Die Drei Prinzipien Theorie des Paracelsus
Inhalt
Vorwort
1. Die antiken und mittelalterlichen Theorien hinsichtlich dreier Prinzipien
2. Die drei Prinzipien in der paracelsischen Kosmologie (Makrokosmos)
3. Der menschliche Körper und seine Krankheiten (Mikrokosmos)
4. Die drei Substanzen als Medikamente in der spagyrischen Kunst
5. Die Drei Prinzipien Theorie in der Debatte europäischer Paracelsisten
Schluss
Vorwort
Die Drei Prinizipien Theorie ist eine paracelsische Originalidee, die besagt, dass alle Dinge der Schöpfung, einschließlich des menschlichen Körpers, aus den drei Substanzen Schwefel (sulfur), Quecksilber (mercur) und Salz (sale) bestehen. Damit bildet diese Theorie eine Basisannahme im naturphilosophischen Weltbild des Paracelsus’, auf die etliche seiner Erklärungsmuster aufbauen.
Wie ein roter Faden zieht sich die Drei Prinzipien Theorie durch die paracelsischen Abhandlungen, angefangen über ihre Position im Schöpfungsgeschehen hin zu ihren Zuständigkeiten für die Entstehung des Wetters, der Pflanzen und Mineralien. Das Hauptinteresse des Arztes Paracelsus galt jedoch dem Menschen, der entsprechend dem damaligen neuplatonischen Weltbild als Abbild des Kosmos verstanden wurde. In dieser Sichtweise ist der Mensch als „Mikrokosmos“ eine Spiegelung des uns umgebenden „Makrokosmos“. Demzufolge sind auch im menschlichen Körper und bei der Entstehung von Krankheiten die drei Prinzipien am Werke, die damit ebenfalls von entscheidender Bedeutung für die Medikamentenlehre des Paracelsus sind.
Die Drei Prinzipien Theorie (Schwefel / Quecksilber/ Salz) ist eine alchemistische Theorie, die allerdings schon in der arabischen bzw. mittelalterlichen Alchemie durch eine „Zwei Prinzipien Theorie“ (Schwefel / Quecksilber) und – davon unabhängig- einer besonderen Bedeutung des Salzes vorgezeichnet worden ist. Deshalb gebe ich im ersten Abschnitt eine Einführung in den Teil der antiken und mittelalterlichen alchemistischen ldeenwelt, der Paracelsus zu seiner persönlichen Theorie hingeführt haben könnte. Alchemistische Spekulationen betreffen auch „unstoffliche“ Zusammenhänge bezüglich der menschlichen Seele und ihrer Beziehung zu Körper, Kosmos und Gott. Deshalb schneide ich auch die in diese Richtung gehenden metaphysischen Spekulationen des Paracelsus an, sei es auch nur um ein oft formuliertes Missverständnis zu widerlegen, das die drei Prinzipien mit Körper, Seele und Geist gleichsetzt.
Die Drei Prinzipien Theorie regte nach dem Tod des Paracelsus eine jahrzehntelange, europaweite Debatte unter Ärzten und Chemisten an. lm letzten Abschnitt gebe ich einen Überblick über die Inhalte der Kontroverse, wobei gleichzeitig auch deutlich wird, warum die Drei Prinzipien Theorie schließlich aus dem Bewusstsein der Gelehrten verschwand.
Die verwendeten zahlreichen Originalzitate aus den Schriften des Paracelsus’ können zuweilen zwar den Lesefluss erschweren, liefern aber dafür einen Einblick in die lebendige Gedankenwelt des Paracelsus, wie es Interpretationen in der modernen Sprache nicht vermögen.
- Die antiken und mittelalterlichen Theorien hinsichtlich dreier Prinzipien
Schon in der Antike beschäftigt sich die Philosophie mit der Frage nach Entstehung und Zusammensetzung der Dinge. Dahingehende Spekulationen bewegen sich immer wieder im Spannungsfeld der beiden Pole Materie und immateriellem Pneuma. Die materiellen und immateriellen Aspekte eines jeglichen Dinges – und letztendlich auch des Menschen – geben den Alchemisten durch viele Jahrhunderte reichlich Stoff für ihre Theorien. Diese bauen aufeinander auf, variieren, widersprechen sich oder fügen den vorhergehenden Vorstellungen neue Ideen hinzu. In dem Sinne bildet die Drei Prinzipien Theorie des Paracelsus’ eine Etappe in dem Bemühen stoffliche und „geistige“ Zusammenhänge zu begreifen.
Die bis ins Mittelalter hoch geschätzte Naturphilosophie des Aristoteles (um 350 v.u.Z) übernahm das Konzept des Empedokles, nach der alle Körper aus den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer und Luft bestehen. Aristoteles postulierte darauf aufbauend die vier „Grundqualitäten“ warm, kalt und feucht, trocken, die paarweise einer Urmaterie aufgeprägt, die vier Elemente bestimmen. Dabei repräsentieren Erde und Wasser das weibliche, passive Prinzip, das als „potentielles Sein“ mit „Materie“ assoziiert wird. Feuer und Luft geben als männliche, aktive Prinzipien der Materie die Form.
Die philosophische Schule der Stoiker prägten für das Elementenpaar Feuer/ Luft den Begriff „Pneuma“, das als lebenserzeugendes und –erhaltendes Prinzip betrachtet wurde. An dieser Stelle kommt nun der „Schwefel“ ins Spiel: Aus der griechischen Bezeichnung „pneuma theion“, zu übersetzen mit „göttliches pneuma“, lässt sich durch den Doppelsinn des Wortes „theion“, das sowohl „göttlich“ als auch „Schwefel“ bedeutet, die Verbindung zu einem immateriellen Aspekt der Substanz ziehen. In hellenistischer Zeit wird „theion“ auch als ein der Seele entsprechender Vermittler zwischen Körper und Geist verstanden.
Informationen über verschiedene Auffassungen bezüglich des Aufbaus des Menschen in seiner Beziehung zu Gott gibt das im zweiten Jahrhundert auf Griechisch verfasste „Corpus Hermeticum“. Diese Schriftensammlung wurde in der Renaissance von dem Philosophen Marsilio Ficino, dessen Schriften Paracelsus sicherlich kannte, ins Lateinische übersetzt. Das Corpus Hermeticum besteht aus insgesamt 42 Büchern im weitesten Sinne medizinischen, natur- und religionsphilosophischen Inhalts. Hier findet sich sowohl ein dichotomes Schema, das den geistig-seelischen Bereich dem körperlichen „Soma“ gegenüberstellt, als auch eine Dreiteilung. Bei Letzterer wird – auf Platon Bezug nehmend – der geistig-seelische Bereich in den mehr physiologischen Teil der Seele, der „Psyche“, und den vernünftigen Teil, „Nus“, unterschieden. „Nus“ ist auch in Gott und All vorhanden.
Da das „Nus“ sich nicht nackt im erdigen Körper niederlassen kann, wird eine Wirkungskette wiedergegeben, die vier Glieder hat. Demnach wohnt das Nus in der Psyche, deren Diener das Pneuma darstellt. Das Pneuma versorgt das Lebewesen, also letztlich den Körper. Das Pneuma kann in den hermetischen Schriften die verschiedensten Bedeutungen haben. Gemäß der stoischen Tradition kann es der heilige Stoff sein, aus dem die Seele gebildet ist. Es wird sowohl als körperlich als auch als unkörperlich beschrieben.
Eine häufig wiedergegebene Vorstellung beschreibt die Kreation der Dreiheit: Der Leib und die ihm beigestellte Psyche werden demnach durch die Planeten gebildet, während die ewige Seele als Pneuma von Gott kommt. Die Begriffe und die ihnen zugeordneten Einheiten sind also recht uneinheitlich.
Auf alchemistische Laborpraxis bezogen waren die griechisch verfassten Schriften der Philosophen und Naturforscher Alexandriens. In den ersten Jahrhunderten u.Z. bis zu der Eroberung durch die Araber im siebten Jahrhundert war Alexandria der Schmelztiegel verschiedenster Sekten und Religionen. Hier entstand ebenfalls eine Hochburg der Alchemisten, die bereits detaillierte Kenntnisse im Umgang mit verschiedensten Substanzen im Labor hatten.
Einer ihrer bedeutensten Vertreter war um 300 u.Z. Zosimus von Panapolis. Seine Aufzeichnungen verraten ein praktisches Wissen, das in einer bildlichen bzw. verschlüsselten Sprache, gekoppelt mit transzendenten Spekulationen, präsentiert wird. Bei dem angestrebten „großen Werk“ scheint es sich um die Umwandlung von Metallen bzw. die Herstellung von Gold zu handeln. Das Bild für das große Werk selbst und gleichzeitig für die ganze Natur ist die sich in den Schwanz beißende Schlange Urobos. Zosimus beschreibt sie als einen Drachen mit vier Beinen, die für die Metalle Blei, Kupfer, Zinn und Eisen stehen, und mit kurioserweise drei Ohren, die auf die Dünste des Quecksilbers, des Schwefels und des Arsens deuten.
Die vier Metalle galten als „prima materia“, als die Ursubstanz des großen Werkes; die Dünste der drei Substanzen waren das Pneuma, die als „sublimierte Geister“ sich der prima materia bemächtigen und bei der Fixierung die Entstehung von Silber und Gold bewirken sollen. Die wichtigsten „Geister“ sind die, die bei der Sublimation (direkter Übergang von festem in gasförmigen Zustand) des Schwefels mit Arsen und des Quecksilbers mit Arsen entweichen. Das Arsen galt jedoch nur als eine Unterart des Quecksilbers und ist kein eigenständiges drittes Prinzip. Schwefel, Quecksilber und Arsen stehen also mehr für einen pneumatischen Aspekt gegenüber einem körperlichen, der durch die Basismetalle ausgedrückt ist.
Selbstverständlich werden auch bei Zosimus Spekulationen über die Natur der Dinge zugleich auf den Menschen angewendet. Der elementare Körper schließt dabei den lichthaften, pneumatischen Körper ein. Zwischen den beiden steht die vegetative Seele, die auch „sulphurische Seele“ genannt wird. In einer weiteren Metapher für das große Werk ist das rote Zinnober ein „Menschlein“, das in einer Phiole von Schwefel und Quecksilber „gezeugt“ wird.
Bei Zosimus finden wir bereits die Frage, die etliche Alchemisten der folgenden Jahrhunderte umtreiben wird: Wie lässt sich Gold herstellen? Damit einhergehend ist die Suche nach der Urmaterie, der „prima materia“, die sich durch eine spezielle Behandlung in Gold verwandeln lassen sollte. Zosimus identifiziert die besagten Basismetalle Blei, Kupfer, Zinn und Eisen als „prima materia“ und von diesen insbesondere das Schwarzblei, in der Annahme, dass die Ursubstanz tiefschwarz sein müsse.
Im folgenden Jahrhundert gelang den alexandrinischen Alchemisten die Destillation des Quecksilbers, woraufhin dieses nun als das allen Metallen zugrunde liegende Pneuma definiert wurde. Bis ins späte Mittelalter galt ab jetzt das paradoxe Dogma: „Das Quecksilber der Philosophen ist die vollkommene Schwärze.“
Als die Araber die Bühne der Alchemiegeschichte betraten, war die herausragende Bedeutung von Schwefel und Quecksilber durch die griechisch/alexandrinischen Philosophen also schon vorgezeichnet. Der Arzt und Alchemist Jabir, der um 800 in Bagdad tätig war, erklärt in seinem „Buch der Erläuterungen“ alle Metalle ihrer Substanz nach für Quecksilber. Sie unterscheiden sich nur durch jeweils verschiedene Schwefelarten, durch die sich das Quecksilber verfestigt.
Eine weitere eigenwillige Variante findet sich in der früharabischen Enzyklopädie „Schriften der treuen Brüder“, deren Verfasser Mitglieder eines um 950 in Basra gegründeten Geheimordens waren. Die Zusammensetzung der Metalle wird hier als Komposition von Erde als Körper, Wasser als Geist und Luft als Seele gedacht, die durch Feuer veredelt und gereift werden. Die Metalle entstehen aber nicht unmittelbar aus den Elementen, sondern vielmehr durch den Schwefel und das Quecksilber, die sich gegenseitig durchdringen und auf diese Weise die vielfältigsten Formen und Gestalten der Metalle bilden. Schwefel und Quecksilber sind komprimierte Verdichtungen der beiden Hauptdünste, der Wässrigen und der Rauchigen, die sich in den Klüften und Höhlen der Erde bilden.
Über die in Südeuropa lebenden Araber gelangten die alchemistischen Lehren in das Abendland, z.T. wurden aber auch griechische Texte direkt ins Lateinische übersetzt. Die Quecksilber/ Schwefel/ Arsen – Dreiheit findet sich in dem Werk „Summa perfectionis maigisterii“ des Geber latinus aus dem 13. Jahrhundert wieder. Das Arsen wird in einem Atemzug mit Schwefel und Quecksilber genannt, gilt aber letztlich als eine dem Schwefel ähnliche Substanz, die sich vor allem durch Farbreaktionen vom Schwefel unterscheidet. Auch hier repräsentieren die drei einen „spirituellen Anteil der Metalle“, der im Gegensatz zu einem „körperlichen Anteil“ gesetzt wird. Sie werden als „tria principia“ bezeichnet; zusätzlich sind aber auch Markasit (ein Eisensulfid) und Magnesium als pneumatische Geister aufgeführt. Diese wiederum bestehen aus Quecksilber und Schwefel, ebenso wie andere Metalle.
