der Jahreszeiten leicht nachzuvollziehen ist. Die Erdachse ist zur Sonne geneigt, was zu variierenden Einfallswinkeln der Sonnenstrahlen führt. Paracelsus konnte noch nicht auf dieses Wissen zurückgreifen. Seine Überlegungen bezüglich der Jahreszeiten führten ihn zu dem Schluss – wir ahnen es – dass Winter- und Sommersterne für den Jahreszeitenwechsel verantwortlich sein müssen.
Und nicht nur das. Paracelsus beweist im Rahmen seines Systems eine beeindruckende Konsequenz des Denkens: Auch Tag und Nacht erklärt er nicht allein durch An- bzw. Abwesenheit der Sonne, sondern durch zusätzlich unterstützende Tag- und Nachtsterne.
Zusammengefasst hört sich das in der zweiten Hälfte des dritten Kapitels dann so an:
Auch Sommer und Winter kommen von Sommer- und Wintersternen, wobei die Sonne „der erste und obriste somerstern ist“, neben der noch „vil andere sternen, die hiz von inen geben“, sind. Sommersterne nehmen zu Beginn des Sommers in ihrer Hitze zu, wie ein Baum, der im Frühling sprießt . Und wie der Baum im Verlauf Blätter, Blüten und Früchte hat, so nehmen die Sommersterne am Sommerende „ wider ab mit irer hize.“
Die Wintersterne dorren entsprechend „gegen somer“ aus. Je kräftiger diese Sterne sind, desto heißer oder. kälter werden Sommer und Winter.
Der oberste Winterstern ist der Mond, der ebenfalls „in seiner natur und gesellschaft vil (andere Wintersterne) mit im“ hat. Ohne ihre „mitgehülfen“ wären Sonne und Mond zu schwach um Sommer und Winter zu produzieren. Allein: „die höhe der sonnen gibt keinen somer oder ir weiter lauf“, „dan die sonne ist in gleicher hize, sie sei hoch oder nider“.
Tag und Nacht kommen von dem Licht der Sonne bzw. von dem Licht des Mondes. Gott hat also ein weißes „tagliecht“ und ein rotes „nachtliecht“ geschaffen. Nicht das Hinweggehen der Sonne macht die Nacht, denn wenn sie Mitternacht unter uns steht, müsste ihr Schein auf die Erde reflektieren. Vielmehr macht eine besondere Sternenart die Nachtfinsternis, die Dunkelheit verursacht,“wo der mon nicht ist, das gar nichts gesehen mag werden.“ So wie „ein trüber wolke“ vor der Sonne das Tageslicht hinweg nimmt.
So hat Gott die Sterne in ihren Lauf geworfen, in dem sie niemals ruhen. Sie ruhen nicht, sondern sind zuweilen abwesend, während andere Sterne dann durch Anwesenheit wirken. „das ie einer dem andern weichet, damit es alles vollbracht werde.“
Überhaupt sind „die ding in der natur“„on alle ruhe“, sondern “werken für und für“.
Nur die empfindlichen Dinge (z.B. der Mensch) ruhen nachts und am Sabbat, wobei auch hier nur der Leib im Schlaf ruht und nicht der Geist. „der geist feiret (ruht) aber nicht, er ist in teglicher fürwirkung“.
Wie also gesagt: Die Körper, von denen Tag und Nacht kommen, und überhaupt alle Dinge sind „von den dreien ersten“, “die seind die corpora deren dingen allen“. So ist beispielsweise die Sonne „sal perspicuum und diaphanum, von den dreien ersten clarificirt und extrahirt von aller dunkli.“
So hat Gott sechs Tage lang „extrahirt, separirt und geformirt“ und z.B. den weißen Schein in die Sonne und den roten Schein in Mond und Sterne gelegt. In der Weise wie aus einem Feuerstein ein Funke geschlagen wird, wurde aus der prima materia (erste Materie) das „element coeli genomen“. So hat Gott aus der Finsternis Licht gezogen und Sterne gemacht.
In der dunklen Erde schlummern ja auch grün, blau, rot und alle Farben, die im Frühling hervor kommen, „die niemants in ir zu sein möglich zu glauben were“.
Und so hat Gott „aus den dreien ersten heraus gezogen, was er darein getan hat.“
Überraschenderweise gehörte also die Tatsache, dass ein hoher Sonnenstand hohe Hitze erzeugt, nicht zum Erfahrungshorizont des Naturforschers Paracelsus. Denkt man allerdings diesen Effekt bezüglich der Jahreszeiten zu Ende, so muss man einräumen, dass zum Zeitpunkt des höchsten Sonnenstandes tatsächlich noch nicht die größte Sommerhitze stattfindet, sondern erst ein paar Wochen später. Paracelsus hatte noch keine Vorstellung von den Luftmassen, die sich zunächst erwärmen müssen, ehe die Hitze zur Erde durchdringt.
Ähnlich verhält es sich mit der Idee, dass die Dunkelheit der Nacht nicht allein durch die untergegangene Sonne verursacht sein kann, weil, so wörtlich: „dan ir schein ist so stark, obgleich wol die sonne gar umb miternacht under uns ist, noch würd der schein auf erden seinen reflexum geben“. Vielleicht weist Paracelsus hier darauf hin, dass auch nachts die an der Erde vorbei scheinenden Sonnenstrahlen sichtbar sein müssten. Ein ungewohnter Gedanke, der aber nicht einer gewissen Logik entbehrt.
Sonnenstrahlen reflektieren im All ausschließlich an Mond und Planeten; ein Vorgang, den Paracelsus auch nicht erwähnt um ihn zu widerlegen, was bedeutet, dass dieses Wissen nicht sehr verbreitet gewesen sein dürfte. Dass der Mond nicht selbstleuchtend ist – so wie Paracelsus ihn sieht – wurde bereits in der griechischen Antike vermutet. Bei Sonnenfinsternissen, wenn der Mond sich vor die Sonne schiebt und sie verdunkelt, wird deutlich, dass der Mond nicht von sich aus strahlt.
Paracelsus interessierte sich nicht besonders für die Wissenschaft, die wir heute Astronomie nennen. Er staunte vielmehr über die Farben, die von blühenden Pflanzen hervorgebracht werden oder darüber wie Gott das Licht hergestellt hat. Sein Vokabular, oft lateinischen Ursprungs, schöpft er aus der Alchemistenküche, wobei Gott, dem Schöpfer, die Rolle des Handwerkers oder Alchemisten zufällt.
Aber Gott ist nicht alleine.
Vulkanus und die Naturgeister
Bevor sich Paracelsus im „Liber meteororum“ den „operationes“ der Wettersterne, also dem Wetter zuwendet, widmet er das vierte Kapitel noch Wesen, die im Firmament existieren und Einfluss auf das Wetter haben.
Da wäre zum einen „vulcanus“, eine personifizierte Kraft, die die drei Prinzipien dazu bringt zu reagieren und damit von entscheidender Bedeutung für die Wetterentstehung ist.
Zum andern nehmen Elementargeister, die hier „saganae“ heißen, in diesem Kapitel breiten Raum ein.
Neben den Sternen existieren auch lebendige Geschöpfe im Himmel. So wie ja auch im Wasser Fische , in der Erde den „talpam“(Maulwurf), in der Luft Mücken, und im Himmel „tortelleos“.
Daneben gibt es auch noch vernünftige Wesen, wie Nymphen (im Wasser), Gnome (in der Erde), Lemuren (in der Luft) und Pennaten (im Himmel).
Was in den groben unteren Elementen existiert, lässt auch auf Entsprechungen in den oberen Elementen schließen. Die Pennaten im Firmament können beispielsweise Blitzeinschläge lenken.
Auch wenn es über den Menschenverstand geht, ihre Werke beweisen die Existenz solcher Wesen. Und so sollten die Meteorologen wissen, dass diese Wesen Gewalt über die Wirkungen in der Natur haben.
Gott hat nicht nur den Mensch als vernunftbegabtes Wesen, sondern auch andere vernünftige Wesen erschaffen. Der Mensch allerdings ist die edelste Kreatur, der die Aufgabe hat, die Natur zu erforschen, um die Wunderwerke Gottes zu zeigen.
