Paracelsus zur Pest

Vor etwa 5.000 Jahren verschwanden in Europa plötzlich und unvermittelt Gräber und Zeugnisse steinzeitlicher Kulturen. Zur selben Zeit wanderte aus dem Gebiet nördlich des Kaspischen Meeres eine Menschengruppe ein, die wir heute „Jamnaja“ nennen. Diese Menschen hielten Rinder, kannten Wagen und ritten auf Pferden. Ihre Sprache, das Indoeuropäische, wird noch heute fast überall auf dem Kontinent gesprochen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass ein Genozid mit Waffen stattgefunden hat. Nachgewiesen wurde in ihren Zähnen aber ein kleiner Erreger, der „Yersinia pestis“. Möglicherweise hat dieser Pesterreger die steinzeitlichen Kulturen Europas über Späher erreicht und diese dezimiert, noch bevor gegen die Pest resistente Jamnajas sich dauerhaft in Europa niederließen. Aus Berichten sibirischer Schamanen von Anfang des letzten Jhdts. wissen wir, dass Schamanen in Visionsreisen mit Krankheitsgeistern kämpfen und sie günstigenfalls niederringen konnten. Vielleicht wurde vor 5.000 Jahren auch der Pest hierzulande so begegnet – wir können es nicht wissen.

Zu Zeiten Paracelsus’, im 16. Jahrhundert, wurden seitens der universitären Medizin schon längst rationalere Erklärungen für Krankheiten herangezogen. Studierte Ärzte behandelten Kranke basierend auf der Annahme, dass Gesundheit auf der Ausgewogenheit der vier (metaphorischen) Körpersäfte Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim beruht. Seuchen wie die Pest, wurden gerne auch als „Strafe Gottes“ interpretiert. So phantastisch die herangezogenen Erklärungen auch gewesen sein mochten – die Natur ist komplexer. Ein Professor des 16. Jhdts würde über das heutige Wissen sicher staunen: Der Pesterreger ist ein winziger Bazillus, v.a. bestehend aus Elementen wie Kohlenstoff, Stickstoff, Wasser- und Sauerstoff, so wie alle organischen Zellen. Dieser Bazillus kann sich vermehren, verändern und sich über Wirte, wie zum Beispiel Flöhe ausbreiten. Gelingt es ihm auf Menschen überzuspringen, befällt er alle, deren Immunsystem nicht über spezielle Abwehrkörper verfügt. Bazillus und Antikörper sind materiell, aber so klein, dass man sie mit dem bloßen Auge nicht sehen kann. Und – im Gegensatz zum Virus – konnte man sich darauf einigen, dass eine Bazille lebt. Das organische Leben wurde der Pestbazille angesichts der modernen Medizin zum Verhängnis. Bakterien und Bazillen lassen sich – im Gegensatz zu Viren – mit Antibiotika unmittelbar ausrotten. Die Pest ist im 21. Jhdt. keine Krankheit mehr, die Angst und Schrecken verbreitet.

Im Mittelalter jedoch entvölkerte die Pest als Beulenpest in Europa ganze Landstriche. Neben Hunger, Krieg und Tod gibt sie dem vierten apokalyptischen Reiter der biblischen Johannesoffenbarung ihren Namen, wobei der Begriff „Pest“ auch als Synonym für jegliche todbringende Seuche verwendet wurde.
Zu Zeiten Paracelsus’ flammte die Pest immer wieder an verschiedenen Orten auf. Neben der damals neu aufgetauchten Syphilis und einer inzwischen unbekannten Krankheit, dem „englischen Schweiß“, war sie einer der Seuchen, über deren Ursache sich zeitgenössische Gelehrten die Köpfe zerbrachen. Ein in Texten und auf Abbildungen häufig bemühtes Bild sind „Pestpfeile“, die Gott vom Himmel herab schießt und mit ihrem Schuss Menschen infizieren.


Der Fortschritt in den Naturwissenschaften beruht immer auf dem Prinzip der Hinterfragung vorherrschender Lehrmeinungen. In diesem Prozess lässt sich beobachten, dass meist nur Teilelemente einer Lehrmeinung verworfen und durch neue Theorien ersetzt werden. Ein großer Teil der Basisannahmen werden übernommen – bis sie von Nachfolgern geprüft werden. Auch die Entschlüsselung der biochemischen Natur der Pest war nur möglich, weil immer wieder gängige wissenschaftliche Theorien hinterfragt und modifiziert wurden.

Paracelsus war ein Paradebeispiel des hinterfragenden Gelehrten. Die seit der Antike unterrichtete Säftelehre, die die menschliche Gesundheit und Krankheit mit dem Verhältnis der vier Körpersäfte zueinander erklärte, befriedigte Paracelsus nicht. In fast jeder seiner Schriften wettert Paracelsus gegen die Unzulänglichkeit dieser Säftelehre und gegen Ärzte, die sie unreflektiert übernehmen. Er ersetzte sie durch die „drei Prinzipien Theorie“, nach der Mensch und Schöpfung aus den (metaphorischen) Stoffen Quecksilber, Schwefel und Salz bestehen. Diese Theorie ist aus heutiger schulmedizinischer Sicht ähnlich unzulänglich wie die Säftelehre, auch wenn sie in chemischen Begrifflichkeiten gekleidet daherkommt. Aber sie ist ein Versuch durch eigenständiges Denken die Natur zu verstehen.
Eine hingegen von Paracelsus übernommene Vorstellung war die seit der Antike weit verbreitete Annahme, dass der Mensch als „Mikrokosmos“ alle Elemente der Welt in sich vereinigt und somit ein Abbild des „Makrokosmos“ darstellt. Begreift man die Vorgänge der „großen Welt“ – des Makrokosmos – ist es demzufolge möglich, Rückschlüsse auf die Gegebenheiten des menschlichen Körpers zu ziehen. Auch Paracelsus folgt dieser Logik und zieht diese Theorie immer wieder in seinen Ausführungen zu Krankheiten heran.
Im 16. Jhdt. war bei den Schulmedizinern außerdem eine Theorie von drei „spiriti“ sehr populär. Auch diese Theorie fußte in der Antike und brachte die drei Organe Leber, Hirn und Herz mit drei „Lebensgeistern“ in Verbindung. Immaterielle „geistige“ Funktionen, wie Sinneswahrnehmungen, Gefühle und Gedanken wurden in bestimmten Organen lokalisiert. Paracelsus verwendet bisweilen diesbezügliches Vokabular, z.B. „spiritus vitae“ oder „spiritus naturalis“, bringt sie aber in selbst gezogene Zusammenhänge. Paracelsus hat sich als Arzt selbstverständlich mit dieser Theorie auseinandergesetzt. Aber anders als bei der Säftelehre, von der er sich immer wieder wortstark distanziert, geschieht seine Eigeninterpretation der Lebensgeister bezüglich ihrer organischen Verwebungen vergleichsweise leise.

Im folgenden biete ich die Zusammenfassung von den zwei Schriften, die Paracelsus innerhalb weniger Jahre zur Pest verfasst hat. Beide Schriften sind von ihm druckfertig konzipiert worden, allerdings zu seinen Lebzeiten nie veröffentlicht worden. Während die ältere Schrift sich mit der Theorie zur Ursache und Herkunft der Pest beschäftigt, ist die jüngere eine Rezeptsammlung zur praktischen Anwendung. Darüber hinaus gibt es sogenannte „Ausarbeitungen und Fragmente zur Pest“, also kurze Texte, in denen Paracelsus sich mit detaillierten Fragestellungen beschäftigt. Paracelsus hat einen sehr umfangreichen Arzneimittelschatz, wobei oftmals eigentümliche Bezeichnungen verwendet werden. Bisweilen ist es mir nicht gelungen die Mittel oder Symptome zu identifizieren; ich lasse die Bezeichnungen kursiv gedruckt im Original stehen, so wie alle Zitate kursiv gedruckt sind. Für entsprechende Hinweise, die zur Klärung der unklaren Begrifflichkeiten dienen, wäre ich dankbar!