Die Ideen des Albertus Magnus (1200-1280) zur Metalltransmutation gehen schon weiter in die Richtung der Annahme eines neben Schwefel und Quecksilber gesetzten dritten Bestandteils. Demnach kann mit Hilfe von Elixieren ein Metall aufgebrochen werden, seine Schwefel und Quecksilber Bestandteile gereinigt und im richtigen Verhältnis mit einem weiteren ominösen „Metallmaterial“ („cum materia metalli“) zu einem anderen Metall vereinigt werden.
Michael Scotus bezeichnet schon um 1200 in seinem Buch „Liber particularis“ die Erde neben Schwefel und Quecksilber als Gewicht und Farbe determinierenden Bestandteil der Metalle. Diese soll auch dem „faex“ der mittelalterlichen arabischen Schrift „Sieben Traktate“ entsprechen. „Faex“ ist hier die Basis der Naturobjekte, der Schwefel nimmt eine „mittlere“, der Quecksilber eine „obere“ Position ein.
Neben diesen mehr auf den materiellen Aufbau der Metalle bezogenen Vorstellungen deuten geläufige mittelalterliche Spekulationen das Wesen der Metalle durch die trichotome Zusammensetzung von Körper, Seele und Geist. Antike Vorstellungen über den metaphysischen Hintergrund alchemistischer Praxis wurden in die christliche Vorstellungswelt übertragen. Alchemie wurde als eine Kunst verstanden, mit der die Seele des Alchemisten durch die Läuterung der Stoffe ebenfalls geläutert werden konnte. Auf diese Weise war Alchemie eine Möglichkeit, Gott näher zu kommen.
Von der Schwefel/ Quecksilber -Theorie unabhängig sind die mittelalterlichen Interpretationen des Salzes, die Parallelen zu dem paracelsischen Salzbegriff aufweisen. Im „Rosarium philosophorum“, einem Werk aus dem 13. Jahrhundert, wird Salz als Materie im Stadium der Coagulation (Verfestigung) verstanden, was der paracelsischen Darstellung des Salzbegriffs entspricht. In einer gern zitierten Textstelle identifiziert Paracelsus „Salz“, als Asche, die bei einer Verbrennung übrig bleibt. Im „Rosarium philosophorum“ wird die Verbindung von Salz mit Asche auf andere Weise formuliert. Hier ist die Gewinnung des Salzes aus Asche der erste Schritt zur Goldherstellung. Anschließend soll das Salz zu Wasser, das Wasser zu Quecksilber und dieses schließlich zu Gold transformiert werden. Es ist der Stein der Weisen selbst, der hier als Salz der Metalle bezeichnet wird. Er ist die Wurzel des alchemistischen Werkes der Verwandlung.
Ebenfalls im 13. Jhdt. schreibt der Katalane Raymund Lull dem Salz die essentielle Aufgabe zu, durch seine innerliche, seelenhaftige Hitze Quecksilber und Schwefel erst dazu zu befähigen, Materie zu durchdringen. Lull betrachtet das Salz als die prima materia, den Ausgangsstoff der Natur, die ihre Basisoperationen erst möglich macht. Das Salz ist ein „Arbeiter“, durch den „Vulcanus“, der Künstler in der Natur, erst wirken kann.
Im 16. Jhdt. greift Paracelsus nun die Fäden seiner naturphilosophischen Vorgänger auf und spinnt wiederum auf Basis der drei Prinzipien Schwefel (sulfur), Quecksilber (mercur) und Salz (sale) seine eigene Theorie, wobei die drei Substanzen gleichwertig nebeneinander stehen.
- Die drei Prinzipien in der paracelsischen Kosmologie (Makrokosmos)
2.1 .Die Herleitung der drei „teil“ aus der Trinität (Vater, Sohn, Heiliger Geist)
Als katholischer Christ und Mensch seiner Zeit ist Paracelsus darum bemüht, seine Philosophie von den drei Prinzipien in der Gotteslehre zu verankern und damit zu legitimieren. Dies geschieht in der Tradition der so genannten „vestigia trinitatis“, die zuerst von dem Kirchenvater Augustinus formuliert, das Bild des dreipersonalen Gottes (Vater, Sohn, Heiliger Geist) auf triadische Erscheinungen projiziert.
Die Begründung der drei Prinzipien findet sich bei Paracelsus im „Liber de meteororum“ von 1530, einem im weitesten Sinne naturkundlichen Werk, das sich mit der Entstehung des Wetters befasst. In den ersten Kapiteln werden als Einleitung die ersten Schöpfungsmomente rekapituliert. Dort heißt es:
„der anfang ist drei in der gotheit. nun ist das erste wort auch dreifach gewesen, dan die trinitet hats gesprochen, und das wort ist der anfang himels und erden und aller creaturen.“
Hier wird die Annahme eines „Dreiheitsprinzips“ im Anbeginn der Schöpfung deutlich, sowohl in Form des trinitären Gottes als auch in Form der drei Prinzipien, die in diesem Zusammenhang als „species“ bzw. „teil“ bezeichnet werden:
also bei der zal werden wir erinnert der dreiheit in den drei speciebus und fürhin seind alle ding in drei gesetzt und nichts ist auf erden, es hat und ist in drei speciebus.
Interessant ist die Aussage „und die drei teil seind die prima materia“ und weiterführend: „dise drei teil seind prima materia, haben nur einen namen, wie got also prima materia“. Der Begriff „prima materia“ beinhaltet also für Paracelsus die drei „speciebus“, die obgleich verschieden, in dem einen Begriff zusammengefasst werden.
Die Verschiedenheiten sind in den unterschiedlichen Zuständigkeiten begründet, so wie auch Vater, Sohn und Heiliger Geist unterschiedliche Aufgabenbereiche haben:
„und wie in der gotheit drei personen, anders der vater, anderst der son, anderst der geist, (…) ; also seind auch dreierlei offıcia (Aufgaben) in den tribus primus (drei Ersten), die doch under einem namen prima materia geheissen werden, und bei solcher zal bleibt materia prima.“
Der Übergang einer „geistig-immateriellen“ Welt in die „stofflich-materielle“ wird ausgelöst durch das „Wort Gottes“, das „fiat“ (es werde) lautet: „das wort fiat ist worden ein dreifach corpus, das ist geteilet in dreierlei corpora“ . Der „corpora“- Begriff wird bei Paracelsus als Universalbegriff verwendet, der auf viele Erscheinungen angewendet wird. Auf die drei Prinzipien im Schöpfungsgeschehen bezogen, meint der „corpora“- Begriff die sichtbaren „materiellen Einheiten“:
„und nichts ist auf erden es hat und ist in den drei speciebus, und wird in drei corpora widerumb gebracht, also das sichtbar seind und sich beweist, das ein ietlichs geschöpf zerteilt mag werden in die drei stück, ietlichs an sein ort.“
Ich möchte nun noch aus einem anderen Werk zitieren, aus der „Philosophia de generationibus el fructibus quatuor elementorum“ aus den Jahren 1525/26. Sie bietet im Gegensatz zum Liber de meteororum die Beschreibung der Entstehung einer umfassenderen Schöpfung, die neben dem Wetter auch z.B. Mineralien und Pilze miteinschließt. Hier findet sich keine Parallelisierung bzw. Ableitung der drei „Ersten“ aus dem dreieinigen Gott, obwohl derselbe Sachverhalt, die ersten Schöpfungsmomente, in den ersten Kapiteln beschrieben wird. Auch taucht weder die „prima materia“, noch das Wort „fiat“ auf. Die drei Prinzipien werden als „ersten“, „ding“ oder „stück“ bezeichnet, die Begriffe des „Liber de meteororum“ „species“, „teil“ und „corpora“ werden nicht aufgeführt. Statt von der prima materia ist von dem Zentrum des Gottesreiches bzw. einem „klotz“ oder auch „corpus“ die Rede, wobei die drei Ersten chronologisch nach der Materialisierung des Zentrums erschaffen werden:
„also hat got sein zentrum seins reiches materialisch geschaffen, und dan in die drei ersten gesetzt dreifach (XIII, 14); er hats [die Welt] in ein corpus gemacht, […] dises corpus hat er
gesezt in drei stück, in mercur, sulfur, und sal.“
Ob die drei Prinzipien nun von der Trinität abgeleitet werden oder nicht, festzuhalten bleibt ihre frühzeitige Existenz im Schöpfungsgeschehen und zwar noch vor der Separation der vier Elemente:
„das do seind drei ding machen ein corpus; […] also ist dises corpus yliastrie ein kloz gewesen, […] als am ersten hat er [Gott] hinweg genommen den luft, und aus den übrigen seind noch drei geworden, das feur, wasser und erden; aus disen hat er hingenommen das feur, noch seind zwei bliben; also bis zum end.“
Auch in der religionsphilosophischen Abhandlung „De genealogica Christi“ (zw. 1530 und 1537) gibt Paracelsus einen Hinweis auf die drei Prinzipien, ebenfalls hergeleitet aus der göttlichen Trinität, die so bis ins Kraut wirkt:
„wie die Trinitet in drei persona aber in der essentia bleibt nur ein corpus, wie wol drei; aber in der operation ist nur eins und nit drei, wiewol dreierlei âmpter, einer ietlichen person sein ampt also durch drei corpora in dem kraut.“
Der Schwerpunkt der Aussage liegt auf der, für die Wirkung nötige Einheit jeweils einer Triade; eine Annahme, die auf die Wirkweise der drei Prinzipien bezogen, in den paracelsischen Schriften wiederholt formuliert wird.
2.2. Das Trichotomie (Körper, Seele, Geist) -Verständnis bei Paracelsus
Die traditionelle Verquickung der metaphysischen Spekulationen über die Komposition des Menschen und die Beschaffenheit „anorganischer“ Dinge legt eine Gleichsetzung von Trichotomie und den drei Prinzipien durch Paracelsus nahe. Dies geschah und geschieht immer noch in der Paracelsus -Rezeption in der Weise, dass die Seele mit dem Schwefel, der Geist mit dem Quecksilber und der Körper mit dem Salz assoziiert wird. Diese Vereinfachung ist zwar leicht nachvollziehbar, wurde allerdings von Paracelsus so nicht formuliert. Obgleich die drei Prinzipien auch geistige Aspekte haben, sind sie allein in dem sichtbaren Körper aktiv. Die Analogie Seele – sulfur, Geist – mercur und Körper – sale passt nicht in das paracelsischen Gedankengebäude.
Ich stelle zunächst seine Spekulationen über die Trichotomie vor, die in der „Astronomia magna“ von 1537/38 ausführlich dargestellt wird. Die „Astronomia magna“ ist ein in vier Bücher unterteiltes Werk, von denen das letzte Buch verschollen ist. Es behandelt in ihren ersten beiden Büchern u.a. die „compositione humana“ (Zusammensetzung des Menschen) in ihrer Beziehung zu Gott und Kosmos.
Während das erste Buch „von der natürlichen himmlischen Wirkung“ berichtet, erläutert das zweite die „übernatürliche Wirkung der himmlischen Astronomei“. Sie unterscheiden sich durch einen im zweiten Buch erweiterten Geistbegriff. Das erste Buch beschreibt den Menschen als ein in der Natur wirkendes und existierendes Wesen, wobei u.a. auf die magischen Künste eingegangen wird. Das zweite Buch orientiert sich am biblischen Schöpfungsverständnis des Menschen als Bildnis Gottes und legt den Schwerpunkt auf das Ewige, Unvergängliche im Menschen.
Die Vorrede zum ersten Buch gibt u.a. Auskunft über die Funktion der Trinität hinsichtlich der Vermittlung einer vergänglichen und einer ewigen Weisheit an den Menschen. Demnach hat Gott, der Schöpfer, den Menschen Kraft des heiligen Geistes in ein „natürliches Licht gesetzt“, welches aus dem Firmament entspringt bzw. mit ihm identisch ist und dank dessen der Mensch die (magischen und handwerklichen) „Künste“ begreifen kann. Aus diesem Licht stammt die „tödliche“, d.h. vergängliche Weisheit, die in eine gute und in eine böse zu unterteilen ist, und die der Mensch als Bildnis Gottes auch zu unterscheiden in der Lage ist, so dass „einer kan ausklauben das jenig das gut ist“. Paracelsus betont, in der „Astronomia magna“ nur den guten Teil der „natürlichen Weisheit“ zu behandeln und weist gegen ihn vorgebrachte Ketzenvorwürfe zurück. Mit Gott dem Sohn ist durch den Heiligen Geist der „neue Mensch“ geschaffen, der auch im „ewigen Licht“ der ewigen Weisheit „wandeln“ kann. Diese Weisheit ist die „Speise der Seele“, in der das ewige Licht eine Wandlung hinsichtlich der seelischen Vervollkommnung vollbringen kann; während die vergängliche Weisheit die „Nahrung des Leibs“ darstellt. Beide Lichter haben einen ungeteilten Geist und „sind nicht uneins“, so wie auch „vatter und son eins“ sind. Auch Leib und Seele sind im Menschen „beieinander“, obwohl der Leib vergänglich, die Seele hingegen ewig ist.
Der Mensch soll in beiden Lichtern leben, die miteinander „vermelet sind wie man und weib“, entsprechend den beiden Geschöpfen, die der Mensch in sich vereinigt, wobei das Irdische von Gott, dem Vater, „von unden herauf“ und das Ewige von Gott, dem Sohn, „von oben herab“ geschaffen wurde. Nach dem Tod des Menschen geht das „biltnus gottes […] wieder in seine hand und das fleisch wieder in erden“.
Ein als Geist zu interpretierendes Element wird in der Vorrede noch nicht erwähnt.