In der Bibel steht nichts von den „saganis“, woraus zu folgern ist, dass diese Sphäre der Schöpfung dem Menschen nicht unterworfen ist. Deshalb ist es falsch die „saganas“ zu zwingen den menschlichen Willen zu vollbringen, so wie es die Künstler der schwarzen Kunst tun.
Die „saganae“ wohnen in den Elementen und nicht bei den Menschen. Und nur der Mensch hat eine Seele, für die Christus gestorben ist.
„Saganae“ sind Experten ihres jeweiligen Elements und wissen mehr darüber als der Mensch. Der Mensch kann nur darüber philosophieren, die „saganae“ jedoch wissen, was „in der prima materia ist“. Der Mensch steht außen vor.
Der „fabricator und werkman aller dingen“ ist der von Gott eingesetzte „vulcanus“. Er ist in allen vier Elementen tätig und ordnet die Dinge „von dem samen in sein ultimam materiam“. So wie ja auch nicht Gott persönlich dem Menschen den Rock macht, sondern der Schneider.
Diese Idee („philosophei“) ist neu, aber die aristotelische Philosophie ist ja auch voller Lügen, Irrungen und Possen, „die sich im liecht der natur nimmermer befinden mögent“.
Der Vulcanus ist nun weder ein Geist, noch eine Person, sondern ein Arbeiter, der die Natur wartet. Er hat die drei species in seiner Gewalt und „componirt, dispensirt und ordinirt“ das Wetter im Firmament. Er bringt aus der Natur, was Gott „in sie getan hat“ und ist vergleichbar mit Feuer, mit dessen Hilfe der Mensch Metall schmilzt.
Außerdem befindet sich noch eine Kraft namens „yliaster“ im Firmament, die im Regen ist und die Pflanzen gedeihen lässt.
Darüber hinaus gibt es noch „archeus“, der alle Dinge in ihre spezifischen Wesen koordiniert und für die Vielfalt zuständig ist.
Und so schmieden Vulkanus, Yliaster und Archeus im Himmel Regen, Schnee, Donner u.s.w., alles auf Befehl Gottes.
Paracelsus ist in einem Kärntner Bergbaugebiet aufgewachsen und womöglich gab es in dem dortigen Umfeld keinen Zweifel daran, dass es Wesen wie Gnome gibt. In der ihm eigenen Logik assoziiert er diese Wesen mit dem Erdelement und folgert daraus, dass es auch in den anderen Elementen Wesen solchen Typus geben muss. Auf diese Weise überleben vorchristliche Naturgeister, die einstmals Quellen, Bäume und Wolken belebten, auch in der paracelsischen Kosmologie. Im Gegensatz zu zeitgenössischen Naturphilosophen dämonisiert Paracelsus diese Wesen nicht, sondern respektiert sie als Wunder der schöpfung. Allerdings presst er sie in die Kategorien der vier Elemente, womit Paracelsus der Erfinder des Systems der Elementargeister ist, das auch in der heutigen esoterischen Literatur noch Anklang findet. In den nun folgenden Ausführungen über das Wetter spielen die Geister des Himmels, die Pennaten, allerdings kaum eine Rolle.
Unverzichtbar für die Präsentation des Wettergeschehens allerdings ist der „vulcanus“ des „Elements“ Himmel, der demzufolge als „vulcanus igneus“ oder auch als „etherischer vulcanus“ bezeichnet wird. Er bringt die „drei ersten“ zusammen und ist damit maßgeblich an der Entstehung des Wetters beteiligt. Seltener erwähnt werden im folgenden hingegen der „yliaster“, der im „Liber met.“ eine Art Fruchtbarkeitsprinzip darstellt, und der koordinierende „archeus“.
Die Winde
Wir kommen nun zum eigentlichen Hauptthema des „Liber meteororum“ den einzelnen Wettererscheinungen und entsprechend des Aufbaus des aristotelischen „De meteorore“ beginnt Paracelsus mit den Winden. Er folgt der klassischen Kategorisierung der Winde entsprechend der vier Himmelsrichtungen. Temperatur und Feuchtigkeit eines jeden Windes wird durch den jeweiligen Stern bestimmt, in dem der Wind entstanden ist – und nicht durch die klimatischen Bedingungen der Regionen, in denen er weht.
Es gibt vier „wintcirkel“, entsprechend den vier Himmelsrichtungen. Diese Windzirkel umschließen die Weltkugel und liegen in der Himmelkugel.
Von da aus gehen die Winde durch das Element Luft, stoßen an die Weltkugel und schlagen dann entweder unter oder über die Erde, wo sie dann schließlich nach „weiter reise sich selbst verzert (…) und vergehet.“
Die vier Winde haben jeweils eine “besondere art“. Der Ostwind ist warm und trocken, und zwar nicht wegen der Sonne oder des Orients, sondern weil es seine Natur ist. Der Westwind („zephyrus im nidergang der sonnen“) ist seiner Natur nach kalt und feucht. Der Nordwind („von mitternacht“) ist kalt und trocken, weswegen die Regionen, in denen er bläst auch kalt und trocken sind – und nicht umgekehrt. Der Südwind ist warm und feucht.
Die Winde nehmen ihre Natur nicht „von außen an“, sondern sind aus sich selbst heraus, so wie sie sind.
In den Windzirkeln stehen Sterne, abertausende auf allen Seiten, und diese gebären die Winde. Es kann auch mal Wind aus Regensternen geben. Hier ist jetzt aber die Rede von den Windsternen in den Windzirkeln.
Die Sterne gebären Winde, so wie Bäume Früchte tragen. Der Same, aus dem die Winde entstehen, ist „die prima materia der drei ersten, aus denen die wachsen, die wir winde heißen“. Wie die Natur der drei ersten ist, so sind auch die Winde.
Der Boreas (Nordwind) ist im Winter „unzerbrochen“(voll funktionstüchtig) und wird im Sommer temperiert. So haben diese Winde Zeiten, in denen sie schwach sind und aktive Phasen.
In den Sternen nun kocht der „vulcanus igneus““ die drei ersten“, wodurch der Wind produziert wird. Letztlich ist der “vulcanus“ sowohl „die drei ersten“ als auch der Wind selbst. Die Sterne sind Phiolen, in denen die ätherischen „drei ersten“ durch den ätherischen „vulcanus“ wirken und ätherische Operationen ergeben, die als Wind in Erscheinung treten.
Die „zeit und stunde solcher winde“ ist Thema der Astronomie und nicht der Meteorologie. Nur so viel: „ species und starker vulcanus machen große kreftige winde, darum sie auch heuser und beume umbwerfen.“ So wie Wasser, obwohl dünn und weich, große Gewichte an Holz tragen und große Steine in Bächen wegrücken kann, so hat auch der Wind große Kraft. Denn der Wind hat auch Körper und Substanz, nur unsichtbar, und kann dadurch die Kraft entfalten andere Körper umzustoßen.
Trifft der Wind auf das Meer, so dringt er teils durch das Wasser und bleibt teils über dem Wasser. Der Teil, der durch das Wasser dringt, tritt wieder heraus und verursacht so Meereswellen und Fluten. Das Wasser muss dem Wind Lücken lassen, damit er durchblasen kann.
Im Übrigen ist der Wind so subtil, dass er auch durch die Poren der Erde, durch Berge und Felsen geht. Auf diese Weise können auch Erdbeben durch Winde verursacht werden.
So wie alles, was geboren wird, ein Ende hat, so vergehen am Ende auch Winde.
Zwar gibt es auch in den anderen Elementen den vulcanus, aber nur im Firmament ist er fulgurisch (feurig) und nur dieser produziert Winde.
Winde durchdringen alles und was widersteht, wird umgeworfen.
So wie auch Büchsenpulver den Boden erschüttert, sind Winde ätherisches Büchsenpulver aus den Cavernis (Höhlen) der Windsterne.
Die Beschreibung der vier Winde mit den Zuständen kalt, warm, trocken und feucht ist angelehnt an die antike Elementenlehre bzw. an die medizinische vier Säfte Lehre, die jedem Element zwei dieser Adjektive zuordnet. Obgleich Paracelsus sich ansonsten vehement von diesen traditionellen Theorien distanziert, kann er sich nicht völlig von diesem Denksystem lösen. Typisch paracelsisch hingegen ist der Schwung im Denken, in dem zunächst schrittweise eine Abfolge aufgezeichnet wird, um dann im Hinweis aufzugehen, dass alles doch eins ist. So kocht der Vulkanus die drei Prinzipien zu Wind; am Ende sind Vulkanus , Prinzipien und Wind aber eine Einheit.