1. „Zwei Bücher von der Pestilenz und ihren Zufellen“ (1529/ 1530)

1530 weilte der Wanderarzt Paracelsus gerade in Nördlingen, wo er eine 24-seitige Schrift anfertigte, in der er die Beulenpest und ihre Behandlung beschreibt. Er betrachtet dabei die Symptome und versucht die Krankheit seiner Basistheorien entsprechend einzuordnen.
Er proklamiert zunächst die generelle Notwendigkeit, Krankheiten aus der „Natur“ heraus zu verstehen und keine „Experimente“ zu machen. „Experimente“ sind bei Paracelsus offenkundig noch ausschließlich negativ konnotiert und bedeuten, ohne Wissen über die Natur der Dinge, ins Blaue hinein zu handeln.
Die Beulenpest macht sich an drei Körperstellen durch „Beulen“ bemerkbar: unter den Ohren, an den Achseln und in den Leisten, wo sich jeweils Lymphknoten befinden. Offenbar brachten damalige Ärzte diese drei Stellen mit den Organen Hirn, Herz und Leber in Verbindung, denn Paracelsus verwirft ausführlich die Idee, dass diese drei Organe sich durch diese drei Körperstellen „reinigen“. Die Pestbeulen haben also nichts mit den Organen zu tun, demzufolge auch nicht die Organe behandelt werden müssen. Paracelsus versteht die Beulen vielmehr als „Wunden“ und empfiehlt sie dementsprechend zu therapieren. Aus diesem Grund sollte ein Arzt auch ein Chirurg sein, der traditionell für die Behandlung von Wunden und Knochenbrüchen zuständig ist.
Der Unterschied zwischen Pestbeulen und normalen Wunden besteht darin, dass sie nicht durch äußerliche Gewalteinwirkung entstanden sind. Vielmehr sind Pestbeulen durch „Waffen des Himmels“ gehauen worden. Die vier Elemente, aus der die Welt besteht, finden sich auch im Menschen wieder, wobei das Feuerelement mit dem „Himmel“ assoziiert wird. Die Welt bezeichnet Paracelsus als „die große Kreatur“; der Mensch als „Mikrokosmos“ ist ein „Abbild“ derselben. Bei der Pest passiert nun folgendes: Der „Himmel“ der „großen Kreatur“ greift den „Himmel“ im Menschen an, weil „gleich sein gleichs angreift“. Und so wie ein Blitz nur Holz entzündet und keinen Felsen, so betrifft die Pest nur Ohren, Achseln und Leisten. Der Rest des Körpers hat einen „Harnisch“.
Der „Himmel“ ist also Ursache der Krankheit. Seine „Waffen“ sind unsichtbar, aber sie verursachen sichtbare Wunden – die Pestbeulen. Ähnliche Phänomene finden sich auch in der Natur: Zum Beispiel entspringt Regen aus „unsichtlichen dingen und wird sichtlich“.
Den Ursprung der Pest bezeichnet Paracelsus aufgrund seines himmlischen Ursprungs als „übernatürlich“. Und damit kommt nun etwas ins Spiel, was Paracelsus als „Magie“ versteht. Es ist tatsächlich nicht der Himmel, der krank ist und uns seine Krankheiten aufdrückt. Vielmehr ist es der Mensch selbst, der durch seine geistigen Zustände, Paracelsus nennt sie „imagination“, den Himmel nötigt, die Pestpfeile auf uns zu schießen.
Es sind die negativen geistigen Emotionen, wie Neid, Hass, Falschheit, Zorn und andere Laster – unser „gift“, wie Paracelsus schreibt – die in den äußeren Himmel hinauf steigen und dort durch die Gestirne zwangsläufig zur Pest „generiert“ werden. Der Himmel lässt dann als Pest auf uns herunter fallen, was wir als Schlechtigkeit haben hinaufsteigen lassen.
Diesen Vorgang sieht Paracelsus auch in einer Vater-Sohn- Beziehung, wenn der Sohn seinen Vater erzürnt. Der Sohn kann seinen Vater zu einem „mittel“ machen, um die „rute“, seine Strafe, zu empfangen. Wenn der Sohn hingegen seinen Vater nicht erzürnen würde, bliebe dieser mild. In einem Nebensatz erwähnt Paracelsus übrigens, dass ein Vater das schlechte Verhalten seines Sohnes auch „verdauen“ kann, ohne ihn zu schlagen. Hier ist aber der strafende Vater das Bild für die Natur der Pest.
Bei der Pest verhält es sich so, dass Gott uns aus der „großen creatur zu menschen“ gemacht hat, uns aber im „vatter“ (als ebendiese große Creatur) hat bleiben lassen, „das wir in im (ihm) sterben müssen und krank werden“. Als Menschen sind wir dem Tod nicht entledigt und auch nicht der Rute.
Der Unterschied zwischen den „natürlichen“ Krankheiten („bluts halben“) und den „übernatürlichen“ („rute“) ist also der „magische“ Aspekt: Übernatürliche Krankheiten werden von den Menschen indirekt durch ihre Schlechtigkeit verursacht. Der Himmel wandelt diese „nach magischem prozeß“ in „Pestgeschosse“ um, die dann auf uns herab regnen.

Paracelsus erklärt hier also, wie die Bestrafung Gottes aufgrund verwerflicher Verhaltensweisen von statten geht. Die Seuche kommt nicht, wie man vielleicht meinen könnte, durch einen Gott, der als allgegenwärtige Kontrollinstanz Pestpfeile auf individuelle Sünder schießt. Vielmehr hat Gott es so eingerichtet, dass durch schlechte Verhaltensweisen und Geisteszustände ein kollektiver Bestrafungsprozess von selbst in Gang gesetzt wird. Der Vorgang, der hier beschrieben wird, ergibt in der Konsequenz das Bild pestbrauender Gestirne, die aufgenommene schlechte Energien in Pestgeschosse umwandeln und diese wieder auf die Erde fallen lassen. Es liest sich wie ein natürlicher Vorgang, den Paracelsus aufgrund der Materialisierung (Pestbeulen) immaterieller Zustände (Neid und Hass) durch die Gestirne allerdings „unnatürlich“ nennt.