In den ersten Kapiteln teilt Paracelsus den sterblichen Leib in den elementischen, sichtbaren Leib und in den unsichtbaren und „ungreiflichen“, „siderischen“ Leib, der in verschiedenen Zusammenhängen das ganze Buch hindurch auftaucht. Er ist der „natürliche geist“, der dem elementischen Leib gegeben ist. Er stammt vom Firmament und spiegelt die Himmelskörper wieder, die sich nur in ihrer Substanz von den firmamentischen Sternen unterscheiden:
„dan die astra im leib nemen ir eigenschaft, art, wesen, natur, lauf, stand, gleich den eußem, allein in der form geteilt, das ist in der substanz.“
Der siderische Leib bewirkt Sinn und Gedanken und wird als „Geist“ bezeichnet. In ihm liegt „die kunst: in dem sichtbaren [Leib liegt] das Instrument, das die kunst des unsichtbaren offenbar macht“. Der elementische Leib wird als „Objekt“ des siderischen gedacht, so wie die Frau das „Objekt“ des Mannes sei.
Beide Leiber sind sterblich, der siderische verzehrt sich nach dem Tod des Menschen und bleibt bei dem elementischen, kann aber in Ausnahmefällen noch als „Geist“ an Orten, die der Lebende für gewöhnlich aufgesucht hat, herumspuken. Obwohl die beiden Leiber zusammenwirken, ist ihre Macht der Beeinflussung untereinander klar begrenzt. So kann das im siderischen Leib existierende Gestirn Venus, „ungreiflich“ und ohne elementischen Leib, nicht als „anzünderin“ der Begierden im elementischen Leib wirken.
„wie kan dan der ungreiflich den leiblichen regiren […] wie kan geist fleisch und blut machen […] iegliches hat sein besonder creation und ist noch ein ding.“
Neben den beiden Leibern gibt es auch noch den ewigen, in dem am Jüngsten Tag die Auferstehung erfolgt. Jeder der drei Leiber hat seine eigenen Regeln: „drei doktrinen, also brennen drei liechter im menschen, also sind drei doktrinae im menschen, also in den drei ist der mensch perfekt“.
Auch schon im ersten Buch der „Astronomia magna“ wird der Ausdruck „Geist“ relativiert, indem der elementische Körper als „geist, der fleisch und blut ist“, bezeichnet wird. Im zweiten Buch steigert sich dieser Gedanken hin zur Feststellung „dinge seind alle geist“, da letztlich alles seinen Ursprung in Gott habe.
Im zweiten Buch soll das Mysterium der Auferstehung der Seele in Fleisch und Blut erläutert werden. Paracelsus geht aus von dem biblischen Schöpfungsbericht, nach dem der Mensch aus Erden geformt und anschließend durch „Einblasung“ des Geistes belebt wurde. Auf Erden sind „fleisch und geist ein wesen“, wobei der Geist dem Fleisch „eingegeben“ worden ist. Neben diesem unsterblichen göttlichen Geist, der „bei uns allen ein ewigs liecht“ darstellt, existiert der bereits erwähnte siderische Geist, der die menschliche Vernunft und die irdische Weisheit aus dem Firmament vemittelt. Als dritte Form des Geistes ist noch ein „fleischlicher geist“ aufgeführt, dessen Zuständigkeitsbereich offenbar die elementarsten Triebe umfasst und der auch der „teuflische“ Geist genannt wird. Jeder dieser Geister birgt eine spezielle „tugent“ in sich und vermittelt drei Arten von Weisheiten. Die individuelle menschliche Seele entsteht bei der fleischlichen Empfängnis durch ein von Gott ausgehendes Wort. In ihr wohnen „alle geist, gut und bös.“ Paracelsus bringt hier die „compositione humana“ auf folgende Formel:
“leib ist haus der sel, sel ist haus der geisten“.
Damit der Mensch sich von den Engeln unterscheidet, soll er am jüngsten Tag nicht als Geist, sondern in Fleisch und Blut auferstehen. Dieser Körper ist der „ewige Leib“ der Seele. Für diesen ist Jesus gestorben; sein Fleisch war vom heiligen Geist empfangen und vom heiligen Fleisch (Maria) geboren nach der Ordnung einer „neuen geburt“. Für die Menschen ist die Jungfrauengeburt ersetzt durch die Taufe, bei der der heilige Geist die Menschen in die neue Geburt inkarniert. Genährt wird der ewige Leib durch das sich wiederholende Abendmahl.
Abgesehen von diesen komplexen Verflechtungen wird das Verständnis der paracelsischen „compositione humana“ durch den Umstand erschwert, dass keine klaren Definitionen für Leib, Seele und Geist geliefert werden. Was jeweils unter diesen Begriffen verstanden wird, muss aus dem Zusammenhang erschlossen werden. Deutlich wird die Unterscheidung zwischen körperlich, siderisch und ewig, die als Attribute von Leib, Geist, Weisheit und Tugend dienen. Der ewige Leib und der göttliche Geist werden offensichtlich mit der unsterblichen Seele assoziiert, während siderischer Leib und Geist, die Empfänger und Vermittler irdischer Weisheiten, als das trichotome Element „Geist“ verstanden werden können. Der Körper ist letztlich das sichtbar handelnde Objekt, das seinerseits einem „viehischen“, körperlichen Geist unterlegen ist, wenn der Mensch seinen göttlichen Geist ignoriert.
Hervorzuheben ist, dass keinerlei Gleichsetzung oder Vergleiche bezüglich der Trichotomie und den drei Prinzipien formuliert werden.
Während die Herleitung der Prinzipien aus der Trinität den Zweck erfüllt, die Dreiheit in der Gotteslehre zu verankern, scheint eine Parallelisierung der Trichotomie mit den drei Prinzipien für Paracelsus nicht sinnvoll gewesen zu sein. Vielmehr betreffen die drei Prinzipien nur ein Element der Trichotomie, den menschlichen Körper, der eben aus diesen dreien bestehend gedacht wird:
„der greifliche ist der leib, der unsichtbar das gestirn, das greiflich ist gesetzt aus drei stücken sulphure, mercurio und sale“.
Paracelsus Rezipienten belegen eine Gleichsetzung der drei Prinzipien mit der Trichotomie durch eine Textstelle aus der „De natura rerum“. Der Paracelsusexperte Karl Sudhoff hält allerdings das 1571 erstmals gedruckte Werk trotz des auf 1537 datierten Vorwortes für kein echtes paracelsisches Werk.
Vielmehr meint er in dem Verfasser einen Spötter zu erkennen, dem zwar paracelsisches Wissen zu Eigen war, der aber in Form der „De natura rerum“ eine „mystifizierende Persiflage im Tone kleiner Wichtigtuer“ zum Besten gab, um sich über diverse Paracelsisten lustig zu machen. Dort heißt es:
„Auf das aber solch drei underschitliche substanzen recht verstanden werden, die er vom geist, sel und leib redet, sollt ir wissen, das sie nichts anders als die drei principia bedeuten, das ist mercurium, sulphur und sal, daraus den alle siben metalle generirt werden. der
mercur aber ist der spiritus, der sulphur ist anima, das sal das corpus, das mittel aber zwischen dem spiritus und corpore, davon auch hermes sagt, ist die sel und ist der sulphur der die zwei widerwertigen dinge vereinbaret und in ein einiges Wesen verkeret.“
Der Stil der „De natura rerum“ hebt sich durch Einfachheit und Deutlichkeit von dem üblichen typisch paracelsischen Stil ab. Das platte Gleichsetzen der drei Prinzipien mit der Trichotomie (Körper/ Seele/ Geist) könnte durchaus eine scherzhafte Nachahmung alchemistischer Philosophien sein, deren Verfasser mit Vergleichen und Identifizierungen nicht sparten. Gleichwohl verhalf diese Formel durch ihre Griffigkeit der Drei Prinzipien Theorie dabei, wahrgenommen und zitiert zu werden.
2.3. Die paracelsische Materietheorie
Die Ursache für Erscheinung und Funktion eines jeglichen Teils der Schöpfung wird bei Paracelsus mit den drei Prinzipien erklärt. Ausführlich dargelegt wird dies in der schon erwähnten „Philosophia de generationibus“.
Dieses Werk ist in vier Bücher aufgeteilt, die jeweils die in einem Element geborgene Schöpfung beschreiben, welche als „Früchte“ des Elements bezeichnet werden. Die vier Elemente sind in diesem Zusammenhang als vertikal geschichtete kosmische Zonen zu verstehen.
Dies entspricht dem neuplatonischen Weltbild, das bei Paracelsus in seiner detaillierteren Auslegung eine spezielle Färbung erhält. Die oberste Zone ist hier der „Himmel“, der mit der Luft assoziiert wird und als Sitz Gottes keine „Früchte“ hervorbringt. Darunter liegt das „Firmament“, in dem sich die Sterne befinden und welches mit dem Element „Feuer“ in Verbindung gebracht wird. Die beiden unteren Elemente sind die „Erde“ mit den Pflanzen und das „Wasser“, als „Mutter“ der Steine und der hier als Minerale bezeichneten Metalle. Zur Ergänzung zitiere ich aus dem schon erwähnten „Liber de meteororum“, das die Entstehung des Wetters behandelt.
Wie bereits erwähnt, wird die „prima materia“ schon in ihrem Anfangsstadium aus den drei „Ersten“ (Prinzipien) bestehend gedacht. Ebenso sind die Elemente ihrerseits ohne die drei „Ersten“ nicht existenzfähig:
„[…] der sulphur, der mercur und sal, on die drei ist kein element […],
nicht das sie es vom element nemen, sondern das element von
inen“.
Im folgenden werde ich die Früchte der drei unteren Elemente vorstellen, wodurch die aus den drei Prinzipien entwickelte Materietheorie des Paracelsus deutlich wird.
In dem mit Feuer assoziierten Firmament existieren Sterne, die originellerweise die verschiedenen Wettererscheinungen und auch Jahreszeiten hervorrufen. Wetter entsteht in jeweils speziellen Sternen als „Auswurf“. Die Unterschiede der Regen-, Schnee-, Donner- (etc.) Sterne lassen sich unter anderem an den in ihnen individuell verschiedenen immanenten „Ersten“ festmachen. Während die Ersten der Regensterne beispielsweise „ein wasser natur seind und sonst nichts in inen haben als alein die wasser natur“ sind die Schneesterne „von kalten dreien ersten“.
Darüber hinaus stellen die einzelnen Wettererscheinungen die Reaktionen der speziellen Ersten untereinander dar. Der Schnee „ist ein weisser sulphur, der coaguliert sich durch sein salz und mercurium, wie dan der sehne ist und falt also herab stückweis auf die erden“ Dynamischer ist die Entstehung des Blitzes beschrieben: “am ersten sie [die Sterne] zerlassen den sulphur, darnach den salniter darinnen mit kleiner wermi, zum letzten den mercurium“. Sobald dieses Gemisch aus den Sternen an die Luft tritt,
„heben an under inen die drei zu contrariren, also, das sich der Nitrum aufbaumpt im sulphure, wil im selbigen nicht sein, dan es sind feuri massen, sie drei ineinander.[…] so oft er ein aufblen tut, so erschüt er die massam in ein ertbidmen, also das das gewülke sich
auftut, und schlegt von im ein wetterleucht, das ist ein feuerstrimen von der massa auf die erden .“
Das „Liber de meteororum“ führt zur Veranschaulichung der Ausführungen gerne „irdische exempel“ an, so auch im Bezug zu dem Wind, der mit Büchsenpulver verglichen wird:
„also ist das auch wie ein büxenpulver sulphur, sal und mercurius,
dem niemants nicht widerstehen mag. und wiewol es nicht feur ist,
nicht reucht, nicht schnellt, so ist es doch ein etherisch büxenpulver,
das da kompt aus den cavernis und emunctoriis der cataracten
der vulkanischen wintsternen. und ist also ein windischer salpeter,
sulphur und mercurius, die alle ding vollbringen wunderbarlich.
und one die drei species ist unmöglich das geschehen möge, aleine
mit der underscheit, das das eine ist nach irdíscher natur, das ander
nach etherischer art und eigenschaft.“
Die Wirkkräfte der drei Prinzipien sind selbstverständlich auch in Pflanzen aktiv. Diese sind Thema des dritten Buchs der „Philosophia de generationibus“ als Produkte des Elements Erde. Erhalten ist eine ausführliche Abhandlung über Bäume, eine weitere über Gemüse und Korn und unvollständige Ausführungen über Kräuter und Pilze.
Unter den drei Prinzipien spielt der sulfur eine hervorgehobene Rolle. Er ist verantwortlich für die äußere Gestalt der Pflanze: „diese beum und andere von sulphure das holz nemen, rinden und alle bletter, blumen und frücht, doch alles in der gestalt, das der sulphur mancherlei ist in seinen dreien ersten des elements terrae“. Desweiteren verleiht der sulfur den Pflanzen ihre Farben. Bei Obst steht der sulfur in Verbindung mit dessen Substanz und Geschmack. Obgleich mercur die Heilkraft einer Pflanze bewirken soll, wird er deutlich seltener erwähnt als der sulfur. Auch die Wirkung des Alkohols wird dem mercur zugeschrieben: „im ribes ist da kein geschmack im blüe, bletter und alein die süsse im beri. in disen ist der liquor mercu rii, darumb sie den harn wenden und trunken machen aus kraft mercurii narcotici“.
Vergleichsweise einseitig ist die Aufgabe des Salzes. Dieses hat einzig und alleine die Funktion, Form und Wirkung der anderen beiden Prinzipien zu verfestigen.
Bestimmte Gemüsearten unterscheiden sich durch den Mengenanteil der einzelnen Prinzipien, ein neuer Gedanke, da bisher der qualitative und nicht der quantitative Unterschied der jeweiligen „Ersten“ die Spezifität ausmachte: „die erbissen seind von vil sulphure und wenig sale und mercurio, der habem vil salz, weniger mercurii und viel sulphur, die bonen aus allen dreien gleich gesezt“.