Beeindruckend ist die körperliche Kraft, die Paracelsus dem Wind zuschreibt. Sturmfluten sind uns natürlich bekannt; durch Winde ausgelöste Erdbeben allerdings beanspruchen das Vorstellungsvermögen des heutigen Lesers doch sehr. Auch die praktische Anordnung der „Zirkel“, in denen die Windsterne stehen, ohne sich ins Gehege zu kommen, lässt einige Fragen offen.
Der Regen
Für die Beschreibung des Regens begibt sich Paracelsus nun auf die Ebene lokaler Erscheinungen. Seine Grundannahme ist, dass Regenwasser immer wieder neu produziert wird und Regenwolken nicht durch Verdunstung entstehen – sondern aus den Regensternen. Paracelsus skizziert verschiedene Regentypen von lauem Regen bis zu Platzregen, lässt den einhergehenden Wind nicht aus und nimmt auch Bezug auf eine Bauernregel, die wir heute noch als „Morgenrot, Schlechtwetter droht“ kennen.
So wie jeder Baum seine Früchte trägt, so gebären Regensterne Regen.
Regen entsteht nicht, wie gesagt wird, durch auf und ab destillierendes unteres Wasser (Verdunstung), sondern aus „seinem eigen ursprung und wird neue geboren, der vor nicht gewesen ist.“ So wie eine dieses Jahr gewachsene Birne, weder letztes Jahr schon mal da war, noch nächstes Jahr noch mal entstehen wird.
Das ganze Firmament ist voll mit Regensternen. Es gibt sie auch in Regionen, in denen es selten regnet, nur dass sie dort „ausgedörret“ sind von dortigen Winden und Sternenkonstellationen. Stehen sie hingegen in „feuchten constellationibus und wintsternen“ so regnen sie umso mehr.
Und so wie Gewächse in einigen Jahren mehr Früchte geben, als in anderen, regnet es in einigen Jahren mehr.
Regen entsteht, indem vulcanus, yliaster und archeus zunächst in den Regensternen, wie in einem „hafen“ (alchemistisches Gerät)“operiren zum regen, dispensiren und praepariren“. Dabei brauen sie eine Wolke, die dann aus den Sternen kommt, so wie ein Baum Blüten treibt.
Die Regenwolken sind also wie Blüten irdischer Gewächse. Je nach Inhalt der Sterne sind die Wolken groß, langsam, schnell oder behände. Die Wolken werden „etherischer rauch“ genannt.
Sie schweben in der Luft, die den „keller“ (Raum) für die Resolution (Lösung) des Wassers darstellt. Die Materie der Wolke ist sal, sulphur und mercurius. Die Dauer des Regens hängt davon ab, wie viele Wolken von einem oder auch mehreren Sternen produziert werden.
Das Resolviren des Wassers geschieht tropfenweise. Je nach Geschwindigkeit der Resolution regnet es langsam oder schnell, viel oder wenig, große oder kleine Tropfen. Und „also ist ein ietlicher regen nichts als ein resolvirtes sal, sulphur und mercurius“
Die Regen aus den mildesten drei ersten sind ebenso mild und gut; sie befeuchten und erkühlen die Erde.
Es gibt auch Sterne, aus denen Regen mit Wind ausgehen, weil salz und mercurius in solchen Sternen nicht „wol bereit“ist.
Geht die Resolution zu schnell, so entstehen Platzregen. Aus einer Wolke entsteht dabei ein einziger Tropfen, der auf einmal herabfällt und nur durch Wind und den Fall „zerstreut“ wird. Diese Wolkenbruchsterne haben spezielle drei erste.
Darüberhinaus gibt es auch Sterne, die „trockenes gewülke“ produzieren, aus denen kein Regen fällt, aber stattdessen milde, luftige, angenehme, und gesunde Winde, die den Menschen und sein Blut erfreuen. Es sind andere Windsterne als die zuvor beschriebenen. Aus diesen „particularischen“, schönen Windsternen kommt ein „gewülk“, durch das die Sonne scheint. „… und was von inen kompt, das ist, was aus den sternen kompt, das selbige ist wol digerirt und klar subtilirt. wo aber grobe species ligent der drei ersten, als in den regensternen und dergleichen, am selbigen ort werden auch grobe wolken, schwarz, finster, trübe und ungeschikt;“, durch die die Sonne bekanntlich nicht scheinen kann.
Morgenröte kündigt tatsächlich Regen an.“man sagt morgenröti, abentköti, ist nun recht“. Denn wenn ein Regenstern zu grobe drei erste hat, so wirft er diese als Schaum aus, der ein Dunst „mit vilerlei farben“ ist. Dieser Dunst vergeht, wenn die Sonne hoch steht, deshalb zeigt er sich nur morgens. In der Folge sammelt er sich zu Regenwolken, die meistens aber nicht lange ausregnen.
So sind die Sterne also Bäume, die Früchte geben. Und wenn es lange nicht regnet, so hat es sich ausgegossen und neues Wasser wird gesammelt. “was auf die zeit nit kompt, das kompt auf ein andere zeit.“
Paracelsus verwendet gerne Vokabular aus dem Labor, wie „resolvieren“, „dispensieren“ u.s.w. Begriffe für alchemistische Geräte werden auf das Firmament übertragen; die Sterne selbst sind beispielsweise „Hafen“ oder „Athanare“, in denen die Operationen stattfinden. Sein Wissen über chemische Vorgänge jedoch führt ihn nicht zu der richtigen Antwort auf die Frage nach der Entstehung des Regens. Bereits Aristoteles war der Sache auf der Spur: Auf der Erde verdunstetes Wasser kondensiert am Himmel zu Wolken. Allerdings braucht es dazu – wie wir heute wissen – kleine, in der Atmosphäre schwebende Partikel, die die Kondensationskerne bilden. Erreichen diese Tröpfchen einen bestimmten Durchmesser, so fallen sie als Regentropfen zur Erde.
Die Wintersterne
Im nunmehr siebten Kapitel betrachtet Paracelsus Niederschläge, die er dem Winter zuordnet, wie Schnee, Schneeregen, Hagel und Graupel. Er macht sich Gedanken zu dem Phänomen, dass diese nicht allein im Winter vorkommen und schneidet auch das Thema „Unwetter“ an.
Eine wichtige Vokabel ist hier das Wort „coagulation“, womit Paracelsus „Verfestigung“ von Eis oder Schnee meint. In der modernen Meteorologie bezeichnet man die Entstehung von Eiskristallen „Sublimation“. Weit entfernt von dem pysikalischen Konzept des Gefrierpunkts, bemüht Parcelsus hier den „geist der coagulation“, der Wasser zu Eis gefriert, aber im übrigen auch Bergkristalle wachsen lässt.
Obgleich auch weiterhin die jeweilige Unterschiedlichkeit der „drei ersten“ als Ursache für die Unterschiedlichkeit der Niederschläge verantwortlich ist, scheint Paracelsus doch auf Grund der Gleichzeitigkeit verschiedener Niederschläge in Erklärungsnot zu geraten. Verkompliziert wird die Sache dadurch, dass Regen, Schnee und Hagel sich nicht auf nur eine Jahreszeit beschränken.
Auch die Materie der Wintersterne, aus denen der Schnee kommt, ist natürlich aus den „drei ersten“. Sie sind „widersinns der sonnen“, in dem Sinne, dass was die Sonne „resolvirt, das coaguliren sie“, – d.h. sie machen aus Wasser Eis.
So wie Gott Tag und Nacht voneinander geschieden hat, so hat er auch Hitze und Kälte geschieden durch die „göttliche alchimisterei“.
Hitze und Kälte wirken entsprechend ihrer Zeiten, sind aber zuweilen auch gleichzeitig aktiv und mildern die jeweilige Wirkung.
Um der Sonne Hitze zu verstehen, kann man das Feuer als Beispiel betrachten.
Um die Kälte zu verstehen, betrachtet man die Kristalle, die aus dem Wasserelement wachsen und durch den ihnen innewohnenden „geist der coagulation“ verfestigt werden.