Involviert ist zuvorderst der Mars als „Geist“ des Sulphurs. Der Sulphur ist die „materia peccans“, das pestauslösende Moment. Der Sulphur ist, wie wir erinnern, neben Quecksilber und Salz der Hauptbestandteil aller „corpora“. Es gibt, wie Paracelsus einräumt, viele Mineralien in Mensch und Welt; aber hier ist es der Sulphur, der die Pest im Körper anzündet. Der sulphurische Marsgeist ist wie die Hitze aus der Sonne, die „den sulphur brennen macht“, er ist das „feureisen“(Muskete). Bei den „übernatürlichen“ Krankheiten wird nun der „Geist leiblich“ und materialisiert sich bei der Pest an den drei Körperstellen. Im Firmament gibt es im Übrigen viele „Sulphure“ – auch Saturn und Mond haben einen. Da der Sulphur die Ursache der Pest ist, liegt die Heilung der Pest demzufolge auch in Sulphuren. Für die drei Körperstellen sind drei (metaphorische) „Sulphure“ zuständig: in den Leisten der Antimon, in den Achseln Arsenicum und an den Ohren der Markasit. Das ist die Pestilenz!
Um das Wesen des Gifts, mit dem wir es hier zu tun haben, verständlich zu machen, bemüht Paracelsus das Bild eines Skorpions. Nicht auf den Körper des Skorpions müssen wir unser Augenmerk richten, um ein Mittel gegen sein Gift zu finden, sondern auf den „sulphur genera“ des Skorpiongiftes, der gezielt gelöscht werden muss.
Die Entzündung des Mars ist also der Zorn der „großen creatur“ und der Sulphur an den drei Körperstellen die Pest. Wie wir heute wissen, sind diese drei Körperstelle Lymphknoten. Die Lymphe, eine durchsichtige Flüssigkeit, ist im menschlichen Körper dafür zuständig, Bakterien abzutransportieren. Paracelsus nennt die Lymphe hier „Schweiß des Sulphurs“. Während der normale Schweiß aus den Hautporen tritt, geht der „Schweiß des Sulphurs“ durch „emunctoria“ – die Lymphknoten.
Anhand eines vogelähnlichen, mythischen Wesens, dem Basilisken, verdeutlicht Paracelsus einen weiteren Aspekt „übernatürlicher“ Vorgänge. Dass noch niemand einen Basilisken gesehen hat, liegt daran, dass sein Blick auf der Stelle tötet. Und so wie der immaterielle Blick eines Basilisken sich materiell im Tod auswirkt, so tötet auch das „gesicht“ des Mars. Der weitere übernatürliche Aspekt ist das Fehlen einer metaphorischen „Mutter“. Der Basilisk gebärt sich selbst und auch dem Sulphur in der Pest fehlt die „mutter“. Ein normal entzündeter Sulphur, mit „Mutter“ verursacht nur ein normales Fieber. „(Wo) aber die mutter ausbleibet und der vater ist volkommer geberer“ ist der Sulphur die Pest! „(So) mars basiliscum caeli generirt in dem dotter, welches der sulphur ist, nach magischem proceß, das das jenige das er trift und sicht (sieht) die pestilenz ist.
Getroffen von solch einem sulphurischen „Pestgeschoss“ ergeben sich folgende Symptome: Zunächst verändert sich das „Gemüt“ des Patienten, einhergehend mit Pestbeulen an mindestens zwei der Körperstellen. Die Infizierung erfolgt sowohl innerlich als auch äußerlich. Hinzu kommen dann „zufallende zeichen“ – Begleiterscheinungen wie Schüttelfrost und Krämpfe. Das rührt daher, dass „mineralia durch ire evaporation den ganzen leib durchdringen“ wie bei einem Erdbeben. Auch Tobsuchtsanfälle sind in der Folge möglich: „so die große hize des gifts das hirn selber durchdrungen hat (…), das geblüt der vernunft (…) und wütet die tierische art.“ Verdauungsprobleme, wie Verstopfung und Durchfall können auftreten: „giftzeichen mercurii, zeichen arsenici, zeichen aspidis (…) aus den dreien werden pestis erkent“.
Die Pest infiziert schnell und viele. Da wir die Pest kollektiv selbst verursachen, werden auch die meisten angegriffen.

Um sich vor der Pest zu hüten, ist es unsinnig Organe zu stärken und bspw. herzstärkende Mittel zu nehmen, da die Pest keine Herzkrankheit ist. Auch „vis diaphoretica“, die einen tödlichen „Pestschlaf“ verhindern sollen, treffen nicht die Ursache der Pest, sondern nur eine Begleiterscheinung. „Schweißbäder“ und „Thyriac“ (eine medizinischer Trunk) bewahren nur den Leib und bedenken nicht den „rechten schuß“- die Infizierung mit der Pest.
Paracelsus empfiehlt bei Ausbruch der Pest, nicht die Ernährungsweisen zu ändern, und auch sonst so weiterzuleben wie bisher.
An dieser Stelle findet sich eine, bei Paracelsus sehr seltene positive Rückbeziehung auf einen antiken Autor. Er zitiert den Aphorismus des Hippokrates, mit der Regel, dass „Gleiches mit Gleichem“ zu behandeln sei. Denn „die kraft eigener natur treiben den ersten ursprung aus“. An der Stelle meint er jedoch nicht die Gabe von Sulphur gegen die sulphurische Krankheit Pest, sondern er weist darauf hin, dass wir durch magische Prozesse selber Verursacher der Pest sind und infolgedessen der Schutz – Paracelsus benutzt das Wort „praeservativum“- in uns selbst liegt, indem wir schlechte Emotionen und Handlungen unterlassen.
Paracelsus unterscheidet hinsichtlich der Behandlung streng zwischen der Pest selbst und ihren Begleiterscheinungen, den „zufellen“ oder „accidens“, wie er sie nennt. Er spricht sogar von zweierlei Krankheiten, die zweierlei Arzneien bedürfen. Wobei die „Accidens“ auf vielfältige Weise und individuell verschieden auftreten. Die Todesursache kann letztendlich in jeder der beiden Krankheiten liegen. Wenn ein Mensch, der gestorben ist, sich nicht „zu Tode geschlafen“ hat oder an Krämpfen gestorben ist, dann war die Pest selbst die Todesursache.Für die Behandlung der Krankheit und die zu beachtenden Verhaltensweisen der Kranken muss man wissen, was „gift“ und was „nicht gift“ ist. Es ist nicht wie bei anderen Krankheiten, bei denen strikte Ernährungsregeln zu verordnen sind. Bei der Pest soll man nur das „Infizierte“ verbieten, sei es Fleisch oder anderes. Was das im Einzelnen ist, sagt uns das „decretum astronomiae“. Was sich dahinter genau verbirgt, erläutert Paracelsus an der Stelle nicht. Hinsichtlich der „accidens“, der Begleiterscheinungen, soll man ebensfalls keine Speisevorschriften machen, sondern nur beachten, was sich nicht verdauen („digeriren“) lässt und daraus die Arznei ableiten. Der „Wille des Accidens“ ist gleich wie der „Wille der Arznei“ „dan sonst haben die accidentales morbi kein directorium als seinen eigenen lust und willen.“

Vor dem Einfluss des Himmels kann man sich nicht schützen – er „muß erlitten werden“. Es gibt aber drei Vorsichtsmaßnahmen, die man ergreifen kann: 1. sich vor den mit der Pest einhergehenden Krankheiten schützen 2. sich nicht bei Erkrankten anstecken 3. den Himmel nicht erzürnen.
1. Um sich vor den „accidens“, den mitlaufenden Krankheiten, zu schützen, empfiehlt Paracelsus „praeservativum auri“, ein Goldpräparat. Dieses verhindert einen tödlichen Schlaf, Schüttelfrost u.s.w., sodass nur der „schuß der wunden“ (die Pest selbst) bleibt. An der Stelle weist er auch auf die psychologische Komponente hin, wenn Leute vor Schreck sterben: „der erschrecken tötent in (ihn – den Pestkranken) und die wunden nit“. Auch dagegen hilft, so weit ich das richtig verstehe, das Goldpräparat.
2. Um sich nicht bei Kranken anzustecken sollte man „der kranken luft nit berüren“ – sich also von ihnen fernhalten. Das Phänomen der Ansteckung wird erklärt durch eine „anziehende Kraft“ im Menschen, die Paracelsus mit dem Magnetismus vergleicht. Durch diese Kraft zieht der Mensch den „nebenschwebenden chaos“ an, woraus eine Vergiftung der Luft im Menschen folgt. Und „also werden die gesunden von den ungesunden vergiftet durch diese magnetische anziehung“. Diese anziehende Kraft ist übrigens bei Männern und Frauen verschieden lokalisiert. Während sie bei Frauen in der Gebärmutter sitzt, ist sie bei Männern im Sperma zu verorten. Um diese Anziehungskraft bezüglich der Pest zu schwächen, hilft es sich einen Saphir um den Hals zu hängen.
3. Da die Pest, wie wir gehört haben, indirekt aus der menschlichen Schlechtigkeit generiert wird, ist die grundlegendste Prophylaxe natürlich, sich den „erblüsten“ zu entledigen, sprich sich moralisch „gut“ zu verhalten und so „dem Himmel keine Ursache“ zu geben. Denn „was wir in in (ihn – den Himmel) bringen das generirt er wider auf uns“. Denn Gott hat „der großen creatur die macht gelassen, womit wir sie erzürnen, das wir damit gestraft werden“. Paracelsus schreibt allerdings an keiner Stelle, dass individuelles Fehlverhalten zu einer Ansteckung führt. Vielmehr ist es so, dass die Schlechtigkeit aller Menschen sich in den Gestirnen bündelt und – Paracelsus vergleicht es mit Hagelschauern – eher zufällig die Landstriche trifft.