Als „Früchte“ des Wassers werden schließlich neben den Steinen ausführlich die Metalle thematisiert, auf die ja auch ursprünglich die mittelalterliche Zwei Prinzipien Theorie bezogen war. Verschiedene Metalltypen unterscheiden sich auf Grund der unterschiedlichen Zusammensetzung durch die drei „Ersten“, wobei sowohl auf Qualität als auch auf Quantität der einzelnen Prinzipien hingewiesen wird. Gold und Silber sind z.B. aus den Reinsten der drei Ersten, wobei Silber ein „weißes“ und Gold ein „braunes“ Wesen verkörpert. Kupfer und Eisen unterscheiden sich unter anderem durch die Mengenanteile der Ersten. Beide bestehen aus viel Salz und wenig Schwefel, der Unterschied liegt im mercur, der im Eisen ebenfalls in großen Mengen Vorhanden ist, im Kupfer hingegen mengenmäßig zwischen sale und sulfur liegt.
Für fast jedes Metall wird erläutert, welches Prinzip für seine spezielle Farbgebung zuständig ist, wobei die einzelnen Ersten bei verschiedenen Metallen verschiedene Farben hervorrufen können. Im Weiß des Silbers sieht Paracelsus bspw. ein vom Salz verursachtes Blau und ein vom mercur hervorgerufenes Grün. Das Braun des Goldes hingegen ist ein Gemisch aus einem Purpur des Salzes, einer durchscheinenden Röte des Schwefels und einem Gelb des mercurs. Neben den Farben sind die drei Ersten selbstverständlich auch für grundlegende Eigenschaften wie Schwere, Grobheit, Fluss, Härte etc. zuständig. Geläufig ist bereits die Zuständigkeit des Salzes für die „coagulation“, die materielle Verfestigung eines Objekts. Diese wird auch hier im Bezug zu Eisen und Blei erwähnt, und zwar in einem Atemzug mit der Verantwortlichkeit des mercurs für „Geschmeidigkeit“. Diese könnte gleichbedeutend mit der Masse oder Schwere sein. Die Schmelzbarkeit, der „Fluss“ kommt nicht in Frage, weil dieser, wie im Falle des Bleis, durch den Schwefel verursacht wird: „der .mercurius gibt geschmeidigkeit, das salz die coagulation, der sulphur den fluß und tinktur.“
Im Falle der Steine sind die quantitativen Mengenverhältnisse der drei Ersten nicht als ausschlaggebende Spezifitätsursache angeführt; wohl aber ihre qualitativen Unterschiede, die sich durch mehrere Abstufungen der „Grobheit“ festmachen lassen. Farben sind auch hier bei verschiedenen Objekten durch jeweils verschiedene Erste verursacht. Auf diese Weise werden hier Kiesel, Marmor, Alabaster, Schiefer etc. beschrieben. Edelsteine haben ihren „corpus“, ebenso wie die Metalle aus dem mercur, der ihnen Glanz und Schwere verleiht: „dan der mercurius ist aller gemmen corpus, darumb sie sollen schwer sein und kalt in allen stucken“.
Der letzte Abschnitt behandelt die Mineralien, die Paracelsus nicht den Steinen und nicht den Metallen zuordnet, nämlich Salpeter, Federweiß, Ocker, Arsen, Auripigment etc.
Wie die Auszüge aus der „Philosophia de generationibus“ zeigen, liegt der Vorteil der drei Ersten in ihren vielfältigen Reaktionsmöglichkeiten, die in chemischen Termini ausgedrückt, die Spezifität der einzelnen Objekte bzw. die Entstehung des Wetters betonen können. Die hier beschriebenen Reaktionen spiegeln die praktischen Erfahrungen des Paracelsus aus dem alchemistischen Laboratorium; es geht um Resolvierung, Koagulation, Disolvierung etc. also die Umwandlung von Stoffen. Ergebnis dieser Reaktionen sind die Objekte selbst, deren spezielle Eigenschaften dem Wirken der einzelnen Prinzipien zugeschrieben werden.
Abgesehen von dem „Salz-Prinzip“, welches durchgängig in erster Linie für die Verfestigung der durch die anderen beiden Prinzipien vorgegebenen Form, Substanz etc. zuständig ist, ist eine eindeutige, allgemein gültige Zuordnung von Aufgabenbereichen zu den Prinzipien nur in einem weiten Rahmen möglich. Eine Schlüsselstellung nimmt bei Steinen und Metallen der „corpus“-Begriff ein, der bei bestimmten Gruppen entweder durch den Schwefel oder durch den mercur, in einzelnen Fällen auch durch das Salz bestimmt sein kann. Für die Pflanzenwelt nimmt der Schwefel eine herausragende Stellung ein, indem er dort für Form, Gestalt, Farbe u.a. zuständig ist.
Hier fällt der „corpus“-Begriff fast überhaupt nicht, so dass der „corpus“ vor allem für die, wie wir heute sagen würden, „tote“ Materie von Bedeutung zu sein scheint. Gleichzeitig steht der Schwefel offenbar in enger Beziehung zu der lebendigen Pflanzenwelt.
Die Zuordnungen gehen ins Detail und sind in erster Linie assoziativer Art. Die „Ersten“ haben eine große Bandbreite möglicher Spezifitäten, die letztlich beliebig viele Reaktionsmöglichkeiten offen lassen. Die Stoffe Quecksilber, Schwefel und Salz eignen sich insofern für die paracelsische Materietheorie, als dass alle drei in vielen Varianten mit einer breiten Palette chemischer Eigenschaften existieren.
- Der menschliche Körper und seine Krankheiten (Mikrokosmos)
3.1. Aufbau und Funktionsweise des menschlichen Körpers
Der Mensch und seine Krankheiten bilden das Hauptinteresse des Arztes Paracelsus. Die Kosmologie, das gesamte Gedankengebäude um Aufbau und Funktion der Welt und ihrer fassbaren Erscheinungen haben für Paracelsus letztlich das Ziel, den Menschen und seine Krankheiten zu begreifen.
Der Mensch wird als Abbild des Makrokosmos verstanden: Durch diese Logik ist die Drei Prinzipien Theorie auf den menschlichen Körper übertragbar. Die Verankerung seiner neuen Theorie in der Medizin geht bei Paracelsus einher mit einer vehementen Polemik gegen die zeitgenössische Qualitäten- und Humoralpathologie, die im scholastischen Abendland und sogar über die Renaissance hinaus bestimmend auf die Konzepte der Medizin wirkte.
Die Vorstellungen über die Funktionsweise des menschlichen Körpers waren eng mit den mittelalterlichen alchemistischen Theorien verknüpft und hatten ihren theoretischen Ursprung in der Antike. Die ersten Hinweise auf die Qualitäten- und Humoralpathologie findet sich in der Schrift „De natura hominis“. Diese ist ein Teil des „Corpus Hippocraticum“, eine nach dem um 450 v. Chr. in Griechenland wirkenden Arzt Hippokrates benannten Schriftensammlung. Die vier Säfte Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle sind demnach die Hauptbestandteile des menschlichen Körpers; definiert sind sie durch die Qualitäten warm, kalt, trocken und feucht. Gesund ist ein Körper, wenn die vier Säfte mit ihren jeweiligen Qualitäten in einem ausgewogenen Mischungsverhältnis stehen. Diese Theorie ist zentraler Bestandteil des Konzeptes von Galen, der im zweiten Jahrhundert die antiken naturphilosophischen Strömungen der Antike in einem Gesamtkonzept zusammenfasste.
So wenig wie von der gängigen sulfur-mercur Theorie hielt Paracelsus etwas von der Humoralpathologie, wie es eindringlich im „Paragranum“ von 1530 ausgedrückt ist:
„wiewol die philosophei von Aristotele, Alberto etc. beschriben ist,
wer wil aber glauben den lügnern, die do nicht aus der philosophei
reden, das ist aus dem liecht der natur, sondern aus der fantasei
gleich wie sie haben erdacht in der medicin vier humores, choleram,
phlegma etc., also haben sie auch hie mit der philosophei
gedacht die lügen mit mercurio und sulphure; wie sich eins nimpt
also auch das ander.“
Die vier Elemente als Teile des Menschen hingegen lässt Paracelsus gelten, da diese den Kosmos bilden, dem der Mensch nachempfunden ist: „der mensch ist gebildet nach der großen welt, also das er hat die vier elementen wesentlich in im“ und „solches sol der arzt
verstehen von der ursach wegen, das er nicht die qualitates und humores anzeig, sondern die elementen als müter und ire procreationes als species, nicht humores“.
Um 1527, auf dem Höhepunkt seiner akademischen Karriere als Dozent an der Basler Universität, stellte Paracelsus erstmals seine Drei Prinzipien Theorie vor. In den zu dieser Zeit entstandenen „Elf Traktat“ betont Paracelsus, dass der Mensch „in die vier element gesezt“ ist; „in“ ihnen und „aus“ ihnen heraus lebt er, aber nicht „durch“ sie, da er nicht „von“ ihnen gemacht ist. Jedes Element „stet in dreien dingen: mercurio, sulphure und sale“, genau wie letztlich auch der menschliche Leib. Paracelsus legt besondere Betonung auf die Beobachtung und Erforschung der Himmelsphänomene, sowohl auf den Lauf der Sterne als auch auf Wettererscheinungen. Denn die Projektion des Makrokosmos auf den Menschen schließt auch den Himmel mit ein, der demzufolge auch im Menschen existiert. „der leib ist in die vier elementen gesezt, die sind auch underworfen dem himel, so dan im leib ist“. Die Sterne und das Firmament im Mikrokosmos Mensch sind für Paracelsus ausschlaggebende Faktoren für die Funktionsweise des Leibes. Wobei der obere, makrokosmische Himmel nicht beeinflusst, sondern nur seine Entsprechungen im Menschen hat. Deshalb sollte ein Arzt Kenntnisse über die firmamentischen Sterne erlangen, um Wissen über die Sterne im Menschen zu bekommen: „der astronomus der aus dem eußern planeten judicirt die nativiteten, der irrt, dan sie tunt nichts im menschen: der inner himel mit seinen planeten der tuts, der eußer demonstrirt und ist ein zeiger des innern“.
Die Qualitäten der herkömmlichen Theorie werden bei Paracelsus mit entsprechenden Planeten assoziiert und sind damit für die Diagnose überflüssig:
„aber so mag kein Arzt sprechen, er ist kalt oder trocken, dan das
wer beurisch, aber sagen, er ist saturnisch und des selbigen natur in
der eigenschaft der irdischen corporum, so weit es den physicum
corpus antrifi, erkennen, fiírhalten und anzeigen.“
Die theoretische Kernidee des neuen Medizinverständnisses jedoch sind die drei Prinzipien in ihrer Funktion als „Substanzen“. Während die Grundlage der traditionellen Humoral- und Qualitätenpathologie auf den dichotomen Gegensätzen zweier Paare beruht, schöpft Paracelsus aus den Reaktionsmöglichkeiten seiner drei Prinzipien. Diese haben einen anderen Charakter als Säfte und Qualitäten. Nicht mehr die auf Gegensätzen beruhenden Kräfte der vier Elementarqualitäten, sondern substantielle Ursachen sind Thema der neuen Pathologie.
Im folgenden stelle ich die funktionale Zuständigkeit der „Drei“ im gesunden Körper dar.
In der Schrift „Von den ersten drei essentiis“ (ca 1527) ist von der Prädominanz jeweils einer der drei Substanzen in speziellen Körperteilen die Rede. Der mercur bevorzugt Bänder, Arterien, Knochen und Nerven, steht also in Verbindung mit der Beweglichkeit des Körpers. Der sulfur überwiegt in inneren Organen. Das Salz, dessen Funktion eingehend erläutert wird, prädominiert im Verdauungstrakt.
In den „Elf Traktat“ wird die purgierende, also reinigende und austreibende Wirkung des Salzes betont. Paracelsus unterscheidet zwei Arten von Salzreaktionen: die „operatio extincta“ (die auslöschende, ausführende) und die „operatio re“ (die transmutierende, verändernde). An der Verdauung sind dementsprechend zwei Salze beteiligt; das „sal rei“, das die Nahrung in Kot verwandelt und das „Sal naturae“, welches das Produkt abführt; “darumb one salz kein stulgang geschehen mag“. Eingenommen purgieren gröbere Salze, indem sie Erbrechen verursachen, während subtile Salze ins Blut gelangen können, um mit dem Schweiß herauszutreten. Der Urin an sich besteht nur aus überflüssigem Salz.
Grundsätzlich alles, was aus dem Körper tritt, ist durch das Salz abgeführt auch die Ausflüsse aus Augen, Ohren und Nase: „also sind alle egest (Auswürfe) durch das salz ausgetriben phlegma (Schleim), durch die nase, das aus den oren durch die augen und in ander weg“. Jedes Organ hat ein spezielles, dieses reinigende Salz: „eins purgirt stomachum wan es kompt aus dem stomacho archei, eins purgirt das milz, wan es kompt aus dem milz archei. Also auch mit cerebro (Hirn), iecore (Leber), pulmone (Lunge) und mit andern“.