Dieser Geist ist auch in den „glacieischen sternen“ und verfestigt, wenn seine Zeit gekommen ist, Wasser zu Eis. „diese sternen der glacieischen art, regiren den winter“, indem sie Feuchtigkeit, auch in der Erde gefrieren.
Der Schnee hingegen als „des winters regen“ und seine Sterne sind nicht „so streng“ dem Winter zuzuordnen. Die kältesten Sterne aber, die „glacieischen“, machen den Winter durch den Coagulationsgeist, der Wasser gefrieren lässt. Wobei die kälteste prima materia im Saturn ist.
Oftmals begibt sich auch ein „irrgang der sternen“, wenn nämlich Wintersterne im Sommer aktiv werden. Im Zusammenspiel mit Winden und Mond kann es dann im Sommer schneien. Wenn allerdings Mond und Sterne nicht mitmachen und es zu warm ist, dann wird aus dem Schnee unter der Wolke Wasser. „ein ieglicher schnefunk gibt ein tropfen“.
Umgekehrt können auch sommerliche Regensterne es im Winter regnen lassen, wenn die Wintersterne einen schwachen Moment haben. Diesen fallenden Regen können die Wintersterne nicht coaguliren.
Es ist nicht so, dass der Regen im Winter einfach zu Schnee wird. Vielmehr gibt es spezielle Schneesterne. Der Schnee ist nie Wasser gewesen, „sonder aus seiner muter komen.“
Gibt es keinen Irrgang der Winter- bzw. Sommersterne haben wir heiße Sommer und kalte Winter, was Sache der Astronomen ist.
Eine andere Sorte Wintersterne geben Grandines und Gemmen, zwei Eiskorntypen, die zwar coagulirtes Wasser sind, aber nie Wasser waren, sondern gleich so entstanden sind. Diese Sterne sind zu allen Jahreszeiten aktiv, aber nicht wenn es schneit oder regnet, sondern „alein im rauen wetter und zu rauen zeiten, es sein dan im somer oder winter.“
Die Grandinen (Graupel) fallen meist im April, März zu „zeiten der milden wetter.“ Die Gemmen (Hagel) jedoch „verderben die zeit, die sonst gut were“ und fallen meistens im Sommer. Trotzdem ist ihre „generatio von der winterischen natur“ und sie gehören zu der „glacieischen art“. Sal, sulphur und mercurius – die drei ersten – haben im Hagel eine reine kalte Natur. Sie sind zuerst „contrarii gegen einander“ und wenn Vulcanus sie zusammen bringen möchte, geschieht das nicht ohne „groß brodlen und wint“ und „in der zeit fallen kelte und böse wetter an.“ Es kann auch sein, dass bei dieser Operation der Sternenauswurf nicht coagulirt, sondern resolvirt, dann wird ein Regen daraus, aber immer mit „eigner wint, kelti und ungestümigkeit“.
Beim Graupel, den „grandines“, ist es auch so, dass ein Teil als Wasser fällt. Aber deren drei ersten sind nicht so grob, wie beim Hagel und der erzeugte Wind und die Kälte sind auch anders.
Diese Hagel- und Graupelsterne haben also „ein zwiling art an in“. Wegen des Regens sind sie Sommersterne, wegen der Coagulation Wintersterne und sie zeigen sich ja auch im Sommer und im Winter. Da sie sowohl Schauer, als auch Hagel geben können, sind sie Hermaphroditen, wie ein Maulesel, „der weder esel noch roß ist.“
Die Werke Gottes sind mancherlei und vielfältig und so gibt es auch noch den Schnee, der aus Schneesternen geboren wird. Diese werfen im Winter ihr „schneegewülke“ aus. Daraus „granuliren und guttiren“ sich die Schneeflocken, die in „funken“ ganz mild und sanft zur Erde fliegen.
Zuweilen fällt der Schnee auch zusammen mit Regen, der hier aber nicht aus Regensternen kommt, sondern hier handelt es sich dann schon um milden, subtilen Schnee, der zu Wasser resolvirt ist. Manchmal bläst davor ein Wind; dann handelt es sich um eine Mischung zwischen Schnee- und Hagelstern.
Also gibt es so viele Niederschlagsarten, wie es Sternenarten gibt; „dan der species seind vil, die got also verordnet hat.“
Sowohl im Sommer, als auch im Winter entsteht oftmals „ein solch gewaltig contrarium“ (Gewitter) mit „himlizen“(Blitzen), „donnern“ und „haglen“. Die ungestüme Art ist eigentlich typisch für den Sommer, aber auch im Winter kann es das geben, weil die verursachenden Sterne eine „hermaphroditsche art“ haben, indem sie sowohl sommerliche „himlizen“ (Blitze), als auch wintertypische „steine, das eine schne art ist“, werfen. Das liegt an den besonderen drei ersten, die sowohl kalt, als auch heiß sind und von „vulcanum unirt werden“. Dem Menschen ist es nun nicht möglich so etwas zu vollbringen, weil ihm das firmamentische Werkzeug fehlt „sonst würde ers auch mögen tun“.
Am Ende ist es „nicht not (…) zu wissen““warumb und wie ein schne, warumb und wie ein hagel“ entsteht.
Gott hat’s erschaffen und der Mensch braucht nicht zu wissen, wie das vonstatten geht. „alein was der mensch macht, das mag er wissen, wie und wanne“.
In der für ihn typischen, anschaulichen Sprache zeichnet Paracelsus die Produktion der kalten Niederschläge. Wir sehen zunächst Gott, den Alchemisten, der Hitze und Kälte separiert und schließlich Vulkanus, der unter „Brodeln“ und mit Wind den Hagelschauer bereitet. Um ein Phänomen besser verständlich zu machen, verweist Paracelsus gerne auf eine analoge Erscheinung. Durch Betrachtung des Feuers soll so die Hitze der Sonne erfassbar werden und durch Betrachtung eines Bergkristalls der verfestigende „Geist der Koagulation“, welcher das Wesen der Kälte ist.
An dieser Stelle wird zum einzigen Mal im „Liber meteororum“ kurz ein Planet erwähnt; und zwar der Saturn in der Rolle als kältester Winterstern. Ansonsten werden Wettersterne unspezifisch gehalten und weder als Fixsterne noch als Planeten identifiziert. Die Nennung des Saturns erfolgt so unvermittelt, so dass die Frage im Raum steht, warum Paracelsus hier von seinem System abweicht. In der Astrologie steht jeder Planet für ein bestimmtes Prinzip, wie der Saturn u.a. für Kälte. Fast hat es den Anschein, als sei der Saturn nachträglich in den Text eingefügt worden, um den astrologisch interessierten Leser bei der Stange zu halten.
Viel Raum nehmen des Weiteren die Kombinationen der verschiedenen Niederschläge ein, wie z. B. Schnee mit Regen oder Hagel mit Regen und alles mit oder ohne Wind.
In seinem Bemühen der Vielfalt der Niederschlagstypen gerecht zu werden, scheint Paracelsus sich etwas zu verzetteln. Er weicht die Theorie auf, dass für jeden Niederschlag ein spezifischer Stern verantwortlich ist und kreiert Zwittersterne, die sowohl Hagel, als auch Regen können bzw. im Winter und im Sommer aktiv sind. Man erhält den Eindruck, dass Paracelsus am Ende des Kapitels selbst nicht befriedigt von seinem Konzept ist. Bemühungen des Lesers den paracelsischen Ausführungen zu folgen werden nicht gewürdigt, vielmehr muss man am Schluss lesen, dass der Mensch eigentlich gar nicht im Detail zu wissen braucht, wie Hagel und Schnee entstehen…
Der Blitz
Dem Blitz auch in Verbindung mit dem Donner ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Als gewaltigste Erscheinung des Firmaments wird der Blitz direkt mit Gott, Christus, aber auch dem Teufel in Verbindung gebracht. Hier schimmert die Endzeiterwartung durch, in der sich viele Menschen zu Beginn des 16. Jhdts. befanden. Der Blitz in seiner Gewaltigkeit wird als Mahnung an die Menschen verstanden ein gottesfürchtiges Leben zu führen.