Die Pest materialisiert sich in den Wunden (den Beulen) und kann daher auch wie Wunden behandelt werden, wobei die Wundheilung zweifach erfolgen muss: äußerlich und innerlich. Für die äußerlichen Wunden hat sich das paracelsische Wundpflaster der „oppodeltoch“ bewährt. Für die innerliche Heilung ist wieder ein Goldpräparat hier als „spiritus auri“ die wirksamste Medizin für die Stärkung der Lebenskraft (die „inwendige mumia“).
Hinsichtlich der mitlaufenden Krankheiten, den „accidentibus“ schwört Paracelsus – je nach Symptomen – auf die Heilkraft der Edelsteine. Gegen „agrimonium“ hilft der Hyazinth, gegen „pyrola“ der Rubin, gegen „pervinca“ der Smaragd. Die Steine stärken die Lebens- und Heilkraft unseres Körpers und werden wiederum verstärkt durch die Kraft des Goldpräparats. Das Ganze bereitet man als einen „Wundtrank“ zu: Den „spiritus auri“ zusammen mit den „liqoribus de gemmis“. Wobei es sich bei letzteren wahrscheinlich entweder um alchemistisch behandele Edelsteine handelt oder um Wasser, in dem die Steine länger gelegen haben. Die Gabe des Trunks soll nicht nach Tageszeit erfolgen, sondern unverzüglich bei Ausbruch der Krankheit. Eine Stunde später sind dann weitere „defensivi“, Mittel zur Abwehr der mitlaufenden Symptome, zu applizieren: In „aqua betonicae“ gelöster „corde cervi“ und „succo spodii“. Dadurch kann der Tod vermieden werden. Je nach „Accidens“ sollen diese Mittel nach drei Tagen noch mal gegeben werden, wenn nötig.
Paracelsus gibt nun einen weiteren Einblick in seinen Apothekenschatz, indem er die Mittel für die einzelnen Accidents aufzählt: Gegen Krämpfe hilft „os leporinum“, gegen „fluxu menstrui“ helfen „ flüssige Korallen“, bei Verwirrtheit („mania“) hilft „laudanum perlatum“, ein Opiumpräparat. Des weiteren finden sich im paracelsischen Arzneischatz noch „crocum martis“ (Eisenspäne) gegen „fluxu dysenteriali“ u.s.w.
All diese Mittel finden sich nicht in dem Repertoire seiner Kollegen, wie Paracelsus bemängelt und er schließt seine Schrift mit einem Seitenhieb auf diese, deren Standeszeichen ein roter Hut war: „es ist eine kleine er (Ehre) dem arzet, das bei im nit gefunden wird des er sich dan berümpt (rühmt), und das nichts an im ist dan allein der nam und sein rots hütlin“.

Die Schrift „Zwei Bücher von der Pestilenz und ihren Zufellen“ ist sinnvoll gegliedert und gut zu lesen. Sie bietet eine ausführliche und spannende Theorie zur Herkunft der Pest, gibt aber auch praktische Tipps zur Behandlung und Vorsorge. Natürlich bleiben einige Aspekte – wie man es von Paracelsus kennt – im Vagen. Was verbirgt sich bspw. hinter „decretia astronomia“, die Methode, nach der man von der Pest „infizierte“ Lebensmittel erkennt? Jedenfalls gelang es Paracelsus auch bei dieser Schrift nicht, sie in den Druck zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits durch sein wenig ruhmreiches Intermezzo als Stadtarzt von Basel und diverse Äußerungen gegen die traditionelle Medizin in weiten Teilen der Gelehrtenwelt als indiskutabel diskreditiert. Der Rat von Nürnberg untersagte den Druckern zu dem Zeitpunkt Schriften des Paracelsus zu publizieren.

In den folgenden Jahren beschäftigte sich Paracelsus noch weiter mit der Pest und schrieb diverse Ausarbeitungen zu Teilbereichen, die er diesmal als „drei Bücher zur Pest“ zusammenfassen wollte, was allerdings nie geschah.

2. „De peste libris tres“ (Ausarbeitungen und Fragmente zur Pest)

Diese Texte lesen sich wie einzelne Aufsätze zu den die Pest betreffenden Vorgängen. Die grundlegenden Theorien sind dieselben, wie in den schon dargestellten „zwei Büchern“. Vieles wird in einer etwas anderen Variante beschrieben; einiges ist neu – bisweilen auch zur Erstversion im Widerspruch stehend. Andere Vorgänge, z.B. „magische Prozesse“, werden detaillierter dargelegt.
Die „Ausarbeitungen und Fragmente zur Pest“ haben einen Umfang von 76 Seiten. Ich gebe im folgenden eine Auswahl an Textstellen wieder, die ich poetisch finde bzw. deren Blickwinkel die paracelsische Sicht weiter verdeutlichen. Jeder Abschnitt bezieht sich zumeist jeweils auf ein Schriftstück. Wenn es sich inhaltlich anbietet, ziehe ich für eine Thematik auch die Informationen aus mehreren Schriftstücken heran, obwohl diese eigentlich in sich abgeschlossene Texte darstellen.

Hinreißend sind die Bilder, mit denen Paracelsus die Vorgänge der Erkrankung verdeutlicht. Hier einige Beispiele, die das schon bisher Beschriebene illustrieren:

Wie die Sonne durch ein Glas scheint, so scheinen die Gestirne unsichtbar durch den Menschen. Der „Pestschein“ aus den Gestirnen bestrahlt Regionen, Länder und Städte, wobei sich die Menschen aber in keinen schützenden „Schatten“ legen können. Einigen Menschen hat die Natur aber schützende „Schalen“ in die Haut gegeben, sodass diese nicht erkranken. Gott hat das so eingerichtet, damit die Welt nicht ganz untergeht. Bei den anderen geht der „Pestschein“ in die Menschen, so wie ein Basilisk auch mit Blicken tötet.

Die Pest ist unnatürlich wie der Basilisk – „er ist kocht und geboren wider die natur“, „aus unserm herzen das ei gelegt, wie aus einem han, gebrütet aus den krotten (Grotten) des himels“. Das Ei, das unser Herz gelegt hat und aus dem die Pest kriecht, ist die „essentia saturni“ – die wir als den Neid kennen.

Wie Feuerfunken aus einem Kiesel in Zunder fällt, so fällt die Pest auf die Erde herab. In der Natur ist vieles recht unordentlich – warum fällt die Pest in Achseln, Ohren, Leisten ein? Das gleicht der Frage, warum der Donner gern speziell in Tannen, Eichen, Mensch und Vieh schlägt. „wer kans ergründen? (…) da ist nachzugrübeln verboten.“ Paracelsus ist sich also auch den Grenzen seiner Erkenntnisfähigkeit bewusst: „Warum in Achseln, Ohren, Leisten und nicht in die Nase? Weil es Gott gefällt…“

Die Pestfunken aus dem sulphurischen Feuer lassen den Schnee im menschlichen Körper schmelzen, der als Schweiß austritt. Es folgt ein Zittern, wie nach einem Blitzschlag oder Erdbeben. Da zürnt die Leber, dummert der Kopf, da zittert das Herz und die Lunge kann das Feuer nicht löschen, worauf sich die Pestbeulen wie Maulwurfshügel ausstülpen.

Ausgelöst durch die Pest können noch zusätzlich potentiell tödliche Krankheiten zu Vorschein kommen, wie Ödeme, Lähmungen, Krebs, Fisteln u.s.w. Die Pest ist dabei nur der Trigger; die Krankheiten haben schon vorher im Menschen geschlummert und werden nun gereizt, „wie einer ein hund, der im auf den schwanz trit, bellen macht und zu beißen ursacht.“

Nicht der Himmel hat Wirkung auf den Menschen, sondern umgekehrt: Der Mensch „bewegt“ den Himmel, er macht ihn zornig, bis der Himmel sich wie ein wütender Stier gebärdet: „als dan wie ein stier geht er in die brunst und wirft von im das jenige, das sein zorn gebrest.“ Solche „Influenz“ und „Impression“ ist „mineralisch“ und nichts als Sulphur. „ir möcht leicht meinen, es were unmüglich das der mensch den himel solt erzürnen; da ligt der buz.“ Offensichtlich war die Vorstellung, dass der Mensch die Macht haben kann, Einfluss auf das Himmelsgeschehen zu nehmen, umstritten.