Ebenso wie sich die „Früchte“ der Elemente im Makrokosmos durch ihre individuellen drei Prinzipien auszeichnen, so haben auch verschiedene Organe und Glieder jeweils eigene Substanzen. Deutlich ausformuliert wird dies im „Opus Paramirum“:
„aus dem sulphur wechst der corpus, das ist der ganz leib ist ein
sulphur, und ist also ein subtiler sulphur, das in das feur hinnimpt
und verzert wird on sichtlichkeit. Nun sind der sulphura vil: das
blut ein anderer sulphur, das fleisch ein anderer, die heuptglider ein
ander sulphur, das mark ein ander und also fort, und also es ist
sulphur volatile. die gebein, wie ir dan auch mancherlei sind, sind
auch sulphura aber vom sulphure fixo […] num ist aber die conge-
lation (Gerinnung) des corpus aus dem salz; das ist on das salz wer
nichts greiflichs da. […] daıumb so ist einander sal in beinen, ein
anders im blut, ein anders im fleisch, ein anders im hirn und der
gleichen. […] also ist nun der dritt der mercurius, derselbig ist der
liquor. alle corpora haben ire liquores, darin sie stent, also das das
blut ein ander liqorem hat, das fleisch, das gebein, das mark.“
Wie bei den Metallen und Steinen schon deutlich wurde, ist auch hier das Salz für die Verfestigung zuständig; während der mercur, hier auch „liquor“ genannt, als Flüssigkeitsprinzip angesprochen wird. Die Aufgabe des sulphurs, der unsichtbar verbrennt, erinnert an Verbrennungsvorgänge im menschlichen Körper, die diesen am Leben erhalten. So ist an einer anderen Stelle im „Opus Paramirum“ von einer Anatomie des Menschen die Rede, die „den lebendigen sulphur, den laufenden mercur, das reße (bittere) sal in einem iedlichen glid“ zeigt.
Während das Salz für die materielle Körperlichkeit zuständig ist, scheint der corpus-Begriff im Bezug zum sulphur vielleicht mehr die „Idee“ eines Körpers, seine Form und Funktion zu bezeichnen.
In der „Großen Wundarznei“ von 1535 allerdings ist der Ausdruck „greiflich“ auf den sulphur bezogen: „die drei seind der leib des menschen in dem ein ietliches glid stet: der sulphur gibet das greiflich, der liquor gibet den saft und das sal coagulirt zusamen den phisicum corpus“. lm weiteren deklariert der Text sowohl auf den menschlichen Körper als auch auf „unempfindliche“ Dinge bezogen den sulphur als „das, was brennt“ und das Salz als „das, was übrig bleibt“, so dass letztlich die Brennbarkeit bzw. die Nichtbrennbarkeit den Unterschied zwischen den beiden Substanzen ausmacht.
Die drei Substanzen des menschlichen Leibs müssen durch entsprechende Nahrung regeneriert werden:
„in dem das salz durch das salz gespeist muß werden, sulphur durch seins gleichen sulphur, liquor durch seins gleichen liquorem, […] so sie eingenomen werden durch
den archeum in den magen, der bereit nachfolgend weiter durch den vulcanum und schicken dahin sie gehören“.
Darüber hinaus haben die drei auch Exkremente, die auf individuelle Weise ausgeschieden werden: „der liquor gibt das sein durch die poros, der sulphur gibt das sein durch die intestina (Darm, Eingeweide), das sal aber gibt sein excrementum durch den harn“.
3.2. Die Krankheiten und ihre Ursachen
Krankheiten erklärt Paracelsus mit Fehlfunktionen im Zusammenwirken der drei Prinzipien. In den 1520 entstandenen „Elf Traktat“ wird diese Grundidee ausgedrückt. Der Schwerpunkt dieses umfangreichen Werkes liegt jedoch bei den auf das Innere des Menschen übertragenen „meteorischen“ Erscheinungen und „astra“ („Sterne“), die mit dem Wirken bzw. Fehlwirken der drei Substanzen verknüpft sind.
Die astra im Menschen geben ihm ihre „impressionen“, die den Leib erhalten, aber auch krankheitsverursachend wirken können, indem sie bei den drei Substanzen des Körpers entsprechende Reaktionen auslösen. Ich gebe im folgenden einige Beispiele:
Die bei Paracelsus sogenannte „Wassersucht“ (Wasser in den Gliedmaßen) wird verursacht durch Venusimpressionen, die das Salz der Glieder schmelzen, “wie die sun den schne.“ Der gelöste Salzgeist hat die Fähigkeit alles zu durchdringen; erreicht er die Herzkammer, muss der Mensch sterben. Der dabei im Mikrokosmos fallende Regen ist ein „realgarischer geist […], der do gewalt hat uber das salz, zubrechen“ .
Der Schlaganfall wird durch die im Körper stattfindende meteororische Erscheinung des „Blitzes“ erklärt. Paracelsus stellt die Entstehung des makrokosmischen Blitzes vor, der durch sulphur und Salz der entsprechenden Salz- und Sulphursterne in Verbindung mit dem firmamentischen Feuer ausgelöst wird. Das gleiche spielt sich auch im Menschen ab: „dan er ist die minder welt und aus den dreien wird der schlag „
Sehr schön bildlich ist auch die Kolik erklärt. Sie ist eine durch Winde ausgelöste Resolvierung des Salzes der Gedärme. Als solches „ist es scharpf und frißt und beißt.“ Die Kolik, auch das Bauchgrimmen genannt, ist aus drei Komponenten zusammengesetzt. Als erstes sind es die Winde, welche im Leib wüten und an sich schon Schmerzen verursachen. Daneben sind die „elementischen teil“ des Leibs zu nass oder zu trocken. Und als letztes ist es das gelöste Salz und auch „etlichs von dem sulphure; das ist nun scharf und mag on schmerzen auch nit sein“.
Die Gicht wird durch die Winter- und Sommersterne des Leibs entzündet. Ziel der Entzündung ist entweder der sulphur, der dann in der Gelenkflüssigkeit wütet „oder es zündet an die kelti, das ist den mercurium, der machte die grandines und beiden ein mitlaufendes salz“.
Die Krämpfe der Epilepsie haben ihre Ursache in dem durch einen „Ascendens“ entzündeten „sulphur vitrioli“. Diesen Ascendens benennt Paracelsus nicht näher, aber er ist anwesend im Körper und bewirkt letztlich die Krankheit. Ebenso wie der Ausdruck „astrum“ (Stern), ist auch der „ascendens“ ein aus der Sternkunde entlehnter Begriff, der ursprünglich das am östlichen Horizont aufsteigende Sternbild bezeichnet. Während der sulphur als „die materia, so im menschen ligt“ als Ursache der Epilepsie die Philosophie darstellt, ist der „anzünder […] die astronomia.“ Wo der Rauch des brennenden sulphur hingelangt, wird das jeweilige Glied bewusstlos: „wo sein rauch hinkompt, das er das selbig entschleft, nimpt im sein empfintlichkeit, nimpt im sein wesen, natur und eigenschaft, so lang sein fumus do praedomi nirt.“ Die Krämpfe an sich scheinen, wie die Erdbeben aus der Vermischung des Salzes mit dem sulphur zu resultieren: „und aber darumb das do ist der sulphur mit einem nitro und mercurio, dorumb erschüt er sich, gleich einem ertbidem, so lang bis der ascendens furkompt. […] das erschütten ist der paroxysmus, dan sein bewegung nimpt er´gleich wie der ertbidem, das auch alein ist ein Vermischung des niters und sulphurs“.
lm „Opus Paramirum“ von 1531 werden die möglichen Fehlfunktionen der einzelnen Substanzen ausführlicher geschildert. Diese Fehl- oder Überreaktíonen nennt Paracelsus „hoffart“ einer Substanz oder „wege der zerbrechung.“ Die Substanzen gehen nicht von sich aus in ihre Hoffart; es bedarf eines Anstoßes, den Paracelsus mit Hilfe des „astrum“-Begriffs beschreibt. Die Idee der auf die Substanzen wirkenden astra wird in Termini der Stoffumwandlung erläutert, entwickelt und durchformuliert. Substanzen wirken krankheitsverursachend, wenn sie ihren jeweils spezifischen astris ausgesetzt sind. Das astrum des mercur ist die Hitze bzw. die Sonne, die ihn „aufsteigen“ lässt; das astrum des Salzes ist die Resolution. Der sulphur wird durch sein Feuerastrum entzündet. „Astrum“ kann hier nur schwerlich mit dem Begriff „Stem“ übersetzt werden; vielmehr handelt es sich um einen bewirkenden Anstoß. Die Beschreibungen der „Zerbrechungen“ der Substanzen basieren offensichtlich aus Anschauungen im Labor mit den assoziierten Stoffen Quecksilber, Salz und Schwefel.
Im folgenden gebe ich die „Hoffarten“ der Substanzen wieder, wobei nicht nur die astra, sondern auch andere Ursachen aufgeführt werden.
Der Auslöser von merkurialischen Krankheiten ist die Hitze, die durch Verdauung, Körperbewegung oder ein einfallendes astrum verursacht wird. Durch die Hitze herausgetrieben, gebiert der mercur die Krankheit dort, wo er „hingerät“. Betroffen können die mit der Beweglichkeit in Verbindung stehenden Körperfunktionen sein. Die Destillation des mercurs verursacht Lähmungen, die Sublimation manische Überbeweglichkeit. Die „Praecipitation“ beeinträchtigt Gelenke und löst Gicht und Arthrose aus. Der mercur kann aber auch durch Gebein, Fleisch und Poren dringen und Pusteln, Lepra, Syphilis und Schüttelfrost verursachen.
Für die vielen verschiedenen Salze im Körper gibt es vier Reaktionen, die sie aus der Bahn bringen: die resolutio (Lösung), die calcinatio (Verkalkung), die reverberatio (Verkalkung durch Feuer) und die alcalizatio (Versalzung aus Asche oder Kalk).
Zu viel Essen „bricht die deuung, macht die partes zu geil“- Die Folge ist ein „kalter geist“, ein „wind“, der das Salz „in sein ander wesen treibt“, das letztlich durch Flüssigkeitsentzug geprägt ist, sodass eine Art Versalzung hier vorzuliegen scheint. Als zweite Ursache wird ein „gestirn“ genannt, „das in das salz fallt“ und es ebenfalls austrocknet. Die Flüssigkeit entweicht durch die Haut, die Folge sind Jucken, Ausschlag und Krätze. Hier scheint es sich sowohl um gelöstes als auch um getrocknetes Salz zu handeln. Die Reverberatio ist durch eine „Destillation“ des Salzes verursacht, deren Ursache nicht näher erläutert ist. Auch hier ist die Folge, dass zu scharfes Salz aus dem Leib getrieben wird und in Verbindung mit der Luft Hautkrankheiten verursacht, die durch „Löcher“ gekennzeichnet sind, als da wären alopicia (Fuchsräude), pustulae (Pusteln), cicatrices (Narben), condilomata, Aussatz oder Lepra. Allgemein schreibt Paracelsus über die Fehlreaktionen des Salzes: „wo sein hoffart ligt, da nagt sie und frißt […], da entspringen ulcerationes (Geschwüre), cancer, cancrena (Krebs) und so fort“.
Der hoffärtige Schwefel, so heißt es an derselben Stelle, „zerschmilzt“ den Leib. In dem den sulphur ausührlicher behandelnden Abschnitt greift Paracelsus das eingangs angeführte sulphurspezifische Feuerastrum nicht wieder auf. Ferner geht er nicht wie bei den anderen beiden Substanzen auf die Reaktionen des „zerbrechenden“ sulphurs innerhalb des Körpers ein. Auch werden weder spezielle Krankheiten noch die betroffenen Körperteile oder Organe erwähnt. Die hier gebotene Theorie hat einen modellhaften Charakter und ist an die Qualitätenpathologie angelehnt.
Vier Krankheitstypen werden durch den gestörten sulphur verursacht, die durch Feuchtigkeit, Trockenheit, Kälte oder Hitze definiert sind. Jedes der vier Elemente wiederum vereinigt in sich alle vier Qualitäten. lst der sulphur beispielsweise zu kalt, so kann dies durch den Kälteteil eines jeden Elements ausgelöst worden sein. Als Beispiel für einen zu kalten sulphur wird die „feurische kelte“ detaillierter ausgeführt, die „congelirte herte“ bei dem sulphur verursacht. Die daraus resultierenden Krankheiten gleichen Eis, Schnee und Reif. Sie werden aus den astris geboren und ihr Firmament ist das Feuer. Die Kälte des Wassers dagegen „congeliert“ (kristallisiert) nicht, sondern „coaguliert“ (verfestigt). Die Kälte der Luft ist der Wind; die Krankheiten der Kälte der Erde werden mit bestimmten „kalten“ Kräutern verglichen. Auch bei der Hitze wird für den feurischen Teil der Hitze ein „sulphurischer stern“, der mit dem Sommerstern gleichgesetzt ist, aufgeführt. Durch diesen wird der sulphur entzündet; ebenso kann der sulphur auch durch die Hitze im Wasser, durch die Hitze der Erde etc. entzündet werden. Auf ähnliche Weise entstehen die nassen und trockenen Krankheiten aus den Elementen, die im Gegensatz zu den anderen beiden Typen nur oberflächlich abgehandelt werden.
Es fehlen, wie gesagt, konkrete Benennungen der Krankheiten. Sie werden vielmehr mit diversen „Früchten“ der Elemente, wie Wettererscheinungen, Gesteinen oder Pflanzen verglichen.
Paracelsus spricht bisweilen von „salischen“, „mercurialischen“ oder „sulphurischen“ Krankheiten. Die Benennung erfolgt nach ihrer jeweiligen fehlfunktionierenden Substanz. Sind zwei fehlfunktionierende Substanzen für eine Krankheit ursächlich, so handelt es sich um einen „morbus permixtus.“ Vergleicht man die in den verschiedenen Werken analysierten Krankheiten, so lässt sich nicht immer ein einheitliches Verständnis erkennen.