Nichtsdestotrotz erfolgt auch die paracelsische naturphilosophische Annäherung an das Phänomen „Blitz“. Wortgewaltig werden die „operationes“ der drei ersten in den Feuersternen beschrieben:
Der Blitz („stral“) ist das „größist und stärkest werk“ des Firmaments. Auch wenn er sich „wunderbarlich uber allen verstant“ zeigt, ist er doch ein Produkt der Natur. Die dafür verantwortlichen Feuersternen gehören zu den Sommersternen.
Einige von den Stralsternen werden auch mal „irre“ und „verzogen in irer operation oder zu früe zeitig“ und blitzen auch im Winter.
Der Vorbote der Blitze ist große Hitze, die von ihrer Zubereitung herrührt. Hier ist Schwefel der Körper, Salz der Geist und das Quecksilber von beiden das Gegenteil.
Die Blitzsterne vermehren auch die Hitze des Sommers.
Wenn der Vulcanus ihre prima materia nicht zu Ende bereiten kann, wenn „es“ z. B. an einen Berg stößt oder ein kühler Windstern in die Quere kommt, so wird nur ein „klein wetter daraus, das ist wie ein gemeiner regen.“
Ohne Hindernisse jedoch zeigen sich die drei ersten „ein ietlichs auf das tyrannischste und gewaltigst.“ Ein irdisches Beispiel für die Sprengkraft des Blitzes ist das Büchsenpulver. Im Firmament spielt sich das auf ätherischer Ebene ab.
Sobald sich die hochgradierten drei ersten im Blitzstern vereinigt haben, wirft der Stern sie in Form einer Wolke aus, die man nicht sehen kann, weil sie hoch und subtil ist. Diese Wolken steigen ab, wobei am Ende aus mehreren Wolken auch mehrere Blitze kommen können. Im „gewülke“ reagieren die drei ersten mit Luft, wobei die drei ersten nicht mehr miteinander bleiben können, sondern mit ihrer fulgurischen Kraft sich gegeneinander aufbäumen. Dabei bläht der Schwefel auf „und so erschüt er die massam in ein ertbidmen, also das das gewülke sich auftut, und schlegt von im ein wetterleucht, das ist ein feurstrimen von der massa auf die erden.“ Darauf tritt der mercur (Quecksilber) in Aktion, worauf es noch „ein feurinen strimen von der massa mit gewalt durch alle gewülk hindurch“ gibt. Schließlich erfolgt der Donner auch hervorgerufen durch der drei „widerwertigkeit gegen einander“ „und das knallt. das knallen widerschallet im ganzen firmament, wie ein büchs die abgehet in einem gewelbe ein donner machet.“
Diese Reaktionen ähneln den Reaktionen des „aquae salis nitri“ auf der Erde.
Bisweilen kommt es allerdings nicht zum Ende, wenn die „massa“ (Blitz-/ Donnermasse) hin und her „schupft“, wie bei einer Fehlzündung eines „inngeschlossen büchsenpulver.“
Wenn es aber doch dazu kommt, dass „die massa in ein stral gehet“, so passiert es dadurch, dass die „massa“ von den Regenwolken befeuchtet wird, was eine Explosion der „massa“ verursacht: „so brichts entzwei von ein ander in alle partes der welt und gibt im selbigen knall ein himlizen (Blitz) schnell und behent.“
Die Blitzmasse ist komprimiertes Feuer und zwar „spiritualisch, aerisch und etherisch (…) wie ein geist“, das „alle eisen, was es berührt in fluß bringt“.
Nichts ist so „gewaltig“ und „wunderbarlich“ wie ein Blitz, weswegen Christus sich auch durch einen Blitz ankündigt. Auch Christus wird „mit solcher gestalt und in solchem wege“ kommen. Deshalb sollten wir nicht von Gottes Weg abkommen.
Darüberhinaus gibt es auch kalte Blitze, die auf die gleiche Weise entstehen, wie die heißen. Diese merkwürdige Blitzsorte tut seltsame Dinge, wie z.B. Fensterblei schmelzen, aber das Glas nicht oder „hirnschalen verbrennen und tunt dem har nichts“ oder „durch ein sattel ein ros zu tot schlahen und dem sattel geschicht nichts“ e.c.t. Warum sie das tun ist unklar, vielleicht sind das „exempel“ „das Christus auch so wunderlich komen wird.“
Es könnten auch die „superi“ (Geister) oder der Teufel sein, aber Paracelsus bevorzugt die Erklärung durch Christus.
Es gibt allerdings auch die „pennates“(Elementargeister der Luft), die den Blitz dahin leiten, wohin Christus will, nämlich in die Feinde Gottes. Wie auch anderes Unwetter zeigen Blitze die Ankunft Christus an.
Der Teufel kann Menschen und auch Vieh, wie Säue, Hunde, Katzen oder Pferde besetzen. „also auch ist im auch erlaubt, das gewitter und stral, schauer und hagel auch zu besitzen und solche ungestümigkeit zu machen“, allerdings ist am Ende auch der Teufel von Gott geschickt, um „die seinen (zu) nehmen (…) in das ewige feur.“
Wie auch immer: „also ist der ursprung des strals und der gewülchen, wettern im firmament, gegen der erden ein wunderbarlich gewechs, und noch vil wunderbarlicher in seinen werken.“
Der Blitz ist also für Paracelsus zwar ein göttlicher Fingerzeig; seine Entstehung wird aber nichtsdestotrotz mit der drei Prinzipien Theorie auch „natürlich“ erklärt. Da Gott der Schöpfer der Natur ist, stellt das für einen religiösen Menschen keinen Widerspruch dar. Auch die Existenz des Teufels steht natürlich für Paracelsus außer Frage. Wobei dem Teufel weniger die Rolle des göttlichen Gegenspielers als vielmehr die Rolle der strafenden Exekutive zugestanden wird. Paracelsus hält sich bezüglich des Teufels sehr allgemein und vage. An welcher Stelle genau der Teufel seinen Hebel ansetzt, um ein Unwetter zu beherrschen, bleibt unklar. Dahinsichtlich gibt es Parallelen zu den Pennaten, den Luftgeistern, die hier erstmalig in das Wettergeschehen eingreifen, indem sie Blitze entsprechend Christus’ Willen in die Feinde Gottes leiten.
Darüberhinaus werden Merkwürdigkeiten wie „kalte Blitze“ beschrieben, die sich außerhalb des allgemeinen modernen Erfahrungshorizonts befinden. Es werden acht Beispiele für ihr Wirken beschrieben. Neben den oben beschriebenen, schmelzen sie bspw. das Geld in einem geschlossenen Kasten, lassen das Holz aber unbeschadet. Auch hier wird der Wille Christi gegenüber Geistern oder dem Teufel als Erklärung der Vorzug gegeben.
Überhaupt ist der Blitz eine Erinnerung an die baldige Wiederkehr Christi. Ein Ereignis, das damals in breiten Kreisen teils mit Hoffnung teils mit Furcht erwartet wurde.
Von den „extraneis“ (Fremdartigen) und „exhalationibus“ (Ausdünstungen)
Die letzten beiden Kapitel des „Liber meteororum“ behandeln im weitesten Sinne ungewöhnliche firmamentische Erscheinungen. Neben uns auch heute noch bekannten Phänomenen wie Regenbögen, Sternschnuppen, Wetterleuchten und Meteoriten thematisiert Paracelsus Ereignisse wie Froschregen. Solche doch sehr speziellen Niederschläge tauchen auch in anderen Quellen der frühen Neuzeit auf und waren also nicht von Paracelsus ausgedacht. Sie galten im Rahmen der für möglich gehaltenen Naturerscheinungen als existent. Das gleiche gilt für die „Tracken“ (Drachen), die auf Grund ihrer feurigen Natur von Paracelsus als Lebewesen in das mit dem Feuer assoziierten Firmament verortet werden.