In einer anderen Variante bezeichnet Paracelsus die Sonne als das „Herz des Firmaments“, die durch unseren Neid, Hass und Geiz „erzürnt“ wird, woraufhin sich ihr Zorn wieder auf uns ergießt. Es handelt sich um immaterielle Vorgänge vergleichbar mit gesprochenen Worten eines Herrn, die den Knecht zwingen können etwas zu tun. Auch der Wind ist existent, obwohl man ihn nicht sehen kann.

Die Zusammenhänge zwischen materiellen und immateriellen Dingen sind großes Thema von Paracelsus. „Unsichtbare“ Vorgänge können, wie wir gesehen haben, die Ursache „sichtbarer“ Phänomene, wie Krankheiten sein. Es ist die menschliche Phantasie, wie Paracelsus es hier nennt, die den „Willen“ eines Planeten befördert. Die „Phantasie“ oder „Imagination“ kann negativ in Form von Lügen, Neid oder Hass sein, aber auch positiv. Der Mensch ist also „der anfang der incantation“; die „Sidera“ als Entsprechungen der Sterne im Menschen sind die Vermittler hin zur Materialisierung von Krankheit oder Gesundheit. Diese „Sidera der Imagination“ ringen untereinander und haben „vernunft, weisheit, list, zank, krieg …“, wie wir Menschen. Genaugenommen haben wir mikrokosmische Menschen sogar all diese Eigenheiten von den Sternen, weil sie unsere Eltern sind. Nur sind wir „leiblich“, die Sidera in uns hingegen sind unsichtbar.
Für alles Schlechte sind Saturn und Mars zuständig, die alles Übel auf uns zurück fallen lassen. Diese Planeten helfen den Menschen böse zu sein „als ein roß, das den acker bauen hilft“. Sonne und Jupiter hingegen verkörpern sich in Güte.
Die vier Elemente, aus denen der Mensch besteht, teilt Paracelsus der antiken Tradition folgend in die beiden Paare Erde/ Wasser und Feuer/ Luft. Letzteres Paar hat den direkten Zugang zu dem makrokosmischen Himmelselement. Es ist auch dieser „halbe Mensch“, der „himmlische Teil“, durch den die übernatürlichen Krankheiten wie die Pest in den Menschen fallen.
Der Mensch hat aber auch die Macht sich diese Wechselwirkung zwischen Mikro- und Makrokosmos nützlich zu machen: Denn neben den vier Elementen gibt es noch das „5. Wesen“ im Menschen. Aus diesem Wesen erwächst die Weisheit, aus der wiederum die Imagination ihren Anfang nimmt. Die menschliche Imagination, in der Wirkungsweise wohl gleichzusetzen mit der „Phantasie“, hat am Ende die Macht über den Himmel. Die Gestirne müssen nun tun, was der Mensch will – der Mensch hat den Himmel unter sich. Die Meisterschaft über das 5. Wesen im Menschen ist also der Anfang der „incantation“ – das Werkzeug der Magier. „in wachs, in brief, mit wörtern“ – so erlangt der menschliche Wille Herrschaft über den Himmel. Paracelsus möchte diese Aktivitäten ausdrücklich nicht „Zauberei“ nennen, da dieser Begriff offensichtlich einen zu negativen Beigeschmack hatte. Er nennt diese Ermächtigung „magica“ oder auch „höchste Weisheit“. Thema sind auch nicht die „Zaubergeister“, wie Paracelsus schreibt, sondern die „natürlichen Wirkungen der Gestirne“: „also ist der himel der weisheit diener“.
Paracelsus appelliert nun eindringlich dem 5. Wesen zu folgen, um Tugenden in sich zu materialisieren, was deutlich als ein Aufruf zur Selbstermächtigung zu verstehen ist: Denn wenn wir nicht über die Planeten gebieten, gebieten sie über uns! So wie gewisse Narren von ihren Pferden „gemeistert“ werden. Oder Ehemänner von ihren Ehefrauen, also aus der männlichen Perspektive gesehen: „dan so wir die ehe nit wissen zu meistern, so meistert sie uns“.
Der Mensch soll aber ausdrücklich nur die gute Seite in sich brauchen. Wenn er die schlechte Seite braucht, wird er krank und die Krankheiten regnen herab wie Hagel, Reif und Schnee.Und so gebietet der Magier oder der Weise über die Planeten, wie ein Schmied, der Waffen macht, die allen „dienlich“ sind. Am Ende ist es ein Wechselspiel, denn Himmel und Mensch sind eins, wie die Röte im Wein oder das Weiße im Schnee.

Die maßgebliche Kraft in magischen und unnatürlichen Vorgängen sind Anziehungskräfte, die ohne physischen Kontakt wirken und die Pest auslösen können. Letzteres geschieht zum Einen über Impressionen des Himmels, die durch ihre Entsprechungen im menschlichen Körper die Krankheit in den Menschen tragen. Zum Andern erkranken Menschen auch über das Phänomen der Ansteckung.
Um die Ansteckung von Mensch zu Mensch zu erläutern, nennt Paracelsus ein buntes Sammelsurium von Beispielen für Anziehungskräfte, die nach heutigem Wissen entweder auf sehr unterschiedlichen physikalischen Gesetzen beruhen oder gar nicht existieren.
Die Pest „ererbt“ sich, wie der Ansteckungsvorgang genannt wird, auf ähnliche Weise wie das „augenweh“. Als „Augenweh“ wurde der grüne Star bezeichnet, von dem man dachte, dass er über Blickkontakt übertragen wurde. Auch die „matrix“ – die Gebärmutter der Frau – verfügt über Anziehungskräfte, die z.B. bewirken, dass Kinder Muttermale bekommen, wenn die Frauen in der Schwangerschaft bestimmte Phantasien hegen.
Des weiteren nennt Paracelsus einen „spiritus vitalis“, übersetzt einen „Lebensgeist“, der die Pest anzieht. So wie ein dürrer Baum die „irdische Feuchte“ ansaugt, so zieht der „spiritus vitalis“ die „äußere Feuchte“ der Elemente an, was offensichtlich die Pest auslöst. Dieses wiederum geschieht ähnlich wie ein Magnet das Eisen anzieht.
Paracelsus behauptet, dass ein Magnet seine magnetische Kraft verliere, wenn man ihn in ein gewisses Öl – das sogenannte „oleum M.“ – legen würde. So möchte Paracelsus im übertragenen Sinne auch die „anziehenden Kräfte“ im menschlichen Körper abtöten, so „das sie nichts in laß gon“. Dafür empfiehlt er den Genuss von Lauch, Knoblauch und Zwiebeln und spricht im gleichen Atemzug ausdrücklich Moschus, Ambra oder Gewürze die Wirksamkeit ab. Diese teuren Duftstoffe wurden damals von Wohlhabenden als Schutz vor der Pest am Körper getragen.
Außerdem empfiehlt Paracelsus keine Schweine zu essen, da diese dem Menschen zu ähnlich sind und auch die Pest bekommen können. Durch ihren Verzehr könnte sich die Krankheit übertragen.