Die Annahme des zerfressenden Salzes als Ursache von Verdauungskrankheiten ist in „Von den ersten drei essentíis“, in den „Elf Traktat“ und in den „Bergkrankheiten“ nachweisbar, wobei in letzterem Werk das Gift Alkali mit dem Salz assoziiert wird. Im „Opus Paramirum“ liegt die Betonung der salischen Krankheiten im Bezug auf Hautkrankheiten. Auch die „Wundarznei“ sieht bei nicht heilenden Wunden eine Fehlfunktion des Salzes am Werk.
In „Von den ersten drei essentiis“ gehören Syphilis und Geschwüre zu den „merkurialischen“ Krankheiten. Der Prototyp der merkurialischen Krankheiten jedoch sind die, wie im Opus Paramirum definiert, die Beweglichkeit einschränkenden Gebrechen. Im „Von den ersten drei essentiis“ werden die Krankheiten der Bänder, Nerven, aber auch der Arterien genannt. Die „Elf Traktat“ und die „Bergkrankheiten“ assoziierten die Gicht mit dem mercur. Einzig in den Bergkrankheiten werden durch die mercurialischen Dünste ausgelösten Formen des Irrsinns, die Diabetes und die Schwindsucht genannt.
Hinsichtlich der sulphurischen Krankheiten ist für mich kein deutlicher roter Faden erkennbar. Das „Opus Paramirum“ verzichtet auf Zuordnungen und spricht nur von dem „Zerschmelzen des Leibs“; „Von den ersten drei essentiis“ versteht darunter Krankheiten der inneren Organe. Die „Elf Traktat“ setzen sie in Zusammenhang mit den ebenfalls Salz bzw. mercur betreffenden Krankheiten Kolik und Fußgicht. Die hier mit sulphur in Verbindung gesetzten Erkrankungen Schlaganfall und Epilepsie deuten auf eine Assoziation mit schnell und heftig auftretenden Leiden hin.
Die Uneinheitlichkeit der Zuordnungen erinnern an die auch schon im Bezug zu den Wettererscheinungen und anderen „Früchten der Elemente“ im Abschnitt 2.3. aufgetretene Relativität in den paracelsischen Erklärungen für Vorgänge der Natur. Auch hier möchte ich dafür ein ähnliches Deutungsmuster anführen, das darauf abzielt, die Intention der paracelsischen Theorien nicht in starren, schematischen Zuordnungen zu sehen. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der Idee, „substanzielle“ Erklärungen in Form von Reaktionen und Verflechtungen der drei Substanzen in Naturvorgängen zu suchen.
- Die drei Substanzen als Medikamente und in der spagyrischen Kunst 4.1. Die drei Substanzen als Medikamente
Die auf der klassischen Humoralpathologie beruhenden mittelalterlichen Therapien fußten auf der Anwendung von Medikamenten, die hinsichtlich ihrer Qualitäten als der Krankheit entgegengesetzt verstanden wurden. Grob gesagt hieß das, dass bei „kalten“ oder „trockenen“ Krankheiten „warme“ oder „feuchte“ Medikamente verabreicht wurden.
Paracelsus hingegen proklamierte eine andere Theorie, die zwar Hippocrates auch schon formuliert hatte, die aber im Laufe des Mittelalters von gelehrten Ärzten venachlässigt worden war. Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass „Gleiches durch Gleiches“ geheilt wird, eine Idee, die auch der modernen Homöopathie zu Grunde liegt. Eingebettet in das paracelsische Verständnis von Krankheiten als Fehlfunktionen der drei Substanzen, ist es naheliegend, die drei Substanzen bzw. ihre Präparate als Medikamente anzuwenden.In diesem Abschnitt stelle ich nur die auf der Drei Substanzen Theorie aufbauenden Therapien vor; die Vielzahl von paracelsischen Präparaten, bei denen ich diesen Bezug nicht feststellen kann, sind nicht Gegenstand der Untersuchung.
Am deutlichsten ist dieser Bezug im Traktat „Von den ersten drei essentiis“ formuliert: „es gehet die cura durch das das den morbum (die Krankheit) generirt hat“. Die im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen salischen, sulphurischen und mercurialischen Krankheiten werden also durch die entsprechenden Substanzen geheilt.
Verdauungskrankheiten können mit Salz behandelt werden, welches „rectificirt“ (den „Geist“ von Materie befreit), das im Magen gelöste Salz von dem festen Salz trennt und die Verdauungsfunktion ausgleicht. Danach „folgt cura sulphurea als ein confirmation der
operirung im salz“. Auch die Gelbsucht, als das von der „Gelbe“ herausgeschwitzte Salz „muß durch seins gleichen hindan getrieben werden“. Der Ingwer z.B. wirkt durch „das salz aus welchem corpus er gemacht ist“ schweißtreibend. Generell beziehen die „mundificativischen“ (reinigenden) Mittel ihre Wirkung aus der „kraft des salzes“. Bei der Wassersucht als „morbus permixtus“ können „die medicin der salium aus der leber“ die Fäule beseitigen. Vervollständigt wird auch hier die Kur durch den sulphur, der den Ursprung der Krankheit beseitigt. Die Lähmung nach dem Schlaganfall wird durch den sulphur in Verbindung mit dem mercur geheilt, da hier der „sulphur corporale“ lädiert ist. Als eigenständige Kur wirkt der sulphur bei Krankheiten der inneren Organe: „der sulphur lindert membra interiora (innere Glieder), scilicet (nämlich) cor (Herz), hepar (Leber), cerebrunn (Hirn), renes (Niere), und deren krankheiten sollen sulphurisch heißen, dan in inen ligt substantia sulphurae“.
Gegen die „morbi ligamentorum (Krankheiten der Bänder), arteriarum, iuncturarum (Gelenke), articulorum (Gicht) und dergleichen“ hilft der mercur. Als Medikamente gegen Syphilis sind verschiedene mercur- Arten aufgeführt: „etliche pustulae ligent sub mercurio metallino, etlich sub mercurio xylihebeni (mercur des Ebenholzes), etlich sub mercurio antimonii“. Die „incarnativischen“ („fleischmachenden“) Mittel beziehen ihre Kraft aus dem mercur und kommen bei der Wundbehandlung und gegen Geschwüre zum Einsatz. Desweiteren scheint mercur auch auf Krankheiten anwendbar zu sein, die durch „fehlfunktionierendes“ Salz gekennzeichnet sind: „darumb sollen die liquores mercurii erkent werden, dan er ist der, der do heilet das jenig das sein eigen salz zerbricht“. Der Schwerpunkt in diesem Traktat liegt auf den heilenden Wirkungen der verschiedenen mercur -Bereitungen.
Der vermutlich ebenfalls 1525 entstandene „Herbarius“ liefert einen Abschnitt über die Anwendung und Präparationen von Salzen neben Ausführungen über die Heilkräfte von Pflanzen. Das Salz ist hier nicht im Zusammenhang mit der Der Prinzipien Theorie als „dritte“ Substanz erwähnt; seine Anwendung jedoch bezieht sich zum größten Teil auf die als „salisch“ verstandenen Krankheiten. Paracelsus betont hier die Wichtigkeit des Salzes in Speisen und Arzneien. Im Essen hilft das Salz bei der Verdauung und stärkt den Leib gegenüber Krankheiten. In der Wundbehandlung säubert Wasser mit wenig Salz die Wunden und schützt damit vor Fäulung und Würmern. Ein Bad in dickem Salzwasser hilft durch seine ausdörrende Wirkung gegen Gicht und geschwollene Schenkel; durch seine reinigende Kraft gegen eine Vielzahl von Hautkrankheiten. Die zweite Hälfte des Abschnitts beschreibt die verschiedenen Zusätze für die Behandlungen und die Präparierung von komplexen „salischen“ Medikamenten.
Das wahrscheinlich etwas später verfasste „Von den natürlichen Dingen“ ist in einem ähnlichen Stil gehalten. Neben dem Salz ist hier auch die Wirkung des Schwefels beschrieben. Beide werden in Beziehung zu den drei „stück“ gesetzt. In dem Zusammenhang wird ein neuer Aspekt der drei Substanzen formuliert. Demnach werden Menschen durch die Nahrung erhalten, wobei der sulphur durch „brennende speis“, also durch feste Nahrung, der mercur durch „feuchte speis“, also Getränke und das sal durch das Salz im Essen erhalten werden. Die Anwendungsgebiete des Salzes entsprechen den schon im „Herbarius“ beschriebenen, als da wären Verstopfung, „feuchte“ Krankheiten, wie Gicht und Schwellungen, Wunden sowie Hautkrankheiten. Neu ist eine Einteilung der Salze in die drei Typen Meerwasser, Süßwasser und Salzerze. Als das heilsamste Salz ist das Brunnenwasser mit seinem „gesottenen“ Salz aufgeführt. In dieser Schrift nimmt die Hälfte des Abschnitts über das Salz die Beschreibung der Salzpräparate mit Bezugnahme auf Alkali, Salniter und Salpeter ein.
Den Schwefel nennt Paracelsus in der detaillierteren Ausführung „ertharz“; hier werden seine Anwendungen in Medizin und Alchemie beschrieben. Der Schwefel ist jedem Metall und jeder Pflanze inhärent, seine Isolierung erfolgt durch die „separirkunst“. Paracelsus spricht von dreierlei Schwefeltugenden. Die erste nennt er „embryonatum“, in der der „spiritus arsenici“ mitläuft. Aus dem Vitriol gewonnen wirkt diese Schwefeltugend narkotisierend, also schmerzstillend. Als solche kann sie einer medizinischen Behandlung vorangestellt werden; als stärkende Kraft kann sie eine Kur aber auch beschließen. Allgemein gibt der sulphur embryonatum ein langes Leben und Widerstandskraft. „er ist ein unsichtbar feur, das auch verzert die krankheit“. Die beiden anderen Schwefeltugenden teilt Paracelsus in den „mineralischen“ und den „metallischen“ sulfur. Der mineralische sulfur schützt vor Pest, Lungenentzündung, Geschwüren und Fäulung. Speziell der aus dem Vitriol gewonnene sulfur schützt vor Fieber und Epilepsie und hilft bei Husten und Schuppenflechte. Der metallische sulfur hat die Wirkung des jeweiligen Metalles, aus dem er gewonnen wurde. Das letzte Viertel des Abschnitts beschreibt die Gewinnung der verschiedenen Schwefeltugenden. Soweit ich das beurteilen kann, bezieht sich dieser Abschnitt über die Heilwirkungen des Schwefels auf das in jedem Objekt vorhandene Sulfur-Prinzip und nicht auf den Schwefel als Stoff. Bis auf die Epilepsie und Husten sind die Anwendungsgebiete in anderen Werken nicht als „sulphurische Krankheiten“ aufgeführt.
In der Schrift über die „Bergkrankheiten“ von 1534/35 wird die Heilwirkung der „Salzdünste“ gelobt: Das Salz „resolvirt (löst) die phlegmata (Schleim), den mucum (Nasenschleim) und apostemata (Abzesse)“ des Hims und der Lunge. Also „dieselbigen ding in im, die zum husten, keichen, völli dienen. auch so die lung ulceriren wolt, so went sie es ab und ist gleich wie ein balsam am selbigen ort, leßt nit faulen, leßt nit ansitzen“.
Auch die Dünste des mercurs, worunter Paracelsus hier auch Arsen versteht, können hinsichtlich bestimmter Gebrechen gesundheitsförderlich sein:
„die sublimation arsenici gibt ein hizigen spiritum in seinem luft; in
solcher hiz wird auch quartana (Wechselfieber) curirt, auch etliche
morbi acuti, auch etliche flüß, nemlich des podagrams (Fußgicht),
der aıthetica und ander flüß [. . _] so ist auch im luft mercurii alle die
tugent mercurii; darumb dieselbigen, so des sublimiren sich gebrauchen,
von pustulis (Syphilis) nit gepeinigt werden.“
Paracelsus warnt aber auch vor Quecksilber, sowohl als Dunst als auch als Medikament. Gegen „mercurialische“ Krankheiten, bei denen der mercur „lebendig“ gemacht werden muss, um ausgetrieben zu werden, empfiehlt er daher eher Bäder „gemacht aus Schwefel und dergleichen“ und eine Schwitzkur.
An dieser Stelle möchte ich auf die Werke „De vita longa“ und die „Archidoxen“ hinweisen, die zwar auch die Arzneiherstellung thematisieren, in denen die drei Prinzipien als solche aber nicht erwähnt werden. Die „Archidoxen“ ist eine sehr frühe Schrift, die Paracelsus bereits 1520 erstellt hat. Vielleicht hatte er die 3-Prinzipien-Theorie zu diesem Zeitpunkt noch nicht entwickelt.
Im Umfang sind die Hinweise auf die drei Substanzen als Heilmittel trotz ihrer zentralen Bedeutung für die Körperfunktionen und Krankheiten im Gesamtwerk des Paracelsus eher rar. Der Bezug auf sie erfolgt sowohl hinsichtlich der stofflichen Substanzen Schwefel, Quecksilber und Salz, als auch auf die mit ihnen assoziierten abstrakten Prinzipien.
4.2. Das Auffinden der drei Ersten in der spagyrischen Kunst durch den Arzt
Um Körperfunktionen und Krankheiten zu verstehen, muss der Arzt die drei Prinzipien erkennen, und um Arzneien wirksam herzustellen, muss er sie separieren können. Für das Auffinden der drei Substanzen in einem Objekt tritt die Alchemie in ihrer elementarsten Funktion in Erscheinung, nämlich als „Scheidekunst“ mit ihrem wichtigsten Werkzeug, dem Feuer. In diesem Abschnitt will ich die Ausführungen des Paracelsus zu der „Zerlegung der Natur“, wie er die Verfahrensweise mit diesem Ziel auch nennt, und ihren Stellenwert für die ärztliche Kunst darlegen.