Es ist mitunter eine Herausforderung die von Paracelsus beschriebenen Phänomene einzuordnen und gegebenenfalls wiederzuerkennen. Die als „sterngeschoss“ benannten Exkremente der Himmelskörper assoziiere ich mit Sternschnuppen, während vom Himmel fallende Steine und Eisen Meteoriten zu beschreiben scheinen. Ein von Paracelsus’ Zeitgenossen als „Blutregen“ bezeichnetes Phänomen wird im „Liber met.“ als in Regen gelöster Schaum der Morgenröte interpretiert. Tatsächlich handelt es sich wohl um roten Sand aus der Sahara, der bei bestimmten Großwetterlagen im Alpengebiet niederschlägt. Sehr aktiv sind in den letzten zwei Kapiteln die Pennaten als Elementargeister des Firmaments. Sie produzieren sogenannte „praesagia“, von Mensch zu deutenden Vorzeichen auf die Zukunft, die verschiedenste Formen annehmen können. Es kann sich dabei um Regenbögen handeln oder um Ringe um Sonne und Mond, die heute sogenannten Sonnen- und Mondhöfe. Auch die vom Himmel fallenden Steine oder Eisenstücke werden den Pennaten zugeschrieben. Besonders merkwürdig sind Figuren, wie Kreuze, Geißen, Hähne, Säue oder Menschenköpfe, die die Pennaten hinabwerfen und oder als Bilder in den Himmel zeichnen. Bei den doppelten oder auch dreifachen Sonnen und Monden, die von Pennaten geformt und an den Himmel gesetzt werden, handelt es sich um heute als „Nebensonnen“ bezeichnete Phänomene. Sie gehören zu den sogenannten „Haloerscheinungen“ und entstehen durch Reflexionen an in den Wolken befindlichen Eiskristallen.
Immer wieder behandelt Paracelsus die Frage, was im Himmel und was auf der Erde entstanden ist.
Während das Eisen der Metetoriten seinen Ursprung auf der Erde hat und nur durch die anziehenden Kräfte der Sterne ins Firmament gerät, um dann wieder auf die Erde zurückzufallen, entstehen beispielsweise gewisse Frösche tatsächlich im Himmel.
So wie es im Erd-, Wasser- und Luftelement Tiere gibt, so gibt es natürlich auch im Firmament Tiere, die dort leben und geboren werden, wie z.B. gewisse Frösche. Bisweilen fallen diese Frösche auf die Erde, was sie normalerweise aber nicht tun – wir fallen ja auch nicht in den Himmel. Das passiert nur, wenn „ein wetter solche destruction macht“.
Im Mai fällt das Sperma der Laubfrösche herab. Alle Laubfrösche „seind aus dem firmament“ und wachsen erst auf der Erde heran. Auch Samen anderer Tiere entstehen im Firmament „darumb ofte an einem ort ein tier gefunden wird, da seine eltern nie hinkommen seind“.
Es gibt eine Erscheinung, die „Blutregen“ genannt wird. Hier handelt es sich um den in Regen gelösten Schaum der Morgenröte. Wenn der Schaum Substanz bekommt „so leßts der himmel fallen.“ So wie auch die Frösche im Firmament eigentlich substanzlos sind und erst herabfallen, wenn sie Substanz erhalten haben. Diese Schäume fallen nicht nur in rot, sondern auch in allen anderen Farben herab. Wenn sie auf Steine treffen, färben sie sie“rot, (…)grün, blau, schwarz, gelb u.“. Solche Steine werden „usnea coelestis“ genannt und wurden von rechten Naturforschern – „nicht Aristotelem“ zu unbekannten Dingen verwendet.
Bisweilen geschieht auch ein Feuerregen. Dann nämlich, wenn die Sommersterne ihre Exkremente als brennenden Schwefel auswerfen. Wie der Blitz hat dieses „wetterleucht“ einen festen Schwefel und arbeitet „in der höhe des gewülks“. Tagsüber kann man sie nur sehen, wenn Wolken da sind. Nachts sieht man sie gut; es sind die nächtlichen Blitze, die ohne Donner kommen. Fällt das Feuer zusammen mit Regen auf die Erde, wird es gelöscht und verbrennt nichts. Ohne Wasser aber verdorrt dieser Feuerregen die Erde und verursacht die Sommerhitze. Auf diese Weise können diese „schweflischen plize“ auch mal Wälder und Häuser anzünden.
Zuweilen fallen auch Figuren vom Himmel, z.B. Kreuze, Geiseln (?) oder Menschenköpfe. Diese werden von den Pennaten auf Menschen, Holz oder Stein geworfen – dahin, wo sie gesehen werden können. Es sind „praesagia“ (Zeichen) aus der Ordnung Gottes. So verhält es sich auch mit den von Pennaten in den Himmel gemalten Figuren. Sie „verkünden der zeiten zukunft“. Und der Mensch sollte auf sie achten, weil es ihn etwas angeht.
Gott hat jedem Element seine prima materia gegeben, aus dem jeweils das generiert wird, was ihm zusteht. Die Erde generiert also Pflanzen, das Wasser die Mineralien, die Luft die „tereniabin“ und der Himmel Blitz, Regen oder Schnee. Nun ist es aber schon passiert, dass Steine oder Eisen vom Himmel gefallen ist. Das Eisen zumindest ist auf der Erde entstanden und von Sternen mit anziehenden Kräften in den Himmel gezogen worden. So wie auch die Sonne kaltes Wasser anzieht und der Mond Wärme. Auf diese Weise kann der Mond auch Wärme aus Menschen ziehen, woraufhin diese krank werden und mitunter auch sterben.
Sterne mit magnetischer Kraft ziehen kleine Eisenstücke an. Im übrigen wird auch faulendes Holz von Sternen angezogen, das allerdings, wie das von der Sonne angezogene Wasser, verzehrt wird. Was das Eisen angeht, so wird dieses wie in einem Schmelzofen zu einer Masse geschmolzen. Schließlich „mags das firmament nimer tragen und leßts fallen.“ Dieses Eisen ist besonders gut, „dan der etherisch boras hats geleutert.“ Nichtsdestotrotz liegt dessen Ursprung auf der Erde, es wird nur nach oben gezogen, oftmals auch von den Pennaten, „die in den magnetischen sternen“ sind.
Die Steine jedoch, die vom Himmel fallen, sind dort auch produziert worden und haben ihren Ursprung nicht auf der Erde. Vielmehr werden sie von den Pennaten fabriziert und als „praesagia“ zur rechten Zeit auf die Erde fallen gelassen.
„dan die natur ist wunderbarlich in iren werken und seltsam und groß von got geordnet und begabet.“ Und am Ende offenbart sich das Licht der Natur selbst. „dan nichts ist so heimlichs, das nicht offenbar werde.“
Sommer- und Wintersterne ernähren sich durch Feuer, so wie ja auch der Mensch sich von der Erde ernährt. Was sich ernährt, muss auch ein „excrementum“ geben. Bei den Sternen ist das Exkrement das „sterngeschoss“. Dieses Exkrement sieht man nur nachts, als „feurischer stern, der sich lange auszeucht.“ Kommt es auf die Erde wird es zu einer „sulze und ein schleim, wie rotfarber oder gelbfarber froschleich.“
In den Bergen existieren auch feurige Vögel, namens „tracken“, „die da schießen von einem berg zum andern.“ An ihrem Ende „werden sie zu einer sulze wie die sterngeschoss“ oder sie verzehren sich und geben dabei einen „harten gestank“. Diese Tracken entstehen, genau wie Käfer, Fliegen oder Spinnen nicht aus Samen.
Außerdem gibt es im Himmel auch die, aus dem Feuer geborenen „rechten salamander“. Sie schießen oder fliegen „auf etlich hundert meil“. Wenn sie sitzen, kann man sie nicht sehen, sie „scheinen“ nur „wider“, wenn sie in der Luft sind.
Zuweilen sieht man auch zwei oder drei Sonnen bzw. Monde. Die werden von den Pennaten gemacht, so wie menschliche Künstler auch Bäume oder Korallen aus Wachs anfertigen können. Diese Sonnen und Monde sind ebenfalls „praesagia“, gemacht um etwas vorherzusagen. Das allerdings „befilch ich den magis“, gehört also zum Metier der Magier.
Pennaten können auch Ringe um Sonne und Mond machen oder Regenbögen, die Frieden ankündigen.