Die Idee, dass die Sterne unsere negativen Emotionen zur Pest transformieren und dann auf uns zurück fallen lassen, wird in den „Ausarbeitungen zur Pest“ in vielen Facetten dargestellt und wiederholt. Während Paracelsus an einer Stelle auch explizit betont, dass die Pest nicht aus den Elementen Luft, Erde oder Wasser, sondern allein aus dem Firmament generiert wird, sind es in einem anderen Aufsatz jedoch nicht die Sterne, sondern alle vier Elemente, aus denen die Pest entsteht. Hier gibt es laut Paracelsus entsprechend der vier Elementen auch vier Pesttypen, die zwar „spiritualischer Art“ sind, aber nichtsdestotrotz Herz, Leber und Hirn vergiften. Auffallenderweise sind hier auch die Organe betroffen, denen sonst ja die Beteiligung an der Krankheit abgesprochen wird. Der Grund, warum hier die Elemente solche Macht über uns haben, beruht auf derselben Theorie, die auch für den Einfluss der Gestirne herangezogen wird. Als „kleine Welt“ und Abbild des Makrokosmos besteht der Mensch aus den Elementen: „dan wir komen aus inen, ist ein puncten, und seind in inen, ist der ander, und werden wider in inen, ist der drit“. Der Einfluss der Elemente geschieht nicht auf der materiellen Ebene, sondern auf der geistigen. „unser vitalisch geist und der eußer elementisch geist ein geist ist“. Und es ist der „vitalische Geist“ aus den Elementen, der alle Krankheiten „macht“.

In der Nördlinger Schrift werden die Lymphknoten an den drei Körperstellen als „emunctoria“, aus denen der „Schweiß des Sulphurs“ tritt, bezeichnet. In den Ausarbeitungen findet sich die Generalisierung der Lymphknoten als Stellen, durch die sich das gesamte Wasserelement im Menschen reinigt. Das Wasserelement ist die Mutter aller Mineralien, die der Mensch, wie Paracelsus betont, alle in sich trägt. Die aus den Körperstellen austretende Lymphe nennt Paracelsus „emunctoria aquae“ entsprechend des dadurch gereinigten Elements. In wieder einem anderen Abschnitt jedoch ist es die „Natur“ im allgemeinen und die „Planeten“ im speziellen, die sich durch die „emunctoria“ reinigen. Die Pestblitze schlagen direkt in die „schweiß emunctoria“ ein, wie Blitze in Eichenbäume und Türme. Wer die Blitze führt, weiß im übrigen keiner; das „stet bei got“.

Ein weiterer Textabschnitt, der ebenfalls singuläre Gedankenfolgen wiedergibt, beschreibt die „Natur“ der Pest hinsichtlich der Umstände, die bei der Gabe von Arzneien zu beachten sind. Hier spricht Paracelsus von den vier Säften im menschlichen Körper, in die die Pest „einschlagen“ könnte. Die vier Säfte entsprechen größtenteils selbstverständlich nicht den Säften der traditionellen Humoralpathologie, sondern es handelt sich neben dem Blut um die „Feuchte im Fleisch“, das „Schmalz im Fett“ und ein unklares „viscus im geeder“. Eine weitere Ursache des Pestbefalls ist die Störung des Zusammenspiels der drei Prinzipien Quecksilber, Schwefel und Salz im menschlichen Körper, woraufhin sich an den bekannten Körperteilen Pestbeulen bilden. Die Geschwüre vergleicht Paracelsus mit Quecksilber, das mit Hitze in Berührung kommt: „so springt es und zerschmelzt und reucht hin, also tunt die geschwer auch.“ Befallen werden zuweilen insbesondere bestimmte Personengruppen, z.B. Schwangere oder Alte oder die „die gleiches Blut“ haben. Es ist die individuelle innere Gestirnskonstellation eines jeden Menschen, die über den Krankheitsverlauf entscheidet. Im Zusammenspiel mit äußeren Sternenkonstellationen werden jeweils unterschiedliche Begleiterkrankungen (accidens) aktiviert, wobei auch die Jahreszeiten eine Rolle spielen. Paracelsus beschreibt ausführlich die unterschiedlichen Varianten hinsichtlich der Symptome der Krankheit und zieht den Schluss, dass jeder Pestkranker individuell behandelt werden, d.h. auch individuelle Arzneien bekommen sollte.
In dieser sehr virtuosen Abhandlung weicht Paracelsus an einer Stelle von seinem Grundsatz ab, dass „Gleiches mit Gleichem“ behandelt werden sollte. Vielmehr handelt es sich bei der Pest um das Phänomen, „wo gleichs in sein gleichs kompt, do ist der tot geseet.“ Nachdem der Arzt alle Konstellationen analysiert hat, da muss die Arznei „nichts gleichs sein sonder ungleichs“ sein. Es ist ein „widerwertigs, darauf der arzt verhoffen mag“. So wie ein Feuer im Stroh ja auch mit Wasser und nicht mit Öl gelöscht wird.

Letztendlich sind Arzneien Ausdruck der Gnade Gottes. So wie Menschen ungute Taten bereuen können, so bereut auch Gott, es so eingerichtet zu haben, dass Krankheiten als Strafen über die Menschen kommen. Als Bezeichnung für die strafende Instanz verwendet Paracelsus den Begriff „Himmel“. Demnach ist der „Himmel“ die Obrigkeit; der „Himmel“ wird durch Zorn gereizt und der „Himmel“ als Sitz der Sterne, lässt die Pest auf uns fallen.
Die Mittel zur Heilung jedoch hat Gott aus Barmherzigkeit in die Welt gesetzt. Damit meint Paracelsus sicher die Vielzahl der genannten mineralischen Mittel und Pflanzen seines Arzneimittelschatzes.
Am Beispiel seiner Aussagen zu den Wundtränken gegen die Pest lässt sich die Philosophie des Paracelsus bezüglich der Natur der Arzneien verdeutlichen. Wundtränke müssen „spiritus“ (aus „Geist“) sein. Weil – wie wir gesehen haben – die menschliche „imaginatio das corpus generirt“, also die menschlichen Geisteskräfte Materialisierungen im Körper hervorrufen können, sind folglich auch durch alchemistische Extraktionen hergestellte „Geister“ zur Wundheilung einzusetzen. Im Zusammenhang mit der Pest ist hier die Behandlung der Pestbeulen gemeint.
Die mächtige Geisteskraft der „Imagination“ kann im übrigen Menschen schützen, wie Paracelsus an anderer Stelle schreibt, aber leider nicht alle. Was die Pest angeht sind es nur einige, die dann in ihrer „haut so wol umgemauret“ sind, dass sie die Pest gar nicht erst bekommen.

Wie sich festhalten lässt, versteht Paracelsus die Pest als „übernatürlich“, weil sie aus unserer kollektiven „Imagination“ entsteht und über den Umweg der oberen Gestirne uns als Strafe für unsere Schlechtigkeiten trifft. Die „übernatürlichen“ Krankheit werden den „natürlichen“ Krankheiten gegenübergestellt, auf die diese Ursachen nicht zutreffen. Daraus ergibt sich die Frage, für welche Krankheiten der „übernatürliche“ Ursprung denn noch zutrifft. Materialisiert sich diese Form der „Bestrafung“ nur durch die Pest, durch Seuchen im allgemeinen oder vielleicht auch durch andere Krankheiten?
Bezüglich dieser Frage habe ich tatsächlich nur eine Textstelle gefunden. In einem Abschnitt mit dem Titel „Impressio in altum“ (Eindruck im Himmel) beschreibt Paracelsus ein weiteres Mal in seiner anschaulichen Weise den Vorgang der „imaginatio“. Entsprungen aus unserem „unteren Gestirn“ wirkt diese hinauf in das „obere“. Tatsächlich kann es sich hierbei um einen unbewussten Vorgang handeln, denn auch im Schlaf „imaginiren wir auf den neid, geiz, untreu“. Diese „Imaginatio“ verursacht den „zank im himel“, woraus sich die Krankheiten ergeben. Und zwar „werden aus unserem neid nichts als pestis, anthraces (Milzbrand), arthetica (Gicht), colica (Kolik) etc, und solcher krankheiten mer, und doch alle under dem einen namen pestis begriffen“. Offensichtlich sieht Paracelsus bei sehr unterschiedlichen Krankheitstypen eine „übernatürliche“ Ursache, die er deswegen alle mit dem hier metaphorisch gemeinten Begriff „Pest“ bezeichnet. Er bezieht sich dabei auf Christus, der mit „Pestilenz“ jede Art „übernatürlicher“, also strafender Krankheit meint. „ darumb ret er (Christus) von der pestilenz, und sonst von keiner andern, dan die andern sind naturlich, haben natürliche ursprung“.
Tatsächlich ist das lateinische Wort „pestis“ mit „übertragbarer Krankheit“ zu übersetzen.