In den „Elf Traktat“ wird die Suche nach den drei Substanzen als Gemeinsamkeit von Alchemist und Firmament deklariert, wobei letzteres die „drei corpora“ benötigt, um Wettererscheinungen wie beispielsweise den Blitz zu machen. Diese Suche wird hier noch nicht als „Trennung“ dargestellt: „drumb wie der Alchemist salpeter sucht in nitro, den mercurium in stercore, den sulphur im feur, also suchts auch das firmament“.
Der Hinweis auf die Trennung der „Drei“ durch das Feuer erfolgt erstmals in den Entwürfen zu den Vorlesungen über die tartarischen Krankheiten von 1527/28. So kann das Feuer Holz in „liquor“, Öl und Asche (hier: Synonyme für mercur, sulfur und sal) verwandeln. So wie in einem Athanar, einem alchemistischen Ofen, drei verschiedene Substanzen aus verschiedenen Dingen durch das Feuer erkennbar gemacht werden können, scheiden menschliche Organe wie Magen, Leber und Niere wieder andere Arten der „Drei“ aus der Nahrung. Mit Betonung dieser Aufgabe werden diese Organe selbst als „Feuer“ bezeichnet.
Am ausführlichsten erfolgt die Behandlung dieses Themas im „Opus Paramirum“. Für Ärzte, so heißt es hier, ist es unumgänglich, die drei „Ersten“ zu erkennen: „Darauf ist nun not, das die drei ding durch den arzt wol sollent erkennet werden und in allen iren eigenschaften verstanden, welche die sind und wie sie gsunt oder krank machen“(IX, 40). Das Mittel, durch welches Ärzte die drei Substanzen erhalten, ist das Feuer, das hier in seiner läuternden Eigenschaft eingesetzt wird und das Hauptwerkzeug der „vulkanischen Kunst“, also des alchemistischen Handwerks darstellt:
„das ist das feuer bewert die drei substanzen und stelt sie lauter und
klar für, rein und sauber (…) die erst ist die so er aus dem feuer nimpt,
in dem so er die vulkanische kunst treibt in der transmutirung, fixirung,
exaltirung, reduzirung, perficirung und anderen anhangenden dingen
disen zugehörig. in dise erfarung werden die drei substanzen erfiınden,
was art und was natur und eigenschaft so in der ganzen welt ist, begriffen
in allen naturen.“
Aus der Erfahrung, die der Arzt hier sammelt, kann er Rückschlüsse auf den Menschen ziehen:
„so ist nun der grunt, das wir die drei substanzen erkennen und erfaren,
das nicht aus unsem köpfen noch aus hören sagen sonder aus
der erfarenheit der natur zerlegung und erfarung, solcher eigenschaft
ergründung; dan der mensch wird erlernt aus der großen welt
und nit aus dem menschen.“
Paracelsus gibt im „Opus paramirum“ eine anschauliche und darum oft zitierte Definition der drei Prinzipien, die sich auf die Brennbarkeit, Flüchtigkeit und Rückstand bei einem Verbrennungsvorgang beziehen:
„nun die ding zu erfaren so nempt ein anfang vom holz, daselbig ist ein leip; nun lass brinnen, so ist das brint sulphur, das da raucht der mercurius, das zu eschen wird sal.“
Im übertragenen Sinn als Hinweis auf die Kunst der Trennung ist wohl die Bemerkung zu verstehen, nach der die Alchemie auch nicht brennbare Dinge zum „Brennen“ bringen kann:
“und wiewol das ist, das nicht alle ding brennen, als stein, so beweist aber auch die alchimei das sie zum brennen bereit werden, auch die metall und alles was unbrennlich geacht wird“.
Das letztliche Ziel des die Substanzen erkennenden Arztes ist die Arzneiherstellung, also die Fixierung der hier sogenannten „arcana“, fur welche das Wissen um die drei Substanzen die Grundlage darstellt. Der Arzt wird nur zum Arzt durch seine Arzneien, die Produkte der „vulkanischen Kunst“:
„Dorauf folgt nun das got die arznei beschaffen hat, darumb bestat
sie durch das feuer. also hat er auch beschaffen den arzt, das er aus
dem feuer geboren werd. nun ist der arzt aus der arznei und nit aus
im selbst, darumb so muß er durch der natur examen gen.“
Die Herstellung der Arkana aus einem Objekt erfolgt durch die „Zerbrechung“ dieses Objekts und die Zuführung des Resultats in eine „neue Geburt“, welches nun die Arznei darstellt. Auf diese Weise kann die Wirkungsart des Objekts erfahren werden. Ich spreche hier allgemein von einem „Objekt“; Paracelsus selbst gibt an dieser Stelle keine Auskunft über spezielle Ausgangsprodukte. Es ist aber anzunehmen, dass es sich dabei um Mineralien und Pflanzen handelt. Als Beispiel fuhrt er hier die Rose an, die, so wie sie ist, nicht als Arznei wirken kann, sondern erst einer Behandlung bedarf, durch die sie in die „neue Geburt“ geht. Die Ausgangsprodukte bezeichnet Paracelsus in der Folge als das „erst leben“; in den Endprodukten sind nun die drei Substanzen in der erwünschten Form wirksam:
„was nit in die neu geburt get, das ist dem arzt nicht underworfen.
al sein arbeit sol sein das sie in die neu geburt gang. Do entspringen
die rechten sulphur, mercurius und salz, in den dan alle heimlikeit
ligen und grunt, werk und cura.“
Den Ausdruck „Leben“ verwendet Paracelsus hier nicht in unserem heutigen Sinne nur im Bezug auf Organismen, sondern eher im Sinne von „Dasein“, wenn die drei Substanzen unzerteilt in einem Objekt eine Einheit bilden. Dies wird deutlich an einem Beispiel mit einem „carfunkel“ (Edelstein), mit dem Paracelsus veranschaulichen will, dass die drei Substanzen nicht erkennbar sind, solange sie im „Leben“ funktionieren und eine Einheit bilden. Erst im Abzug des Lebens, in der „Zerstörung“ werde sie offenbar:
„secht an ein carfunkel der ist hübsch und schön, wunderbarlicher
art; nun ist er ein S. ein M. ein Sal. so er nun zerlegt wird, so sicht
man das er die ding ist, ein ungeschaffen ding so er das leben nit
hat.“
Das Leben ist also der „Deckmantel“ für die drei Substanzen; der Tod macht sie offenbar. „das also ist im tot, das ist auch im leben also, aber gemalet und gezieret“. In einem Satz formuliert Paracelsus die Mittel, durch welche die drei Substanzen offenbart werden:
„und das darin die drei substanzen sind, das beweist die kunst, die natur und der tot, da ein ietliches ding zerteilt und zerlegt wird besonder wie ein ietliches sein sol“.
Obgleich sie eine Basisannahme für die Zubereitung wirksamer Medikamente darstellt, ist ihre Erwähnung in diesem Zusammenhang allerdings vergleichsweise selten und eher im theoretischen Bereich angesiedelt. In diversen Rezeptsammlungen wird nicht auf sie hingewiesen. Dies zeigt eine Schwäche der Theorie, die ihrem Wesen nach abstrakt gehalten ist und möglicherweise nur begrenzt praktische Hilfe bieten konnte.
- Die Drei Prinzipien Theorie in der Debatte der europäischen Paracelsisten
Drei Dekaden nach dem Tod des Paracelsus waren seine Schriften soweit publiziert, dass seine Philosophie den Interessierten zugänglich war. Gleichzeitig entstanden eine Reihe von Schriften, verfasst von seinen Anhängern, die paracelsistischen Lehren in mittelalterlichem Stil den Anschein eines höheren Alters geben wollten. Dadurch sollte den Lehren eine größere Autorität verliehen werden. Die Fälschungen hatten aber gleichzeitig den Effekt, dass Paracelsus seinen Kritikern, aber auch seinen Anhängern als Verarbeiter fremder Ideen, im speziellen der Drei Prinzipien Theorie, galt. Diese Unterstellung hielt sich noch lange, teilweise bis ins 19. Jahrhundert. Der Schluss ist jedoch umgekehrt zu ziehen: das Auftauchen des Salzes als drittes Prinzip in einer Schrift weist vielmehr auf einen mit den paracelsischen Lehren vertrauten Verfasser hin.
Auch wurden Traktate unter Paracelsus Namen veröffentlicht, die, obgleich sie sich deutlich durch Stil und Inhalt von original paracelsischen Werken unterscheiden, lange als echt galten und Basisliteratur für Paracelsisten darstellten.
In den darauffolgenden Jahrzehnten entbrannten Diskussionen zwischen Paracelsus -Befürwortern und Gegnern, die durch zahlreiche Schriften, in denen die jeweilige Stellungnahmen festgelegt wurden, belegt sind. Die neue „chemische Philosophie“ beschäftigte die Gelehıten, insbesondere Ärzte und Alchemisten bis tief ins 18. Jahrhundert hinein. Im folgenden stelle ich Eckpunkte im Verlauf dieser europaweiten Debatte dar, wobei die Bedeutung der Drei Prinzipien Theorie für die Naturphilosophie deutlich wird.
1571 wurde in Paris eine „philosophische Gesellschaft“ gegründet, die alchemistische Experimente machte und um die Herstellung paracelsischer Medikamente bemüht war. Im selben Jahr fand ein Tribunal vor dem Pariser Parlament statt, bei dem der Arzt R. le Baillif auf Grund seiner paracelsischen Ansichten von der traditionsreichen Ärzteschaft der Pariser Universität angeklagt wurde. Le Baillif hatte sich geweigert auf die Ausübung seines Berufs zu verzichten und beantwortete alle medizinischen Fragen der Galenisten mit drei stereotypen Antworten, die allgemein die Grundüberzeugung der Paracelsisten wiedergeben: Die Antwort seien die drei Prinzipien bzw. die chemische Trennung von Reinem und Unreinem oder die Doktrin des Mikrokosmos. Daraufhin wurde le Baillif exemplarisch aus Paris verbannt und floh nach England.
Ebenfalls 1571 publizierte der dänische Arzt P. S. Severinus die Schrift Idea medicinae philosophicae, die viel gelesen wurde und über ein Jahrhundert lang ein gern zitiertes Standardwerk der Paracelsisten blieb.
R. Bostock, der erste bedeutende paracelsistische Adept Englands, prägte den Begriff „chemische Philosophen“ für Paracelsisten. In seinem 1585 erschienenen Buch „The difference between the auncient Phisicke […] and the latter Phisicke“ entwickelt er die bekannten für Paracelsisten typischen Argumente. Demnach leiten sich die drei Prinzipien aus der Dreieinigkeit Gottes ab, weswegen allein schon die paracelsische Philosophie der alten, „heidnischen“ gegenüber der Vorzug gegeben werden muss. Der nächste wichtige Punkt ist die Analogie des Makro- mit dem Mikrokosmos, die die Basis für das Erkennen und Behandeln der Krankheiten darstellt. Letztlich gründet das erfolgreiche Ärztehandwerk auf Beobachtung, Erfahrung und dem alchemistischen Handwerk, das mit dem Werkzeug „Feuer“ den Geheimnissen des Makrokosmos auf den Grund zu gehen vermag. Diese grundlegenden Annahmen werden in verschiedenen Variationen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten von allen Paracelsisten aufgeführt.
Den fundamentalen Text für die Gegner des Paracelsus lieferte der Theologe und Philosoph Thomas Erastus mit seinen vierbändigen „Disputationes de medicina nova Paracelsi“, die l57l -1573 erschienen. Darin verteufelt er Paracelsus als Adepten böser Geister und nicht vertrauenswürdigen Scharlatan. Die Interpretation der Schöpfung als Makro- und Mikrokosmos verwarf er genauso wie die drei Prinzipien als elementare Bestandteile der Natur, seien sie nun körperlich oder unkörperlich gedacht. Vielmehr würden die drei Prinzipien erst durch Feuer hergestellt, die vier Elemente blieben nach wie vor die Bestandteile aller Objekte.
Neben Paracelsisten und ihren Gegnern gab es noch eine dritte Gruppe, die um einen Kompromiss bemüht war. Ihr Versuch, Einigkeit im Ärztelager herzustellen, beruhte auf der Absicht, das Beste und Brauchbare aus der neuen und alten Lehre zu ziehen. Der früheste ausgearbeitete Ansatz in dieser Richtung erfolgte von dem Mediziner und Philosophen J. A.Wimpaneus mit der Schrift „De concordia Hippocraticorum et Paracelsistarum“ von 1569. Darin werden die paracelsischen Doktrinen als für in die antiken Lehren integrierbar erklärt. Die drei Prinzipien Schwefel, Quecksilber und Salz haben demnach ihre Entsprechungen in den Elementen Feuer, Wasser und Erde, während die Luft überall teilnimmt. Diesbezüglich wird die paracelsische Sicht als subtiler und nützlicher gewertet.
Der bedeutendste um einen Kompromiss bemühte Gelehrte war J. G. von Andernach, der in Paris lehrte und Übersetzungen galenischer Werke anfeıtigte. Die Resultate seiner Studien über die neue paracelsische Medizin veröffentlichte er 1571 als „De medicína veteri et nova“. Paracelsus und seine Anhänger werden zwar darin als arrogante und geldgierige Magier bezeichnet; trotzdem wird aber viel Wertvolles an der neuen Medizin gefunden. So z.B. die Entdeckung, dass Metalle und Minerale nach der Beseitigung ihrer giftigen Eigenschaften durch chemische Operationen wirksame Medizinen darstellen können. Die Unterschiede in den theoretischen Grundlagen der beiden Medizinen sind für Andernach kein Problem; durch eine Gleichsetzung der drei Prinzipien mit den Elementen reduzieren sich die Differenzen auf semantische.