Daneben gibt es aber auch natürliche Regenbögen, die von den Wassersternen geboren werden, bevor es Regen gibt. Sie sind die Blüten des Regens. Sie erscheinen nicht immer vor Regen, weil sie oft in der Luft verschwinden. Vor gewaltigen Regen erscheinen gewaltige Regenbögen. Zwei Regenbögen kündigen „ein zweifach lenger regen“an. „dan nichts ist, das nicht ein blüest gebe.“
Viele Blüten sehen wir auch nicht, weil sie sich in der Luft verzehren. „alein das sehen wir, was wol herab falt und kompt.“
In den letzten beiden Kapiteln des „Liber meteororum“ trifft uns noch mal die ganze Wucht des paracelsischen frühneuzeitlichen Weltbildes mit seinen Widersprüchen und Verknüpfungen. Trotz des dezidierten Hinweises darauf, dass jedes Element nur seine speziellen Früchte generieren kann, wird problemlos die Entstehung von bestimmten Fröschen in das Firmament verlegt – dessen ausgemachte Früchte ansonsten Regen, Schnee, Blitz und Donner darstellen. Wer allerdings schon einmal eine Froschkolonie sehen durfte – und damals waren solche Kolonien noch weitaus häufiger zu beobachten – muss einräumen, dass angesichts der Menge der Frösche tatsächlich der Eindruck entsteht, sie seien buchstäblich vom Himmel geregnet.
Irritierend für den modernen Leser ist die im Zusammenhang mit den Drachen erwähnte Entstehung von Insekten und Spinnen, die nicht aus „Samen“ erfolgt. Auch diese in der Biologiegeschichte als „Urzeugung“ benannte Theorie wurde in der griechischen Antike formuliert und erst ab dem 17. Jahrhundert langsam zurückgedrängt, bevor sie schließlich im 19. Jhdt. als Konzept verschwand. Die Annahme, dass Insekten sich nicht fortpflanzen, sondern quasi aus dem Nichts entstehen, ist insofern überraschend, als dass nun wirklich fast jeder schon sich paarende Insekten gesehen haben dürfte. Aufs Neue sind wir hier mit einer uns ungewohnten Denkweise konfrontiert, die Rückschlüsse zulässt, wo wir keine Zusammenhänge sehen und umgekehrt für uns offensichtliche Zusammenhänge ignoriert.
In solch einer „wunderbarlichen“ Natur erstaunt die Existenz von Drachen nicht mehr wirklich. Auch Johannes Stumpf beschreibt Mitte des 16.Jhdts. in einem Kapitel über die Tiere der Schweizer Berge zwischen Bär, Wolf und Luchs den Tracken und den Lindwurm. Und in Konrad Gesners „Schlangenbuch“ von 1589 tauchen ebenfalls „fliegende Schlangen vom gemeinen pöffel auch ‚Tracken’ genannt“ auf. Es wird heute angenommen, dass vorzeitliche Tierreste die Fantasie der damaligen Menschen beflügelte.
Wenngleich auf der spirituellen Ebene die als „wahr“ erachteten Grundannahmen auch heute noch individuell erheblich differieren, basiert im Allgemeinen unser Weltbild auf wissenschaftlichen Paradigmen, die im Großen und Ganzen nicht in Frage gestellt werden. Obgleich ich noch nie Meteoriten gesehen habe, zweifele ich nicht an deren Existenz. In diesem Punkt gibt es Übereinstimmung mit aus paracelsischer Sicht für „wahr“ erachteten Phänomenen, wie beispielsweise den Kreuzen, die von den Pennaten auf die Erde geworfen werden. Paracelsus übernimmt hier ein von anderen Chronisten reportiertes Ereignis, das 1500 stattgefunden haben soll. Es gibt eine Darstellung davon, die Kieselsteine mit Ornamenten zeigt, welche nicht irdischen Ursprungs sein sollen. Noch 1556, vierzehn Jahre nach Paracelsus Tod, wurden drei Steine mit Zeichen gefunden, die die Phantasie der Zeitgenossen anregte. Paracelsus interpretiert die vom Himmel fallenden Kreuze als Hinweis auf die Vielzahl der Sekten, die sich zu Beginn des 16. Jhdts. bilden sollten.
Überhaupt nehmen die „praesagia“, die von Pennaten auf gesellschaftlich-politische Ereignisse gemünzten Vorzeichen in den letzten zwei Kapiteln einen breiten Raum ein.
Praesagia sind keine Früchte des Himmels und stehen nur insofern mit dem Firmament in Verbindung, als dass die Pennaten himmlische Elementargeister sind. Die Deutung außergewöhnlicher Himmels- und Naturphänomene war in der römischen Antike schon populär und wurde im Mittelalter unter christlichen Vorzeichen weiterentwickelt. Humanisten verbreiteten den Glauben an die Lesbarkeit der Natur zusammen mit der Astrologie unter gebildeten Laien und auch des Lesens Unkundige wurden durch die massenhafte Produktion von bebilderten Flugblättern über Zeichen und ihre Deutungen informiert. Und auch Paracelsus sollte später in den dreißiger Jahren Schriften mit prognostischem Charakter über Kometen, Regenbögen und Erdbeben schreiben.
Trotz der in weiten Strecken als „überirdisch“ begriffenen Phänomene, behalten sich auch die letzten beiden Kapiteln einen naturkundlichen Duktus vor. Die drei Prinzipien, zuvor als chemisch-physikalischer Auslöser der Wetterphänomene unentbehrliche Elemente, finden in dem Zusammenhang allerdings keine Erwähnung mehr.
Schluss
Fünf Jahre vor der Entstehung des „Liber meteororum“ um 1530 wird noch ein anderes paracelsisches Werk datiert, die „Philosophia generationibus quatuor elementorum“. Auch diese Schrift ist ein naturkundliches bzw. naturphilosophisches Werk, das allerdings alle vier Elemente thematisiert. Das Feuerelement, in dem sich die meteorologischen Ereignisse abspielen, ist demzufolge nur eines von vier Kapiteln, das hier sogenannte zweite Buch „De ignis“.
Obwohl die Intention die gleiche ist – eine Beschreibung der Phänomene und eine in alchemistischem Fachvokabular formulierte Erklärung ihres Zustandekommens – gibt es inhaltlich einige erstaunliche Unterschiede. Zunächst fällt auf, dass sämtliche „Wesenheiten“ bzw. personifizierte Kräfte, die wir im „Liber meteororum“ kennengelernt haben, nicht auftauchen. Es gibt keinen Vulcanus oder Archeus, keine „Saganis“ und auch keine Feuergeister „Pennaten“. Selbst Gott wird nur in der Einleitung des Gesamtwerks erwähnt; in den Ausführungen zu den Früchten des Feuerelements findet sich nur am Rande ein „fabricator“ des Mondes. Es fehlen also die Akteure, die im „Liber met.“ bisweilen so anschaulich das Wetter gebraut haben. Sie werden grammatisch durch Passivkonstruktionen umgangen oder die chemischen Begriffe selbst agieren, so dass bspw. eine „compositio“ mischt oder ein „adech“ „digerirt“.
Allein ein neuer Wesenstyp namens „fatum“ wird vorgestellt. Diese „fata“ haben nichts mit der alchemistischen Wetterproduktion zu tun, sondern sind jeweils der Geist von einem Menschen, Volk oder Ereignis. Sie sitzen in den Sternen und verleiten die Astrologen dazu die Zukunft zu deuten, wovon Paracelsus allerdings nicht so viel hält.
Übereinstimmung gibt es hinsichtlich der zwei typisch paracelsischen Grundannahmen: Die Wettererscheinungen sind Auswürfe der Wettersterne, wobei jedes Wetter von seinem speziellen Stern produziert wird. Und diese Auswürfe entstehen durch das Zusammenspiel der drei Prinzipien, die entsprechend ihres jeweiligen Zustandes unterschiedlich miteinander reagieren, was die verschiedenen Wetterphänomene zur Folge hat.
Allerdings gibt es auch diesbezüglich Varianten und Unterschiede. Während beispielsweise im „Liber met.“ der Donner durch den Blitz ausgelöst wird, tritt in der „Phil.gen.“ ein spezieller Donnerstern in Aktion. Darüberhinaus werden auch Tau, Rauhreif und Nebel als „Schweiß“ bestimmter Sterne beschrieben. Und selbst die Reaktionen der drei Prinzipien untereinander sind bezüglich der Regen- oder Schneeproduktion im Detail unterschiedlich beschrieben.