Die Fragmente und Ausarbeitungen zur Pest lassen uns am Denken des Paracelsus teilhaben. Bilder und Metaphern sind das Stilmittel, um Prozesse verständlich zu machen. Je nach Thema variieren Begrifflichkeiten, z.T. auch die paracelsischen Thesen selbst. Niemals in Frage gestellt wird das magische Weltbild, das traditionell den Menschen als Abbild des Kosmos versteht, und dem Menschen eine gewisse „übernatürliche“ Macht einräumt.
Im Allgemeinen sind es für Paracelsus die Sterne, die infizierende Pestpfeile auf die Menschen schießen. Es finden sich auch davon abweichende Darlegungen, die evtl. Zwischenschritte im Thesenfindungsprozess darstellen oder einfach auch nur alternative Gedankengänge ausprobieren möchten.

Während in den bisher untersuchten Schriften die Theorie rund um die Pest eine wichtige Rolle spielt, ist der letzte Text explizit auf den praktischen Umgang mit der Krankheit ausgerichtet.

3. Das „Büchlein von der Pest an die Stadt Sterzingen“ (1534)

Als 1534 in der Tiroler Stadt Sterzingen die Pest ausbrach, sah sich der in der Nähe weilende Paracelsus veranlasst, den Stadtrat mit einer kleinen praktischen medizinischen Abhandlung zu unterstützen. Auch diese Schrift erlangte zunächst keine Würdigung, sondern wurde erst einige Jahrzehnte nach Paracelsus` Tod von dem Sterzinger Paracelsisten Michael Schütz gefunden und 1576 in Straßburg zu Druck gebracht.
Das „Büchlein“ umfasst nur 14 Seiten, in denen Paracelsus sich jegliche Theorie zu Herkommen und Ursache der Krankheit verkneift. Solches „Geschwätz“ hat er vermieden, wie er im letzten Abschnitt schreibt, vielmehr möchte er aus seiner langen Erfahrung heraus mit „Rat und Hilfe“ beistehen. Es handelt sich also zum größten Teil um eine Rezeptsammlung, die je nach Symptom, bestimmte Tränke, Salben oder Edelsteinbehandlungen bereitstellt. Paracelsus verwendet die Maßeinheiten „Lot“, „Quint“ und für Kräuter gerne auch „eine Hand voll“. In der folgenden Zusammenfassung habe ich diese Einheiten für die Lesbarkeit weggelassen.

Für den Beginn jeglicher Behandlung wird ein „Schwitztrunk“ empfohlen. Dieser besteht aus gutem Branntwein, Theriak (eine Mischung mit Honig und Opium), Myrrhe, Huflattich, Amber, „terra sigillatae“ (römische Keramik), Schwalbenwurz, Diptam, Bibernelle, Baldrian und „gaffer“. Die Mischung daraus wird in einem sauberen Glas 8 Tage in die Sonne gestellt und wiederholt auf nüchternem Magen verabreicht. Für den Geschmack kann noch destillierter Weinstein hinzugegeben werden.
Dann gilt es die Symptome zu beobachten und folgendermaßen zu reagieren: Gegen Schüttelfrost und Tobsucht hilft ein Aderlass am Daumen, Mittelfinger und kleinem Finger.
Gegen einen „tödlichen“ Schlaf hilft ein Umschlag mit einer in Wein und Rosenessig gekochten Mischung aus Heilziest, „masaran“, Salbei, Rosen- und Holunderblättern. Dies soll noch warm um den Kopf geschlagen, und wenn erkaltet, wieder aufgewärmt werden. So wird aus einem „tödlichen“ Schlaf ein „milder“.
Bei Verdauungsproblemen („undeuen“) braucht der Kranke ein warmes Pflaster auf dem „Herzgrübel“ aus in Wein gekochtem Hopfen, Granatbeere und „roten münzen“.
Gegen Schmerzen in den Seiten hilft eine Salbung mit Murmeltierschmalz oder ein mit Rosenwasser und Sandelholz benetztes rotes Tuch, das auf die Körperseite gelegt wird.
Kann der Kranke vor Kopfweh nicht schlafen, sollte zunächst ein Aderlass am großen Zeh gemacht werden – bei einem Mann am rechten Fuß, bei einer Frau am linken. Dann muss folgender Sud wiederholt auf den Kopf gelegt werden bis der Schlaf kommt: Rinde der „pilsam wurzen“, Nachtschatten, Hauswurz in Wein und Rosenessig gekocht.
Bei „preune“ sollten 6-8 lebendige Krebse mit Hauswurz zermörsert werden, um mit dem Saft die Zunge zu schaben und zu waschen. Außerdem helfen 1-2 Löffel aus zu Wasser gebrannten Ciparten (kleine, weiße Pflaumen).

Die Behandlung der Pestbeulen strukturiert Paracelsus nach drei Stadien. Zuerst erscheinen unter der Haut kleine „Knöpfel“ (1.), die sich bewegen lassen. Dann werfen diese sich aus wie eine Beule (2.), um dann im Endstadium aufzubrechen (3.).
1. Behandlung der „Knöpfle“: Oponacum (Gummi) in Essig zergehen lassen und auf das Knöpfel pflastern, „so zertreibt sich das Drüsle“.
2. Behandlung der Beulen: gedörrte Kröten auflegen! Davor soll man keine Scheu haben, „dan also zeucht bös hinweg“.
3. Behandlung der offenen Beulen: Tannen- und Lärchenzapfen mit Eibischwurz kochen und ein Pflaster davon herstellen. Dieses zieht den Eiter heraus und hält die Pest davon ab zum Herz zu wandern. Danach eine Salbe aus Eidotter und „lörgat“ (Lärchenharz) bis zur endgültigen Heilung auftragen.

Paracelsus proklamiert, dass wohlriechenden Dinge nicht vor der Ansteckung mit Pest schützen, da die Pest nicht aus der Luft kommt. Auch Essen und Trinken haben nichts damit zu tun.
Gleichwohl empfiehlt Paracelsus seinen obigen „Schwitztrunk“, 1x in 6 Tagen, als Prophylaxe. Auch Myrrhe gekaut oder im Wein getrunken kann schützen. Den Kindern kann man die Myrrhe ins Essen stoßen. Auch die Einnahme von Huflattich, Knoblauch oder Nüsse sind als Schutz empfehlenswert.
Die „Luft“ der Kranken kann ansteckend sein, deshalb sollte man bei einem Krankenbesuch Weihrauch im Mund haben, während der Kranke selbst „Meisterwurz“ kaut.
Auch herkömmliche Bräuche, wie Baden und Schröpfen sind gut. Empfehlenswert ist es „auch wenig an die ding gedenken“ – also sich nicht verrückt zu machen.
Als prophylaktische Stärkung empfiehlt Paracelsus außerdem alle 12 Stunden zermörserte Korallen im Wein zu sich zu nehmen bzw. 1-3 mal die Woche Myrrhe und Theriak in Branntwein zu trinken.

Paracelsus nennt drei Krankheiten, die die Pest begleiten, „zu diser zeit gefürdert durch die himlisch influenz“, die da wären: „Bluteislen“ (kleine Geschwüre), große Blutgeschwüre und Seitenstechen. Gegen letzteres hilft der bereits erwähnte Schwitztrunk und ein an den kleinen Zehen gesetzter Aderlass „bis sich das blut in die drit farb bekert“.
Bei den „Bluteislen“ könnte es sich um die Einstichstellen der Flöhe gehandelt haben (was Paracelsus nicht schreibt), die sich durch den Pesterreger entzünden. Speziell gegen diese kann ein Saphir eine Viertelstunde lang kreisförmig herum geführt werden, bis sich ein schwarzer Ring bildet „so geschwirt das geschwer heraus“. Oder als Alternative ein runder Kristall „in der gestalt mit dem sonnen schein“ (mglw. Zitrin) geführt wie der Saphir, was auch gegen Tobsuchtsanfälle wirkt.
Zum Löschen „großer Hitze“, womit evtl. Fieber gemeint sein könnte, hilft auch die Arznei gegen „preune“: „gummi opoponacum“ vermischt mit „olio laterino“.