Während in Paris die Medizinfakultät den Paracelsisten durch ein Verbot des Ärzteberufs entgegenwirken wollte – wodurch die Debatte trotzdem kein Ende fand – schlug in London das Royal College of Physicians einen anderen Weg ein. 1610 wurde der wegen seiner paracelsistischen Ansichten in Paris geächtete Th. T. de Mayerne eingeladen, sich in London als königlicher Leibarzt niederzulassen. Durch ihn wurde die Zusammenstellung einer Pharmacopoeia vorangetrieben, einer Sammlung der als legal anerkannten Medikamente, die 1618 erschien und durch die die chemische Medizin einen offiziell anerkannten Status einnahm.
Während Mayerne als Vertreter der „praktischen Chemisten“ bezeichnet werden kann, repräsentiert Robert Fludd in England den „mystischen Chemisten.“ Als Alchemist und Verteidiger der paracelsischen Einflüssen unterlegenen Rosenkreutzer Schriften kommt auch er nicht an der Drei Prinzipien Theorie vorbei, obgleich er sie nur marginal behandelt. Von den drei Prinzipien nimmt er an, sie seien mit Licht, Dunkelheit und Wasser gleichzusetzen, aus denen die Schöpfung zu Beginn entstanden war.
Die Debatte bezüglich der drei Prinzipien nimmt ab Mitte des 17. Jahrhunderts eine neue Qualität an. Für die Medizingeschichte beginnt eine neue Epoche. Nicht nur, dass paracelsistische Einflüsse bei gelehrten Ärzten abnehmen, auch die Humoral- und Qualitätenpathologie wurde durch eine mechanistische Auffassung der Körperfunktionen abgelöst.
Die Herstellung von Medikamenten im Labor, die latrochemie, überlebt, behält aber wenig Bezug zum Paracelsismus, obgleich Paracelsus als Gründer der latrochemie gilt.
Eine im Grundkonzept an die drei Prinzipien erinnernde Vorstellung wird vor allem unter französischen Chemisten vertreten, wonach sich alle Dinge in fünf Anteile zerlegen ließen. Diese Ansicht gehört zum Repertoire zeitgenössischer Laboranten, die zunehmend losgelöst von kosmologischen Spekulationen nun schon als „Chemiker“ bezeichnet werden können. ln diesem Kreis werden auch die drei Prinzipien weiter diskutiert, unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit dieser Theorie für analytische Prozesse. Die Hauptfrage war dabei, ob die Prinzipien tatsächlich in Objekten existent sind oder erst durch Feuer hergestellt werden. Diese Auseinandersetzung scheint jenseits einer Stellungnahme für oder gegen den Paracelsismus stattgefunden zu haben.
Als Beispiel für die zeitgenössischen Überlegungen möchte ich eine Stellungnahme des Chemisten Robert Boyle skizzieren. ln seinem l67l erschienenen „The Sceptical Chymist“ vermutet er, dass die drei Prinzipien, sofern sie überhaupt verifizierbar sind, erst durch Hitze hergestellt werden. Viele Phänomene können nicht durch sie erklärt werden, wie z.B. die Entstehung von Farben, der Magnetismus, Gravität und die Entstehung von Pflanzen. Selbst als Folge des analytischen Prozesses durch Feuer sind sie nicht generell als drei Prinzipien verifizierbar. Boyle weist darauf hin, dass durch Brennen und Destillation verschiedene Ergebnisse erzielt werden können; ebenso durch die Anwendung verschiedener Hitzegrade. Letztlich könnten die meisten Substanzen gar nicht in drei Bestandteile aufgelöst werden; die meisten organischen Substanzen ließen sich durch Feuer in fünf Bestandteile trennen. Aber auch dieser Erkenntnis als Ergebnis einer Analysemethode steht Boyle skeptisch gegenüber, da er generell bezweifelt, dass durch Anwendung des Feuers in einem Objekt präexistente Substanzen gewonnen werden können. Trotz dieser Unzulänglichkeiten der Drei Prinzipien Theorie schließt Boyle nicht aus, dass die drei Prinzipien durch neue, noch nicht durchgeführte Experimente bestätigt werden könnten.
Zum Abschluss dieses Abschnitts möchte ich noch den Standpunkt von Francis Bacon, wiedergeben. Die Debatten der Chemisten über die Substanzen selbst und die Erforschung ihrer toten Prinzipien hält Bacon für unwichtig. Nichtsdestotrotz liefert auch er Spekulationen zu den „tria prima“ sulfur, mercur und sale, deren Geschichte er schreiben wollte. Von diesem Werk wurde nur das Vorwort fertiggestellt, das über die Zweckmäßigkeit der tria prima für den Philosophen informiert, wenn er diese als allgemeine Annahme akzeptiert. Während sulfur und mercur für Bacon die brennbare und nicht brennbare Materie repräsentieren, versteht er das sale als „Lebensgeist.“ Die Analyse der Bestandteile von Körpern hält Bacon für wichtig, um dem Ziel, nämlich der Transmutation von Körpern, näher zu kommen. Das Feuer als Werkzeug der Analyse trennt einen Körper weniger in seine Bestandteile, als dass es vielmehr neue Substanzen hervorbringt. Sinnvoller ist es, eine Analyse aus Vernunft und Induktion herzuleiten. Bacons Wahrnehmung der drei Prinzipien als philosophische Annahme ohne praktischen Wert macht deutlich, warum diese paracelsische Theorie in Vergessenheit geraten musste. Auch nach heutigem Verständnis kann sie die Fragen der Naturwissenschaften und insbesondere der Medizin nicht beantworten, da sie keine nachvollziehbaren Gesetzmäßigkeiten erfasst.
Die Zuordnung der Funktionen der Prinzipien in den verschiedenen Objekten sind bei Paracelsus nicht kohärent, oft sogar widersprüchlich. Trotzdem wird deutlich, als was sie verstanden werden bzw. was sie nicht sind. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass diese Theorie, obgleich sie nahezu fast zweihundert Jahre in Gelehrtenkreisen diskutiert wurde, nie originalgetreu wiedergegeben wurde. Sowohl bei Paracelsus-Anhängern als auch bei seinen Gegnern wurde sie jeweils individuell ausgedeutet und verändert, meistens in einer vereinfachenden Weise. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass die Darstellungen der Theorie in etlichen unter Paracelsus Namen veröffentlichten Schriften ebenfalls von der Originalversion abweichen, sich eingängiger präsentieren und leichter zu verstehen sind.
Schluss
Die drei Prinzipien versteht Paracelsus als in jeder Erscheinung wirkende Kräfte, die das jeweils spezifische Dasein, seine Form und Funktion bestimmen. In dem Sinne „besteht“ jedes Ding aus seinen individuellen Prinzipien sulfur, mercur und sal. Obgleich die Prinzipien selbst nicht als materielle Einheiten, sondern eher als spirituelle Kräfte verstanden werden, verursachen sie die materielle Erscheinung an sich. Sie sind also in einem Körper inhärent, bedingen seine Eigenschaften, „sind“ letztlich der Körper selbst. Verkörpert werden sie durch die Substanzen Schwefel, Quecksilber und Salz.
Auch die Krankheiten des menschlichen Körpers können entsprechend durch Fehlfunktionen im Zusammenspiel der drei Substanzen erklärt werden. Paracelsus ersetzt mit dieser Theorie, die seit der griechischen Antike gelehrten Humoralpathologie, die Krankheiten mit dem Ungleichgewicht von vier Säften erklärte.
Nichtsdestotrotz baut Paracelsus auf antike und mittelalterliche alchemistische Theorien auf, in denen Schwefel und Quecksilber eine herausragende Bedeutung in der Lehre der Metalle zukommen.
Die triadische Erscheinungsform der drei Prinzipien führt Paracelsus auf die Dreiheit in der christlichen Dreieinigkeit zurück, ohne konkrete Entsprechungen zu nennen. Er entwickelt unter Einbeziehung der drei Prinzipien eine sehr eigenwillige Interpretation des Schöpfungsvorgangs. Der christliche Schöpfergott agiert hier wie ein Alchemist.
Die Trichotomie Körper, Seele, Geist findet keine Analogie in Salz, Schwefel und Quecksilber, da die Prinzipien nur im sichtbaren Körper wirken.
Das aus heutiger Sicht Bemerkenswerte an der Drei Prinzipien Theorie ist, dass hier ein Versuch gemacht wurde, substantielle Erklärungen für die Funktion des menschlichen Körpers und seiner Krankheiten zu finden. In Verbindung mit der Betonung der Wichtigkeit praktischer Laborarbeit durch Paracelsus ist die Drei Prinzipien Theorie mit ein Grund, weshalb Paracelsus als Mitbegründer der Iatrochemie, der chemischen Medikamentenherstellung, gilt.
Literaturnachweis
- Paracelsus-SchriftenTheophrastus von Hohenheim, gen. Paracelsus, Sämtliche Werke, 1. Abteilung: Medizinische, naturwissenschafiliche und philosophische Schriften, hg. Karl Sudhoff, 14 Bände, München, Berlin 1922 -1933; chronologisch nach Entstehungszeit:
Elf Traktat vom Ursprung, Ursachen, Zeichen und Kur einzelner Krankheiten (1520) I, 2-161
Herbarius (1525) ll, 1-57
Von den natürlichen Dingen (1525) ll, 59-175
Von den ersten drei essentiis (1525) 111, 3-11
Philosophia de generationibus et fructibus quatuor elementomm (1525/26) XIII, 5-123
Liber meteororum (1525/26) XIII, 125-206
Deutsche Originalfragmente zu den fünf Büchem De Vita Longa (1526) III, 293-308
Entwürfe und Ausarbeitungen zu den Vorlesungen über tartarische Krankheiten (1527/28) V, 130-150
Das Buch Paragranum (1530) VIII, 133-221
Opus Paramirum (1531), IX, 38-248
Die große Wundarznei (1536) X, 8-421
Das Buch von den tartarischen Krankheiten (1537/3 8) XI, 15-122
Die 9 Bücher De Natura rerum XI, 307-403
Astronomia Magna (1537/38) XII, 1-444 - Sekundärliteratur
Benzenhöfer, Udo, „Studien zum Frühwerk des Paracelsus im Bereich Medizin und Naturkunde“, 2005
Daems, Willem Frans, „Sulfur- Mercur- Sal bei Paracelsus und das Buch der heiligen Dreifaltigkeit“, Nova Acta Paracelsica 10 (1982) ,189-207
Debus, Allen, “The chemical Philosophy, Paracelsian Science and Medicine in the 16th and 17th centuries”, 2 Bände, New York 1977
ders., „Fire Analysis and the Elements in the Sixteenth and Seventeenth Centuries“, Annals of Science 23 (1967), 127-147
Gantenbein, Urs Leo,” ‚Separatio puri ab impuro‘: Die Alchemie des Paracelsus“. Nova Acta Paracels. N.F. 11 (1997), 3-59
ders.,“Paracelsus und seine physiologische Alchemie in St. Gallen“, in „Alchemie in St. Gallen“, hg. Thomas Hofineier et al., St. Gallen 1999, 13-18.
Ganzenmüller, Wilhelm, „Paracelsus und die Alchemie des Mittelalters“, in „Beiträge zur Geschichte der Technologie und der Alchemie“, Weinheim 1956, 300-314.
Garbers, Karl/ Weyer, Jost, „Quellengeschichtliches Lesebuch zur Chemie und Alchemie der Araber im Mittelalter“, Hamburg 1980.
Goldammer, Kurt, „Die paracelsische Kosmologie und Materietheorie“, Medizinhistorisches Journal 6 (1971), 5-35.
Haage, Bernhard Dietrich, „Alchemie im Mittelalter. Ideen und Bilder von Zosimos bis Paracelsus.“ Zürich/ Düsseldorf 1996, hier 176-200.
ders., „latrochemie vor Paracelsus“, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 14 (1996), 17-27.
ders., „Alchemische Arzneimittelherstellung vor Paracelsus“, Nova Acta Paracelsica N.F. 13 (1999), S. 217-236.
Hooykaas, R., “Chemical trichotomy before Paracelsus?”, Archives Internationales d’Histoire des Sciences 2 (1948-1949), 1063-1074.
Kämmerer, Ernt Wilhelm, „Das Leib –Seele- Geist Problem bei Paracelsus und einigen Autoren des 17.Jhdts.“, Wiesbaden 1971 (=Kosmosophie, 3).
Kroll, J., „Die Lehren des Hermes Trimegistos“, Beitrage zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 12 (1928), 2-4
Lippmann, E.O., Die Entstehung und Ausbreitung der Alchemie, Berlin 1919.
Miller-Guinsberg, Arlene, „Von Paracelsus zu Böhme: Auf dem Wege zu neuen Bestandesaufnahmen in der Beeinflussung Böhmes durch Paracelsus“, Salzburger Beiträge zur Paracelsusforschung 21 (1980), 96-118.
Müller-Jahnke, Wolf-Dieter, „Astrologisch-magische Theorie und Praxis in der Heilkunde der frühen Neuzeit“, Wiesbaden, Stuttgart 1985 (=Sudhoffs Archiv, Beiheft 25).
Pagel, Walter, „Das medizinische Weltbild des Paracelsus”, Wiesbaden 1962 (=Kosmosophie, 1).
ders., An Introduction to Philosophical Medicine in the Era of renaissance, Basel/ New York 1982.
ders., The Smiling Spleen, Basel/New York 1984.
Peuckert, Will-Erich: „Hennetisch-paracelsisches Wörterbuch“, in: Theophrastus Paracelsus, Werke, hg. W.E. Peuckert, Bd. 5, Darmstadt 1976.
Wußing, Hans (Hg.): Geschichte der Naturwissenschaften, Leipzig 1983.
Priesner, Claus: „Geschichte der Alchemie“, München 2011