Angesichts des Umstandes, dass Paracelsus auch innerhalb des „Liber met.“ sich bisweilen etwas zu verhaspeln scheint, überrascht es nicht, dieselben Wettererscheinungen in einem anderen Werk in einer etwas anderen Variante dargestellt zu bekommen. Irritierend jedoch ist, dass auch der elementare Überbau variiert. Wir haben im „Liber met.“ das Feuerelement als „Himmel“ kennengelernt, wo sich die Sterne als Wetterproduzenten befinden. Auch in der „Phil.gen.“ spielen sich die meteorologischen Ereignisse im Feuerelement ab. Allerdings ist hier die Bezeichnung „Himmel“ dem Luftelement vorbehalten, das – wie wir in der Einleitung informiert werden – keine Früchte hervorbringt, sondern nur als Hülle der anderen Elemente dient.
Wir haben es hier also mit zwei Gesamtkunstwerken zu tun, die inhaltlich voneinander abweichen, obwohl sie dieselben Naturphänomen thematisieren. Während die „Phil.gen.“ die Wetterphänomene etwas „nüchterner“ abhandelt, indem sie sie auf die „operationen“ der drei ersten reduziert, finden wir die Beschreibungen im „Liber met.“ mit personifizierten Kräften und Analogien ausgeschmückt. Die „Phil.gen.“ ist eine Naturkunde aller vier Elemente und richtet sich möglicherweise an einen gebildeten Leser, der sich nicht von alchemistischen Ausführungen abschrecken lässt. Das „Liber met.“ behandelt nur die Phänomene des Firmaments und hofft vielleicht mit der anschaulich präsentierten Wetterthematik auf ein breiteres Interesse zu stoßen.
Wie ist es nun möglich, dass dieselbe Person in fünfjährigem Abstand zwei voneinander abweichende Konzepte verfolgt? Aus der heutigen Denkgewohnheit heraus fragt man sich: Was denn nun? Gibt es Donnersterne oder nicht? Wohnen im Firmament nun Elementargeister, die im Namen Christi Blitze schleudern können oder Geister, die zu astrologischen Vorhersagen verleiten?
Eine mögliche Antwort könnte in der Überarbeitung der Schriften durch die Verleger liegen. Paracelsus ist 1541 gestorben und beide Bücher wurden erst Jahrzehnte später publiziert, wodurch sich die Publikationen einer Einflussnahme durch Paracelsus entzogen. Die Verleger waren somit auf die paracelsischen Handschriften angewiesen. Nun ist der finanzielle Erfolg eines Buches nicht zuletzt abhängig von der Lesbarkeit und man könnte annehmen, dass die Verleger entsprechende „Verbesserungen“ an den Texten vornahmen. Das „Liber met.“ wurde, wie bereits erwähnt, bereits 1566 in zwei Verlagen parallel publiziert. Ein Vergleich beider Ausgaben könnte Hinweise auf etwaige Änderungen geben. Die „Phil gen.“ kam erst 1590 heraus, im Zuge der Gesamtausgabe aller naturphilosophischen und medizinischen Schriften durch Johannes Huser. Huser gilt als akribischer Paracelsuspublizist, dem nach eigener Aussage, die Originalhandschrift des Paracelsus für das zweite Buch der „Phil.gen.“ als Vorlage diente.
Eine andere mögliche Antwort liegt im Denken des Paracelsus. Wir sind es gewohnt wissenschaftliche Thesen, ausreichend begründet, als statische Fakten zu behandeln. Gibt es zu einem Sachverhalt unterschiedliche Vermutungen, so erwarten wir, dies in Formulierungen ausgedrückt zu lesen. Das tut Paracelsus nicht; in beiden Werken formuliert er seine Spekulationen nicht im Konjunktiv, sondern als Tatsachenbericht. Wie kommt Paracelsus aber zu seinen Erkenntnissen?
Paracelsus war in allererster Linie Arzt. Sein Hauptbestreben war es dem menschlichen Körper und Krankheiten auf die Spur zu kommen. Als Hauptquelle seines medizinischen Wissens bezeichnet er wiederholt die „erfarenheit“. Damit meinte er keine Erfahrenheit als Sammlung von empirischen „Erfahrungen“ im heutigen Sinne. Seine Erfahrenheit speist sich aus der, in der sokratischplatonischen Tradition stehende Frage nach dem Wesen der Gegenstände. Das Wesen der Dinge erkennt Paracelsus durch eine Art „höheres Sehen“ im „Licht der Natur“ und nicht, wie Paracelsus betont, durch Experimente. Aus seiner subjektiven Sicht auf die Welt entwickelt Paracelsus Theorien, die nicht für alle nachprüfbar sind. Dies führt ihn, wie wir übertragen auf die Wettersterne gesehen haben, zu frei seiner Phantasie entsprungenen Spekulationen. Die so durchaus auf paracelsische Theorien zutreffenden Begriffe „Phantasie“ und „Spekulation“ habe ich bisher vermieden, da er kurioserweise genau das, was er unter diesen beiden Begriffen versteht, vehement ablehnt. Ein Arzt hat nicht zu fantasieren und zu spekulieren, sondern seine Erfahrung aus dem „Licht der Natur“ nehmen.
Der Mensch, Paracelsus primärer Forschungsgegenstand, ist in mehrerer Hinsicht ein Geistwesen. Um die menschlichen Krankheiten zu verstehen, betrachtet oder vertieft sich Paracelsus in den „siderischen“ Körper der Menschen, das Einfallstor der Krankheiten. Dieser „siderische“ Körper steht seiner Natur nach mit dem äußeren, wirklichen Himmel in Verbindung. Um Krankheiten zu verstehen, muss man nach Paracelsus den Himmel betrachten. Obwohl Paracelsus dies im „Liber met.“ nicht explizit anspricht, müssten wir also durch das Betrachten der Sterne und des Wetters strukturelle Gegebenheiten menschlicher Krankheiten verstehen lernen. Paracelsus sieht Krankheiten durch einfallende „astras“ verursacht, die ein Zerbersten des „gesunden“ Zusammenspiels der drei Prinzipien zu Folge haben, wobei Krankheiten gerne mit Wettererscheinungen verglichen werden. Im wirklichen Wettergeschehen haben wir zwar kein „krank“ und „gesund“, aber eine schillernde Palette von möglichen Operationen der drei Prinzipien. Ähnlich aktiv und breit gefächert findet Paracelsus die Reaktionen im menschlichen Körper wieder.
Das beantwortet allerdings noch nicht die Frage nach den Unterschieden zwischen dem „Liber met.“ und dem Buch „De ignis“. Man kann nur feststellen: Paracelsus betrachtet dasselbe Objekt, das Feuerelement und seine Früchte, aus zwei leicht verschobenen Blickwinkeln. Und wie ein Diamant durch Verschiebung des Lichteinfalls unterschiedliche Reflexionen wirft, kann Paracelsus in seinen Werken verschiedene Seiten des Feuerelements zum Leuchten bringen.
Paracelsus sucht nicht nach Naturgesetzen, und auch die Wissenschaften seiner Zeit waren noch weit entfernt von dem modernen Empirismus. Mit seiner drei Prinzipien Theorie jedoch hat er ein Konzept entwickelt, das sich virtuos auf makro-, wie mikrokosmische Vorgänge übertragen lässt. Darin ähnelt sie durchaus dem Konzept unserer heutigen chemisch/ physikalischen Gesetze, die überall gültig sind – und wo nicht, entdecken wir ein neues.
Wir wissen heute, dass Blitze elektrische Entladungen sind und betrachten sie für gewöhnlich weder als Fingerzeig Gottes noch als ein Spuk der Feuergeister. Dank immer besserer Satellitenaufnahmen und Kenntnissen über Luftdruck und Großwetterlagen lässt sich regionales Wetter bis zu einem gewissen Grad vorhersehen.
Paracelsus hingegen führt uns im „Liber met.“ in eine Welt, in der eine Kraft namens „archeus“, die Geschöpfe in ihre Vielfalt treibt und ihnen ihr Wesen gibt. Und wir lesen von „yliaster“, einer mehrenden Kraft im Regen, die Pflanzen gedeihen lässt. Aber obwohl wir Dank unseres genetischen und biochemischen Wissens die Möglichkeit dieser Sichtweise überholt haben, können wir uns von den dahinter stehenden Fragen nach dem Wesen der Vielfalt und dem Wesen des pflanzlichen Gedeihens berühren lassen.
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