Im letzten Kapitel führt Paracelsus ausführlich aus, welche Personen bei welchem Mondstand gefährdet sind. Es ist nicht nachvollziehbar, ob dies Erfahrungswerte sind, die aus Beobachtungen resultieren oder ob es rein theoretische Kombinationen basierend auf astromedizinschem Wissen darstellen. Vermutlich ist es eine Minschung aus beidem:

Schwangere sollten bei zunehmendem Mond aufpassen, die anderen Frauen sind bei abnehmendem Mond vermehrt in der Gefahr sich anzustecken.
Beim Neumond im Bruch (dünnste aufsteigende Mondsichel) oder Vollmond in Löwe oder Steinbock ist die Ansteckungsgefahr generell am größten.
Hellhäutige Menschen -„was rot leut seind“ – werden beim Mond in Stier, Löwe oder Steinbock angesteckt.
Alte Leute sollten bei Vollmond in Fisch oder Wassermann vorsichtig sein.
Kinder und Junge leiden weniger, wenn die Krankheit in der Nacht kommt.
Innerlich Faule „werden schwerlich davon komen“ – sind also immer gefährdet, wohingegen die Gesunden speziell bei Mond in Fisch, Widder und Steinbock erkranken.
Menschen, „die grober art seind mit speis und andern“ werden öfter an der Seite angegriffen. Zornige Menschen sollten beim Mond in Löwe, Stier oder Schütze aufpassen.

Bei Erkrankung sollten Schwangere gelöschten Wein (durch Kochen alkoholfrei gemacht) trinken, dem auch gerne Korallen zugesetzt sein dürfen. Zudem hilft es einen Blutstein (Hämatit) abwechselnd in die Hände zu nehmen und kein Fleisch zu essen.
Sind Frauen allgemein in den „unbequemen Zeichen“ (s.o.) erkrankt, sollten sie drei Mal im Abstand von acht Stunden Breitwegerich in Rosenwasser trinken. Auch hier wird nochmal empfohlen gedörrte Kröten auf die Beulen zu legen.
Bei Verstopfung sollte kein Klistier gelegt, sondern Senetblätter (arabisches Heilkraut) getrunken werden. Oder man führt ein Zäpfchen aus Seife oder aus Eidotter mit Salz ein. Generell hilft bei einer Erkrankung auch ein Pulver aus roten Korallen, gebranntem Hirschhorn von der Geweihspitze, Hirschherz, Elfenbein und Lilie convalii. Als Trunk verabreicht sollte es drei mal alle sechs Stunden getrunken werden.
Außerdem ist es empfehlenswert kein Fleisch, keine Eier, kein Fisch und kein Gebäck zu essen. Am besten man trinkt nur Wassersuppe mit Rosenessig oder Gerste, damit die Arznei wirken kann. Auch Gerstenwasser bzw. Ehrenpreiswasser oder Mariendistel ist hilfreich.

Das „Pestbüchlein“ gibt einen lebendigen Einblick in die paracelsische Hausapotheke. Wir finden eine breite Verwendung unzähliger Kräuter und die praktische Behandlung mit Edelsteinen. Auch für uns gewöhnungsbedürftige Ingredienzien wie gedörrte Kröten oder Murmeltierschmalz fehlen nicht. Auffallend ist seine Sorge speziell um Frauen, die zuallererst und ausführlich im letzten Kapitel über den Mondstand in Beziehung zu Personengruppen Erwähnung finden.

Dem „Pestbüchlein“ fügte Paracelsus während seines Aufenthalts in Meran ein zweiseitiges Nachwort hinzu, aus dem oft und gerne in der Paracelsusliteratur zitiert wird. Paracelsus befindet sich hier in der Tiefphase seines Lebens. Er schreibt von Elend und Not, und wie er in Innsbruck aufgrund seines abgerissenen Äußeren von Ärzten verachtet wurde. Nicht nur seine Armut ist ein Problem, auch seine Frömmigkeit erzeugt vor allem bei Priestern Ablehnung, was sicher auf seine eigenwillige Interpretation des Evangeliums zurückzuführen ist. Wenig hilfreich ist auch seine wenig attraktive körperliche Erscheinung „dieweil und ich der Venus kein zutitler bin“. Trotz aller Bemühungen kann er unter den Gelehrten kein Fuß fassen: „der sich under die kleien mischt, den fressen die seu.“
Immerhin erwähnt er aber zwei Freunde, die hilfreich waren und ihm ihre Unterstützung gewährten.

Fazit

Auch wenn er es selber niemals so zugeben würde, sind Paracelsus` Theorien zur Pest sehr in den traditionellen antik/mittelalterlichen Traditionen verwurzelt.
Die klassische Theorie des Mikro- und Makrokosmos, nach der der Mensch physisch dem Makrokosmos nachgebaut ist, bildet den Rahmen für die paracelsische Herangehensweise. Hieraus ergibt sich eine „Astromedizin“, nach der Krankheiten in Synchronizität zu Sternenkonstellationen stehen. Außerdem begreift er die Pest als Kollektivstrafe Gottes für unmoralisches Verhalten der Menschheit – ein im christlichen Abendland gängiges Motiv.
Speziell paracelsisch ist die Ausgestaltung der Zusammenhänge zwischen Gott, Sternen, Mineralien und Mensch. Ähnlich wie vereinzelt andere Gelehrte der Renaissance ist Paracelsus bemüht, der verpönten Magie eine respektierte Stellung zu verschaffen. In seiner speziellen Interpretation ist die Pest insofern eine „unnatürliche“ Krankheit, als dass Gott die Welt so beschaffen hat, dass nach „magischem Prozess“ menschliche Gier und Neid in den Himmel aufsteigen, wo sie in den Sternen in Pestpfeile umgewandelt und auf die Menschheit zurückgeschossen werden. Das Medium sind hierbei die „Sidera“, die Entsprechung der makrokosmischen Sterne im Menschen. Umgekehrt können über die Sidera auch „Imaginationen“ zu Heilzwecken aktiviert werden – der positive Aspekt magischer Handlungen.
Ein weiterer für Paracelsus typischer Aspekt ist die Deutung sämtlicher Prozesse im Rahmen seiner „drei Prinzipien Theorie“, nach der Mensch und Kosmos durch vielfältige Reaktionen von metaphorischem Schwefel, Quecksilber und Salz existieren. Die Pest wird hier als sulphurische Krankheit interpretiert, ohne die Kategorie näher zu erläutern.
Die Beschreibung von Zusammenhängen in Bildern und Metaphern ist ein wesentliches Stilelement im Bemühen die Vorgänge der Welt zu ergründen und begreiflich zu machen.
Paracelsus verfügt über einen immens umfangreichen Arzneischatz an Kräutern und mineralischen Arkanen, die andere Ärzte – nach eigenen Angaben – nicht kennen.

Literatur

„Von der Pestilenz und ihren Zufellen“ (Sudhoff, Band 8, S.371-394)

„Büchlein von der Pest an die Stadt Sterzingen“ (Sudhoff, Band 9, S.547 – 562)

„De peste libri tres“ (Sudhoff, Band 9, S. 566 – 638)

Band 8: https://publikationsserver.tu-braunschweig.de/receive/dbbs_mods_00000709?q=Paracelsus

Band 9: https://publikationsserver.tu-braunschweig.de/rsc/viewer/dbbs_derivate_00000710/max/00000565.jpg?q=Paracelsus